Energiewende – wie sehr das Thema offenbar auch den Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises Kitzingen unter den Nägeln brennt, zeigt eine Zahl: über 100. So viele Anfragen sind in den letzten Wochen bei der am Landratsamt verankerten Energieberatung eingegangen, per Mail und telefonisch. Der Ansturm überraschte auch die Mitte 2021 eingestellte Klimamanagerin Anke Hormel so sehr, dass sie das Angebot rasch aufstockte. Ab April soll es nun an zwei Nachmittagen im Monat insgesamt ein Dutzend Beratungstermine geben.
Drei Fragen treiben die Menschen besonders um: Wie lässt sich meine alte Heizung ersetzen? Wie stelle ich auf erneuerbare Energien um? Und wo gibt es die meisten Fördermittel? Landrätin Tamara Bischof, die sich gerade eine Photovoltaikanlage aufs private Anwesen hat montieren lassen, sagt: "Durch den unsäglichen Krieg in der Ukraine ändert sich das Verhalten der Leute schlagartig. Viele denken plötzlich über eine neue Heizung nach." Weg von Putins Öl und Gas heißt die Devise.
Das will auch der Landkreis schaffen, und zwar schneller als mancher private Haushalt. Auf das Ziel hat sich der Kitzinger Kreistag bereits verständigen können: alle Gebäude des Landkreises bis spätestens 2030 klimaneutral zu machen. Nur der Weg dahin ist unter den Kreisräten offenbar noch nicht ganz klar. Manchem gehen die beschlossenen Maßnahmen nicht weit genug. Christa Büttner (Grüne) sagte im Umwelt- und Klimaausschuss, der die Fäden der Energiewende im Landkreis zusammenführt, sie erwarte jetzt, dass "konkrete Energiespaßnahmen" in der Verwaltung geprüft würden.
Und einem altgedienten Umweltpolitiker wie Robert Finster (SPD) reicht es nicht, sich bloß mit Investitionen in digitale Hardware zu befassen. "Wir müssen auch Betriebssysteme fit machen." Zudem brauche es viel stärker als bislang die Zusammenarbeit aller Gemeinden und bei den Bürgermeistern ein Denken über den eigenen Kirchturm hinaus. Dafür müsse der Landkreis entschlossen vorangehen, deutlich mehr Geld und Beratung zur Verfügung stellen.
Die Landrätin weiß mit beiden Vorwürfen wenig anzufangen. An Büttner gewandt sagte Bischof, sie könne ihren Leuten im Amt "nicht verbieten, dass sie Strom und Wasser verbrauchen. Sie müssen ja arbeiten, und das momentan nicht wenig." Natürlich werde man einsparen, wo immer es geht. Und Finster entgegnete sie, jeder Bürgermeister, jede Bürgermeisterin werde doch vom Bauamt schon jetzt nach Kräften beraten. "Wir haben keinen Nachholbedarf."
Bis spätestens 2030 soll die Kreisverwaltung klimaneutral sein
So sieht das auch Klimaschutzmanagerin Anke Hormel. Die ersten 100 Tage im Amt sind längst vorüber; Hormel hat sie genutzt, um ein Konzept aufzusetzen, das in neun Schritten zur klimaneutralen Verwaltung im Jahr 2030 führen soll. Sie zeigte ein Schaubild mit bunten Gliedern, das – wie sie anmerkte – die Form einer Raupe hat, was es sinnbildlich nicht ganz trifft. Denn natürlich will man sich als Landkreis zügiger fortbewegen, als es eine Raupe gemeinhin tut.
Die neun Glieder tragen Handlungsempfehlungen wie "Treibhausgas-Emissionen bilanzieren", "Ziele beschließen" oder einfach nur "Handeln" oder "Überprüfen". Was sich hinter den banalen Botschaften verbirgt, hat Hormel dem Ausschuss ausführlich vorgestellt. Zunächst geht es darum, im eigenen Haus die Sinne zu schärfen und zu untermauern, dass Klimaschutz alle angehe, nicht nur einzelne Abteilungen. Das habe auch mit Glaubwürdigkeit gegenüber dem Bürger zu tun.
Neben dem Landratsamt umfasst das Konzept alle landkreiseigenen Liegenschaften, den Bauhof genauso wie den Wertstoffhof, das Kompostwerk ebenso wie die Bauschuttdeponie und natürlich alle sieben vom Landkreis getragenen Schulen. Dort sieht Hormel mit der Installierung von Dachphotovoltaikanlagen eines der größten Potenziale.
Mit einem digitalen Solarkataster will man Haus- und Grundbesitzern kostenlos und unabhängig aufzeigen, wo und wie sich Solar- und Photovoltaikanlagen am besten realisieren lassen. Auch das Handwerk im Landkreis soll davon profitieren. Gerade hat der Umweltausschuss knapp 300.000 Euro freigegeben, um damit die Dächer der Kitzinger Realschule und des Gymnasiums Marktbreit mit Photovoltaikanlagen auszurüsten. Auch die Flächen der landkreiseigenen Mülldeponien sollen abermals auf diese Möglichkeit hin geprüft werden.
Die Realschule Dettelbach, das Armin-Knab-Gymnasium und die Berufsschule in Kitzingen tragen seit mehr als zehn Jahren PV-Anlagen, der Wertstoffhof seit 2018. Im Großen wie im Kleinen ist der Landkreis gerade dabei, alles auf den Prüfstand zu stellen; es geht um Strom- und Wärmeverbrauch, um den Ausbau erneuerbarer Energien, um Dienstreisen und den Weg zur Arbeit.
Die Klimaschutzmanagerin soll Zeit zum Arbeiten bekommen
Für Kreisrat Timo Markert (CSU) setzt das Klimamanagement nicht früh genug an. Er forderte, sich schon während des Bauens intensiv Gedanken zu machen. "Etwas hinzubauen und außen Styropor draufzukleben ist nicht klimaneutral", sagt er. Der frühere Iphöfer Bürgermeister Josef Mend, der mit seiner FW-Fraktion am Antrag für die "erste Klima-Million" des Landkreises mitgebastelt hat, warnt bei aller Beflissenheit vor Aktionismus. "Frau Hormel ist jetzt sechs Monate da, und wir erwarten schon Wunderdinge", sagte er in der jüngsten Sitzung. "Lasst sie doch erst mal arbeiten."