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Kitzingen
Eklatante Versäumnisse beim Hochwasserschutz: Diese Alarmsignale gab es schon weit vor der Sturzflut in Kitzingen
Die Versuche der Politik, die Stadt vor Hochwasser zu schützen, lesen sich wie eine Chronologie des Versagens. Jetzt gibt es einen neuen Vorstoß aus Reihen des Stadtrats.
Wie nach einem Tsunami sah es Anfang Juni entlang des Eherieder Mühlbachs in Kitzingen aus. Lassen sich Katastrophen wie diese künftig verhindern?
Foto: Helen Schneider | Wie nach einem Tsunami sah es Anfang Juni entlang des Eherieder Mühlbachs in Kitzingen aus. Lassen sich Katastrophen wie diese künftig verhindern?
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 18.09.2024 02:39 Uhr

Die Sonne scheint von einem weiß-blauen Himmel, der Sommer gibt sich an diesem Septemberabend noch einmal richtig Mühe, und die kleine Delegation, die hier am Ortsausgang Kitzingen in Richtung Kaltensondheim über saftig grüne Wiesen spaziert, blickt plötzlich in einen Abgrund. Die Gruppe ist auf einem Brücklein zum Stehen gekommen, das den Eherieder Mühlbach überspannt, ein zahmes Rinnsal, das drei Monate zuvor nach heftigen Regenfällen zum reißenden Strom geschwollen ist und im Unterlauf Chaos, Leid und Zerstörung hinterlassen hat.

Keiner der Menschen in der Talstraße oder Kaltensondheimer Straße kann sich an eine Flut erinnern, wie sie am Abend des 1. Juni über ihre kleine Welt hereingebrochen ist. Einige Betroffene von damals sind an diesem Abend dabei, als die Gruppierung ProKT mit den Stadträten Walter Vierrether und Dirk Wittmann sowie dem ehemaligen Bürgermeister Franz Böhm jetzt das neuralgische Gebiet abschreitet. Hier sammelte sich in der Nacht das Wasser, ehe es in einem wallenden Strom Richtung Innenstadt schoss.

Friedlicher Bach entwickelt sich bei Starkregen zum reißenden Strom

Auf diesen Wiesen an der Straße nach Kaltensondheim könnte ein Rückhaltebecken entstehen, das bei Starkregen den Wasserzufluss in Richtung Stadt drosseln würde.
Foto: Eike Lenz | Auf diesen Wiesen an der Straße nach Kaltensondheim könnte ein Rückhaltebecken entstehen, das bei Starkregen den Wasserzufluss in Richtung Stadt drosseln würde.

Als erste der acht politischen Gruppierungen im Stadtrat fordert ProKT nun in einem Antrag den Bau eines Regenrückhaltebeckens an der Straße nach Kaltensondheim. Damit könnte das Wasser künftig schon weit vor der Stadt abgefangen und kanalisiert werden; das Risiko einer Sturzflut würde dadurch "deutlich" gesenkt.

Die meisten Flächen hier draußen gehören der Stadt, sie sind an Landwirte verpachtet und werden in der Regel extensiv genutzt – das sollte also nicht das Problem sein. Doch es gibt andere Hindernisse, die sich in Jahrzehnten nicht überwinden ließen.

Fakt ist: Die Gefahr, die bei Starkregen von dem im Normalfall friedlichen Bach droht, ist seit Langem bekannt und immer wieder verdrängt worden. Das zeigt die Chronologie der Ereignisse, die nachzulesen sind in den diversen Berichten dieser Redaktion.

Pläne für ein Rückhaltebecken für Hochwasser schlummern seit Jahren im Bauamt

Frühester Verfechter von Dämmen im Tal der Kaltensondheimer Straße war der CSU-Stadtrat Adam Straßberger. Sein Credo schon weit vor der Jahrtausendwende: "Das Wasser muss da zurückgehalten werden, wo es runterkommt." Doch lange blieb er der einsame Mahner.

Im Frühjahr 2011 erklärte Dieter Richter, damals Leiter des Tiefbauamts, vor dem Stadtrat: "Das Problem ist erkannt, und es gibt Überlegungen." Richter sprach von umfassenden Plänen, die seit den 1990er-Jahren in den Schubladen des Bauamts schlummerten, aber aus Kostengründen nie umgesetzt wurden.

Als Ende 2017 die ProKT-Leute Hans Schardt und Franz Böhm den Bau eines Regenrückhaltebeckens im Oberlauf des Eherieder Mühlbachs forderten, war von dreieinhalb Millionen Euro Baukosten die Rede.

Wasserwirtschaftsamt forderte die Stadt zum Schutz vor Überflutung zum Handeln auf

Als Anfang Juni die Flutwelle in Kitzingen durch war, ging es ans Auf- und Ausräumen, hier vor einem Anwesen in der Talstraße.
Foto: Julia Graber | Als Anfang Juni die Flutwelle in Kitzingen durch war, ging es ans Auf- und Ausräumen, hier vor einem Anwesen in der Talstraße.

Im Frühjahr 2019 warf Jens Pauluhn in seiner damaligen Rolle als ÖDP-Stadtrat der Stadtverwaltung vor, versagt zu haben. Seit einem größeren Unwetter mit Überflutungen von Grundstücken und Kellern im Mai 2016 habe sie keinerlei konstruktive Lösungen erarbeitet. Das Thema Hochwasserschutz werde "komplett liegengelassen", sagte er im Bauausschuss. Inzwischen hat er die Seiten gewechselt; er leitet heute selbst das Tiefbauamt.

Pauluhn konnte sich auf kompetente Unterstützung berufen. Das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg warnte schon damals vor dem "Risiko großflächiger Überflutungen" entlang des Eherieder und auch des Repperndorfer Mühlbachs. Und: Die Behörde empfahl der Stadt, Vorsorgemaßnahmen "zeitnah" zu planen und umzusetzen. Doch außer Pauluhn forderte keiner im Bauausschuss, den Schutz der Bachanrainer gezielt voranzutreiben. So hat sich bis heute nichts Wesentliches getan.

Immerhin hat sich der Stadtrat Anfang 2024 – nach Jahren des Zauderns – dazu durchgerungen, ein Sturzflut-Risikomanagement in Auftrag zu geben. Bis die ersten Ergebnisse vorliegen, wird es Herbst 2025 werden. Die ProKT-Vertreter bemängeln, dass man so lange nicht warten könne, und drängen mit Blick auf die Betroffenen der jüngsten Flut auf ein Signal des Aufbruchs.

Das Risiko von Starkregen und Sturzfluten nehme immer weiter zu. "Die Auswirkungen solcher Ereignisse bedrohen nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die Sicherheit und das Wohl der Bürgerinnen und Bürger." Ein Rückhaltebecken könne die Wassermassen zurückhalten, den Abfluss regulieren und den Schutz bedrohter Gebiete verbessern.

Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) hat in der Juli-Sitzung des Stadtrats angedeutet, dass es sinnvoll sein könne, Maßnahmen vorzuziehen. Diese müssten darin bestehen, die Fluten zu bremsen und dosiert abzuleiten. "Dafür", so der OB, "brauchen wir nicht zu warten, bis jeder Zufluss aus allen Richtungen untersucht ist."

 
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Kommentare
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  • Gerlinde Conrad
    Zu dem" Managerdreigestirn" für Klima, Veranstaltung und Presse brauchen wir unbedingt noch einen Sturzflut-Risikomanager, der sich dann mit den anderen "Verantwortlichen" der Stadtverwaltung mit betroffenem Blick an den Flutschadenstellen von der Lokalpresse fotografieren lässt! So haben es seit Jahrzehnten die Vorgänger auch schon gemacht und alles Mögliche versprochen, aber es hat sich leider nichts geändert, weil man da sofort handeln muss und nicht nur schön reden! Was folgt darauf? Natürlich ein ausführlicher Leserbrief, den die Redaktion vielleicht ungekürzt druckt. K.-H. Conrad
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  • Johannes Metzger
    Und die Schwadronierer von der CSU und CDU Spitze meinen immer noch, daß Klimaschutz überbewertet wird.
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