Das Denkmal Siegfried Wilke ist endgültig gestürzt. Der Kitzinger Stadtrat hat am Donnerstag kurzen Prozess mit dem in NS-Machenschaften verstrickten früheren Oberbürgermeister (1952-58) gemacht und ihm einstimmig auch das Ehrenbürgerrecht und Ehrengrab aberkannt. Damit hat der 1969 verstorbene Wilke posthum alle Ehrenrechte verloren. Zuvor war schon eine nach ihm benannte Straße umgetauft worden; sie trägt jetzt den Namen der früheren Grundschullehrerin Dagmar Voßkühler (†2013), deren Vater, Oberst Georg Hansen, am Hitler-Attentat beteiligt war. Beim Blick in die Historie, auf bislang unveröffentlichte Akten, wird klar, dass Wilke schon vor 50 Jahren Teilen seines politischen Umfelds suspekt war.
Wie kam es seinerzeit zur Ernennung zum Ehrenbürger? Darüber gibt die Niederschrift der Stadtratssitzung vom 24. März 1961 Aufschluss. 19 Mitglieder treffen sich um 17 Uhr im großen Sitzungssaal des Rathauses, sechs von der SPD, je fünf von der CSU und der FBWG, zwei von der USFD, einer von der FDP; ein CSU-Stadtrat fehlt. Den Vorsitz hat Oberbürgermeister Oskar Klemmert (CSU). Die „Ehrung für Oberbürgermeister a.D. Wilke“ taucht in der Tagesordnung zunächst gar nicht auf. Sie kommt erst durch einen Dringlichkeitsantrag von FBWG-Rat Alfred Hummel am Ende der Sitzung auf die Agenda: unter Punkt 22 im nichtöffentlichen Teil. Hummel galt als Fürsprecher und Unterstützer Wilkes und war wie er Jurist, sagt Stadtarchivarin Doris Badel, die sich intensiv mit der Causa Wilke befasst hat.
Eigentlich sollte Wilke die Stadtplakette in Gold erhalten
Erst eine Woche zuvor, am 17. März 1961, hat der Stadtrat beschlossen, Wilke die Stadtplakette in Gold zu verleihen, eine Ehrung, die es in dieser Form noch gar nicht gab. Die Plakette hätte erst geschaffen werden müssen. Im Gespräch dafür war der Bildhauer Richard Rother. Jetzt liegt da plötzlich der Antrag der FBWG auf dem Tisch, den Beschluss aus der Vorwoche aufzuheben und Wilke „wegen besonderer Verdienste um die Stadt“ das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Ein „geschickter Schachzug“, wie Badel im Rückblick sagt. Der Stadtrat ist überrumpelt und winkt den Antrag mit dreizehn Ja-Stimmen durch. Es gibt sieben Gegenstimmen – alle fünf SPD-Stadträte votieren dagegen.
Die Hektik, die in der Folge entstanden sein muss, lässt sich aus der Mitschrift nicht herleiten. Der OB unterbricht die Sitzung, die Parteien beraten sich. Für die SPD gibt Dritter Bürgermeister Arm anschließend eine Erklärung ab: Seine Fraktion, so teilt er mit, werde den Saal verlassen und sich an einer Abstimmung über die Ehrenbürgerschaft nicht beteiligen. Die SPD, so erklärt sich Badel das Verhalten, sei in den Antrag zu Wilke nicht eingeweiht gewesen. Auch OB Klemmert bemerkt, er werde „aus Gründen, die er wohl nicht näher darzulegen brauche“, nicht an der Abstimmung teilnehmen. Er sei, so Badel, vom Dringlichkeitsantrag ebenfalls brüskiert gewesen. Den Vorsitz übernimmt Bürgermeister Friedlein (CSU).
Pikant: Richard Rother erhält den Gestaltungsauftrag
Zunächst hebt der Stadtrat dann seinen eine Woche zuvor gefassten Beschluss auf. Anschließend beschließt er einstimmig, aber ohne die Stimmen der geschlossen aus dem Saal gegangenen SPD, Wilke das Ehrenbürgerrecht der Stadt zu verleihen. Dieser Akt soll in einer feierlichen Sondersitzung des Stadtrats am 24. April 1961 vollzogen werden. Und noch etwas beschließt der Stadtrat: Die Verleihungsurkunde soll vom Kitzinger Künstler Richard Rother gestaltet werden. Ein pikantes Detail. Es ist jener Rother, dem Jahrzehnte später ebenfalls eine Nähe zum NS-Regime nachgewiesen wird und der damit als Pate für die nach ihm benannte Kitzinger Realschule nicht mehr tragbar ist.
Am 24. April trifft sich der Stadtrat wie vereinbart zur Sondersitzung im Rathaus. Einziger Punkt: die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Siegfried Wilke. Als Ehrengäste im Publikum sitzen Wilkes Frau, die Alt-Oberbürgermeister Konrad Döppert und Richard Wildhagen sowie Regierungspräsident Heinz Günder. Von 21 Stadtratsmitgliedern sind 13 anwesend, genau so viele, wie im März für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Wilke gestimmt haben. Sämtliche SPD-Stadträte, darunter Bürgermeister Arm, fehlen. Von „aufrechten Sozialdemokraten“ spricht heute Alt-OB Bernd Moser.
Wilke begeht am Tag der Zeremonie seinen 70. Geburtstag. Die ersten Worte in der Ansprache von OB Klemmert sind deshalb „herzlichste Glück- und Segenswünsche“. Dann kommt Klemmert auf die Zeit zu sprechen, die später wie ein Zwielicht auf Wilke fallen wird. Von 1930 bis 1945 war Wilke schon einmal Bürgermeister der Stadt, zu einer Zeit, als niemand habe ahnen können, „welche schicksalsschweren Tage über Kitzingen kommen würden“. Mit der Bombardierung am 23. Februar 1945 erlebte Kitzingen die „schwersten Stunden seiner Geschichte“.
Wilke habe in diesen Tagen „das Menschenmögliche getan, um Not zu lindern, zu helfen und zu ordnen“. Kurz darauf – Klemmert wendet sich nun direkt an Wilke – sei es „Ihre Aufgabe und Ihr Verdienst gewesen, den amerikanischen Truppen die Stadt kampflos zu übergeben und ihr dadurch weitere Zerstörungen zu ersparen“. Am 23. Mai 1945 endete die Amtszeit Wilkes.
Wilke hat zuvor schon das Bundesverdienstkreuz bekommen
Das Ehrenbürgerrecht wird Wilke in Würdigung seiner „besonderen Verdienste“ angetragen, „die Sie sich um unser Gemeinwesen erworben haben“, so Klemmert. Schon 1956, bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse, sprach Regierungspräsident Josef Hölzl davon, Wilke sei es gelungen, „die Schäden des Krieges auf dem schnellsten Weg unter äußerster Anspannung zu beseitigen und Kitzingen wieder zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt in einer gesegneten Landschaft zu machen“. Für OB Klemmert ist an diesem Tag im April 1961 klar: „Sie haben die Entwicklung der Stadt nicht nur miterlebt, sondern entscheidend mitgestaltet.“
Anschließend spricht Wilke selbst. Im Protokoll heißt es, er danke dem Stadtrat und nehme „bewegten Herzens“ diese Ehrung entgegen. Er hänge sehr an der Stadt, schon als Kind sei es ihm eine „besondere Freude“ gewesen, wenn die Mutter ihn von Hellmitzheim mit zum Einkaufen nach Kitzingen genommen habe. Als Schüler habe er das königliche bayerische Gymnasium in der Fischergasse besucht – vier Schuljahre, die er als „schönsten Abschnitt“ seiner Jugendzeit betrachte. Mit den Eltern siedelte Wilke später nach Hof über. 1930 kehrte er zurück, wurde zum Kitzinger Bürgermeister gewählt und am 23. April 1945 von den Amerikanern abgesetzt. Von 1952 bis 1958 war er Oberbürgermeister.
Laut Protokoll erinnert Wilke in der Feierstunde an den Bombenangriff auf Kitzingen „mit all seinen Schrecken“, an die Massenbestattungen im Neuen Friedhof sowie an die „bangen Stunden vor und während der vorzeitigen Übergabe der Stadt an die amerikanischen Truppen“. Er wünsche Kitzingen „alles erdenklich Schöne und Gute“. 1969 stirbt Wilke mit 78 Jahren. Wenig später beschließt der Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung, ihm ein Ehrengrab zu stellen.
Sogar am Kiliansbrunnen.
Ist da Mal eine Bestandsaufnahme geplant?
Lediglich den Namen der Schule zu ändern scheint mir nicht vollständig.
Muss dann die Kiliansfigur nicht auch weg?
1. ist der Kiliansbrunnen nicht das Original-Werk von R.Rother. Er hat 1928 eine Kopie erstellt, nachdem das Original nach ca 200 Jahren baufällig wurde.
2. geht es darum, dass keine zweifelhafte Personen - selbst wenn es hervorragende Künstler oder sonstige Fachleute waren - als Namensgeber für Plätze, Strassen und öffentliche Einrichtungen genommen werden sollten. Auch wenn das nach Jahren erst auf den Tisch kommt, erfüllen Sie keine ehrenhafte Vorbildfunktion mehr
Was soll an dem Bericht "super" sein? Ändert das jetzt irgendwas?
Sollte man denen zu Liebe den Mantel des Schweigens darüber ausbreiten und die ungerechtfertigte Ehre für immer und ewig stehen lassen?
Die Angehörigen hätten ja eventuell von sich aus die Öffentlichkeit früher informieren können, dann träfe sie diese öffentliche Bloßstellung ihres Vorfahren nicht.