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Kitzingen
"So was habe ich noch nicht erlebt": Anwohner der Talstraße in Kitzingen packen nach dem Unwetter gemeinsam an
Eine Wurstküche unter Wasser, Schlamm im frisch sanierten Haus: In Kitzingen räumen Nachbarn auf – und bekommen unerwartet Hilfe. Sechs Betroffene erzählen.
Nach dem Starkregen am Wochenende laufen die Aufräumarbeiten in der Talstraße in Kitzingen auf Hochtouren. Unterstützung erhalten die Anwohnerinnen und Anwohner von Freunden, Familienangehörigen - und Unbekannten.
Foto: Julia Graber | Nach dem Starkregen am Wochenende laufen die Aufräumarbeiten in der Talstraße in Kitzingen auf Hochtouren. Unterstützung erhalten die Anwohnerinnen und Anwohner von Freunden, Familienangehörigen - und Unbekannten.
Julia Graber       -  Julia Graber ist im Landkreis Würzburg aufgewachsen. Sie studierte Politik und Geschichte in Würzburg und Jena. Seit 2022 arbeitet Julia Graber für die Mediengruppe Main-Post, zunächst als Praktikantin in der Stadtredaktion Würzburg, dann als Werkstudentin und schließlich als Vollzeitkraft im Bereich Custom Content, Sonderpublikationen. Julia Graber ist seit April 2024 Volontärin bei der Main-Post.
Julia Graber
 |  aktualisiert: 09.06.2024 02:30 Uhr

 Verdreckte Teppiche hängen über den Zäunen, verschlammte Gegenstände warten auf den Sperrmüll: Auf dem Weg durch die Talstraße in Kitzingen bietet sich am Tag nach dem Unwetter ein Bild der Verwüstung. Mühsam befreien Anwohnerinnen und Anwohner ihre Garagen, Keller und Autos von Wasser und Schlamm. Hilfe erhalten sie von Freunden, Familienangehörigen, Nachbarinnen und Nachbarn – und sogar Unbekannten. Sechs Bewohner schildern ihre Erlebnisse.  

Ulrich Wachter, Inhaber von Wurst Wachter: "So was habe ich noch nie erlebt"

Die Wurstküche der Metzgerei Wachter in Kitzingen steht unter Wasser. Die Aufräumarbeiten dauerten bis 4 Uhr früh am Sonntag.
Foto: Maximilian Streng | Die Wurstküche der Metzgerei Wachter in Kitzingen steht unter Wasser. Die Aufräumarbeiten dauerten bis 4 Uhr früh am Sonntag.

Ulrich Wachter sitzt in seinem Büro, direkt neben der Wurstküche der Metzgerei Wachter. Im Haus werden noch immer die Spuren des Starkregens beseitigt. "Ich bin seit 74 Jahren in Kitzingen. So was habe ich noch nicht erlebt", sagt der 83-Jährige. Innerhalb kürzester Zeit sei der Keller in der Nacht auf Sonntag vollgelaufen. 

Wachter ist von der Hilfsbereitschaft überwältigt. "Aus der Nachbarschaft hat eine junge Frau ihre Hilfe angeboten. Ich wusste nicht, wer sie ist und hatte Mühe, ihre Adresse herauszubekommen", erzählt der Inhaber des Familienbetriebs. Die Ware der Metzgerei sei unversehrt geblieben. "Trotz Stromausfall wurde die Kühlkette nicht unterbrochen", sagt Mitarbeiterin Renate Seitz.

Maximilian Streng misst nach: 147,5 Zentimeter hoch stand das Wasser im Keller der Familie Wachter.
Foto: Julia Graber | Maximilian Streng misst nach: 147,5 Zentimeter hoch stand das Wasser im Keller der Familie Wachter.

Tatkräftige Hilfe erhielt die Metzgerfamilie von ihren Freunden Peter und Maximilian Streng, die in der Nacht auf Sonntag mehrmals von Dettelbach nach Kitzingen fuhren und Pumpen und einen Wassersauger brachten. Maximilian Streng ist beeindruckt: "Es ist Wahnsinn, was hier für eine Einsatzbereitschaft herrscht", sagt der 23-Jährige.

Alexandra Knack: "Die Partyhütte können wir abreißen"

Die Partyhütte von Alexandra Knack wurde unterspült und muss vermutlich abgerissen werden.
Foto: Julia Graber | Die Partyhütte von Alexandra Knack wurde unterspült und muss vermutlich abgerissen werden.

Wenige Meter weiter wohnt Alexandra Knack. Auch ihr Keller lief voll mit Wasser. "Der Strom ist da, aber wir haben kein heißes Wasser", sagt die 49-Jährige. Die Kitzingerin erinnert sich an frühere Unwetter, doch die seien nicht so heftig gewesen. "Wir hatten noch nie Wasser im Keller!" Ihr Auto hat Knack rechtzeitig aus der Garage gerettet und an der Tankstelle geparkt.

Am Schlimmsten hat es die Partyhütte erwischt. "Die ist unterspült, das bekommen wir nicht mehr trocken", sagt Knack. "Ich denke, wir können sie abreißen."

Silke Jacobi: "Das Schlimmste ist, dass wir keinen Strom haben"

Das Auto von Silke Jacobi ist innen voller Schlamm und nicht mehr fahrtüchtig.
Foto: Julia Graber | Das Auto von Silke Jacobi ist innen voller Schlamm und nicht mehr fahrtüchtig.

Knacks Nachbarin Silke Jacobi wohnt seit 16 Jahren in der Talstraße und sagt: "Wir hatten bisher nur einmal ein bisschen Wasser im Keller." In Gummistiefeln steht die 48-Jährige dreckverschmiert vor ihrem Seat Ibiza, der innen voller Schlamm ist. Das Auto ist nicht mehr fahrtüchtig. "Der Keller wurde komplett überflutet. Das Schlimmste ist, dass wir keinen Strom mehr haben", sagt Jacobi. Auch heißes Wasser gab es am Montagmittag nicht. 

Beeindruckt ist Jacobi von den Feuerwehren. "Die Feuerwehrleute waren gut drauf. Auch viele junge Leute waren dabei und haben geholfen."

Fotoserie

Mike Schulz: "Das Auto ist keine zwei Jahre alt"

Mike Schulz spritzt den Unterboden seines Autos ab. Ob der Wagen noch fahrtauglich ist, muss er erst klären lassen. 
Foto: Julia Graber | Mike Schulz spritzt den Unterboden seines Autos ab. Ob der Wagen noch fahrtauglich ist, muss er erst klären lassen. 

Gegenüber von Silke Jacobi wohnen Mike Schulz und Mieczyslaw Cisek. "Ich bin seit Samstag auf den Beinen und habe nicht mehr geschlafen", sagt Schulz. Innerhalb einer Stunde habe sich das Wasser im Keller und in der Garage gesammelt. Der Keller ist seitdem voller Schlamm. "Das Schlimmste ist die Feuchtigkeit, die in meine gerade erst frisch renovierte Wohnung hochzieht." 

Sorgen macht sich Schulz auch um sein Auto: "Keine zwei Jahre alt und womöglich ein wirtschaftlicher Totalschaden." Mehr Glück hat Nachbar Mieczyslaw Cisek. Der Motor seines Autos läuft bisher. 

Chris Frank: "Vorhin hatte ich ein Erfolgserlebnis: Der Akkuschrauber aus dem Keller geht noch"

Alles voller Schlamm: Gegenstände aus dem Keller der Familie Frank. Die Familie ist vor vier Wochen erst in das Haus in der Talstraße gezogen.
Foto: Julia Graber | Alles voller Schlamm: Gegenstände aus dem Keller der Familie Frank. Die Familie ist vor vier Wochen erst in das Haus in der Talstraße gezogen.

Ein Stück weiter wohnt seit Kurzem Familie Frank. "Wir haben das Haus erst gekauft, saniert und sind vor vier Wochen eingezogen", sagt Chris Frank. Bis zur dritten Treppenstufe am Hauseingang kam das Wasser, der Keller lief voll. "Das Wasser hatte eine Höhe von 1,80 Metern", sagt der 35-Jährige.  Im Keller hatte der Lehrer unter anderem Unterrichtsmaterialien gelagert, die er nun nicht mehr verwenden kann.

"Meine Familie aus Aschaffenburg und Freunde sind hier und helfen uns", sagt Frank dankbar. Seinen Humor hat er im Schlamm nicht verloren: "Ich hatte vorhin ein Erfolgserlebnis: Der Akkuschrauber aus dem überfluteten Keller geht noch."

 
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