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Kitzingen
Der Kampf gegen asphaltierte Vorgärten: Kapituliert die Stadt Kitzingen vor den "Gärten des Grauens"?
Der Kitzinger Stadtrat beerdigt eine lange vorbereitete Satzung zur Freiflächengestaltung. Was heißt das nun für den städtischen Klimaschutz – und für Vorgarten-Besitzer?
Asphalt-Wüste in der Würzburger Sanderau: Was einmal ein Vorgarten war, ist jetzt eine schwarze, versiegelte Fläche.
Foto: Thomas Obermeier | Asphalt-Wüste in der Würzburger Sanderau: Was einmal ein Vorgarten war, ist jetzt eine schwarze, versiegelte Fläche.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 20.05.2024 02:40 Uhr

Ein asphaltierter Vorgarten in der Würzburger Sanderau hat vor Wochen zu viel Unmut unter Anwohnern und Passanten geführt, zumal es nicht der erste grüne Vorgarten in dem Stadtteil gewesen sein soll, der versiegelt wurde. Von einem "Ärgernis" war die Rede, einem "Schandfleck", einer "Autobahn im Vorgarten" – und groß war die Sorge um das "Flair der Sanderau".

Ungefähr zur gleichen Zeit hat der Kitzinger Stadtrat eine lange vorbereitete Satzung zur Freiflächengestaltung im Stadtgebiet beerdigt. Diese meinte nicht dasselbe, ging aber in die gleiche Richtung, um Fälle wie in Würzburg zu verhindern. Grob gesagt war das Ziel, die auch als "Gärten des Grauens" bezeichneten Steinwüsten zu verhindern.

Vorgelegen hatte dem Stadtrat Ende 2023 nach umfangreichen Abstimmungen die von der Verwaltung ausgearbeitete "Satzung der Stadt Kitzingen über die Gestaltung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke und die Begrünung baulicher Anlagen im Stadtgebiet". Das war ein auf sechs DIN-A4-Seiten gepresstes Dokument der Entschlossenheit, dass Gärten künftig wieder das sein sollen, was sie immer waren: grün und durchlässig.

Doch ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, nahm der Stadtrat das Thema im Dezember von der Tagesordnung und verwies es in den Umweltbeirat. Dort redete Umweltreferent Uwe Hartmann bei einer Sondersitzung im Januar mit Engelszungen auf die Kollegen ein.

Mancher sieht in einer Satzung offenbar "zu viel Gängelei"

Gut ein Vierteljahr später zogen Hartmann, mittlerweile parteilos, und Tobias Volk (FW-FBW) den "überfraktionellen Antrag" zurück. Nicht ganz freiwillig offenbar, wie Hartmann in der Sitzung Ende April erkennen ließ. "Die Kollegen in den Fraktionen haben signalisiert, dass es dafür keine Mehrheit gibt." Auf Nachfrage der Redaktion erklärt Hartmann: "Den Kollegen war die Satzung zu umfangreich, zu viel Gängelei."

Hat der Stadtrat also vor der Stein- und Asphalt-Lobby kapituliert? Nicht ganz, denn es gibt – darauf wies Bauamtsleiter Oliver Graumann hin – auch über die Bayerische Bauordnung die Möglichkeit, einiges in dieser Sache zu regeln. Ein klares Zeichen, auch in Sachen Klimaschutz, sieht allerdings anders aus.

Erst im vergangenen Jahr hatte der Stadtrat auf Antrag der Grünen ein Förderprogramm zur Flächenentsiegelung, Nachbegrünung und Biodiversität aufgelegt. Es sollte finanzielle Anreize für Grundstücksbesitzer setzen, Schottergärten zu begrünen: 20 Euro je Quadratmeter versiegelter Fläche, maximal 5000 Euro. Zum Jahresende 2025 lässt es der Stadtrat auslaufen: mangels Nachfrage. Nun das Scheitern der Freiflächengestaltungssatzung. Einer ihrer Paragrafen zielte konkret auf die Vorgärten. Dort hieß es: "Bauliche Anlagen in Vorgärten sind unzulässig, soweit dies nicht die Zuwegung zum Gebäude betrifft."

So wünschen es sich nicht nur die Kitzinger Grünen: Blühender Staudengarten im Sommer.
Foto: Andrea Warnecke, dpa | So wünschen es sich nicht nur die Kitzinger Grünen: Blühender Staudengarten im Sommer.

Das hätte bedeutet, dass eine Versiegelung ausgeschlossen ist, zumal mit dem Zusatz, dass Vorgärten "gärtnerisch anzulegen" seien. Doch dieser Passus ging der Mehrheit im Stadtrat genauso zu weit wie eine verpflichtende Begrünung von Flachdächern, Garagen und Stellplätzen oder ein Gebot von Grundstückseinfriedungen in Form von Hecken und offenen Zäunen.

Seitens der Verwaltung kam der Hinweis, dass es schon heute möglich sei, mit dem Instrument der Bayerischen Bauordnung Einfluss auf die Gestaltung von Außenflächen zu nehmen und etwa das Anlegen von Schottergärten einzuschränken. In Baugebieten bietet sich über Bebauungspläne die Möglichkeit, entsprechende Festsetzungen zu treffen. Aus Sicht einiger Stadträte ist das aber nicht das Gleiche wie eine eigens auf Freiflächen zugeschnittene Satzung.

Grünen-Stadtrat verweist auf Urteil des Oberlandesgerichts

Für die Grünen verwies Stadtrat Klaus Sanzenbacher auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg. Dieses hat im Januar 2023 für Niedersachsen entschieden: Baubehörden dürfen Schottergärten verbieten. Geklagt hatten die Eigentümer eines Einfamilienhauses, die in ihrem Vorgarten auf rund 50 Quadratmetern zwei Kiesbeete angelegt hatten. Nur vereinzelt wuchsen dort Pflanzen. Die Stadt erließ eine baurechtliche Verfügung wegen eines Verstoßes gegen die niedersächsische Bauordnung. Nicht überbaute Flächen von Grundstücken, so heißt es darin, müssen Grünflächen sein, sofern sie nicht für eine andere Nutzung erforderlich sind.

Der Kläger vertrat die Ansicht, dass seine Kiesbeete wegen der vereinzelt wachsenden Pflanzen Grünflächen seien. Das OVG sah das allerdings anders. Grünflächen würden "durch naturbelassene oder angelegte, mit Pflanzen bewachsene Flächen geprägt". Die Pflanzen müssten in einem Garten dominieren, nicht die Steine. Die baurechtliche Verfügung sei rechtens, so das Gericht.

Sanzenbacher wünschte sich, dass das Bauamt in Kitzingen sich exemplarisch einen Fall sucht "und die Sache bis in alle Instanzen durchficht". Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) sagte zwar, das Urteil sei "in Kitzingen bekannt". Doch allzu groß ist die Streitlust im Rathaus offenbar nicht, sich an die Spitze einer Bewegung zu setzen.

In einer ersten Version hieß es, das von den Grünen beantragte Förderprogramm der Stadt zur Flächenentsiegelung laufe Ende 2024 aus. Grünen-Stadträtin Christa Büttner verweist aber darauf, dass es durch ihre Initiative jetzt bis Ende 2025 läuft. Allerdings sind im Fördertopf nur noch 5000 Euro für das gesamte Jahr enthalten. Wir haben den Fehler korrigiert.

 
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  • margarete wuestner
    Für mich macht das Bild der versiegelten Fläche in der WüSanderau ganz klar den Eindruck dass hier der Eigentümer "die Nase voll hat" von dem regelmäßigen Nachtpinkeln usw.... Ausserdem lässt sich Unrat von Pappbechern to go und fast food Tüten leichter kehren als einsammeln!
    Und ausserdem, auf einer Rasenfläche mit Fahrrad/Stellplatz wächst nicht mal mehr ein Gänesblümchen.
    Bei keinem Besuch in Wü habe ich in der zugepflasterten Innenstadt je solch ein blühendes Staudenbeet gesehen! (ausser im Residenzgarten, denn so ein Blumenbeet braucht Pflege!
    Man sollte mal die nächtlichen Heimgeher aufmerksam machen, dass die Vorgärten keine Toiletten und Abfalleimer sind!!
    Dann gibt es sicher auch keine hässlich umzäunten u gepflasterten
    Vorgärten
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  • Robert Hippeli
    Gärten des Grauens, Schottergarten, Kiesbeet .... wie ist dafür eigentlich die Definition?
    Und wer hat den Nutzen und Nichtnutzen hierfür festgelegt?

    In der Regel kenne ich diese Diskussionen um die "Gärten des Grauens" von Leuten die noch nie einen Garten ihr Eigentum nennen konnten. Eigentum verpflichtet und keiner sollte einem Gärtner vorschreiben was er mit SEINEM Garten zu tun oder zu lassen hat!

    Sollten dann auch die Steinbeete der Natur in den Maintäler oberhalb der Weinberge verboten werden oder gar die Feuersteinfelder auf Rügen?

    Es gibt genügend Literatur, besonders aus englischen Gärten, wie sinnvoll Steinbeete sein können.

    Selbst die bayerische Landesanstalt für Gartenbau (Veitshöchheim) zeigt hier seit Jahrzehnten sinnvolle Beispiele. https://www.lwg.bayern.de/mam/cms06/gartenakademie/dateien/planung_eines_kiesgarten_rausch_und_pitzer.pdf

    Warum immer dieses Schubladendenken mit Schlagworten die alles niedermachen und die MP schlägt immer mit.
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  • Michael Fahrmeier
    Man könnte ja einfach mal damit anfangen, indem man prüft, ob die gültigen Gtünordnungspläne in den Bebauungsplänen eingehalten werden. Die sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Jeder macht, was er will: Schotter, Tuja, Kirschlorbeer ...
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  • Jo Schmitt
    Erst wenn die letzte Fläche zubetoniert, das letzte Fitzelchen Erde zugeteert sein wird werdet ihr merken, daß ihr versagt habt.
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  • Anton Müller
    Richtig! Eigentlich nur eine Kleinigkeit...aber an solchen Beispielen wird mir klar, dass die Gesellschaft in großen Teilen einfach keine Veränderungen hinnehmen möchte. Die Bereitschaft etwas (vielleicht sogar tatsächlich selbst) zu tun wird erst in nennenswertem Umfang vorhanden sein, wenn es viel zu spät ist. Die Natur wird weiter machen - dann halt ohne uns. Für mich reichts noch...
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  • Helga Scherendorn
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