
Die Kitzinger und die Sickershäuser, sie waren laut Friedrich Kratsch schon immer ein Herz und eine Seele. Der Zeitzeuge, vielfach ehrenamtlich engagiert in Sickershausen, unter anderem als Feuerwehrmann und Friedhofspfleger, hat die Eingemeindung vor 50 Jahren im Zuge der Gebietsreform der 70er-Jahre miterlebt. Zuvor, so erinnert er sich, "gab es dazu verschiedene Meinungen" unter den Bewohnerinnen und Bewohnern. "Sickershausen hatte kaum Verschuldung und viele Landgüter – war also ein reicher Ort."

Die Verbundenheit der beiden Orte zeigte sich 1974 in einer Abstimmung: Von den 950 Menschen in Sickershausen stimmten 62,8 Prozent für die Eingemeindung. Im November des gleichen Jahres unterschrieben schließlich der Oberbürgermeister der Stadt Kitzingen, Rudolf Schardt, und der Sickershäuser Bürgermeister Georg Marstaller den Eingemeindungsvertrag.
Kitzingen kehrt die Straßen Sickershausens und sorgt sich ums Abwasser
Es ist wie in der Ehe: Ein Vertrag regelt die Besitzverhältnisse und was wem zusteht. Zumindest im Eingemeindungsvertrag wurden konkrete Leistungen festgehalten, die die Stadt Kitzingen nach der Zusammenführung zu entrichten hatte.
Dazu zählte unter anderem die Kanalisierung des neuen Stadtteils. Sickershausen blieb ein eigenes Jagdrevier, die Feuerwehr bestand weiter, die Gemeindebücherei wurde erhalten. Doch die Sickershäuser Straßen werden seither von der Stadt Kitzingen gereinigt.
Ein rauschendes Fest: Auch Gegner der Eingemeindung feierten mit
Als zum Jahreswechsel 1974/75 die Korken knallten, wurde es offiziell: Sickershausen ist seit dem 1. Januar 1975 ein Stadtteil der Großen Kreisstadt. Der letzte Bürgermeister Georg Marstaller trat anschließend seinen Ruhestand an. Helmut Rabenstein vertrat Sickershausen anfangs als Ortssprecher im Kitzinger Stadtrat.

Ein rauschendes Fest im Saal des historischen Rathauses in Kitzingen läutete den Auftakt der Zusammengehörigkeit ein. 1000 Liter Freibier und ebenso viele Bratwürste: ein Willkommensgeschenk der Kitzinger an die Sickershäuser. "Und auch die, die dagegen gestimmt hatten, haben an diesem Tag ausgiebig mitgefeiert", erzählt Zeitzeuge Kratsch. "Der Saal war proppevoll!"

Für knapp zwei Jahre habe es anschließend einen Sprechtag gegeben, sagt Kratsch. "Für diejenigen, die sich noch nicht daran gewöhnt hatten." Alle Anliegen wurden dort gehört, alle Fragen geklärt. Der Großteil aber habe seiner Aussage nach auf die Eingemeindung mit großer Freude reagiert.
Kratsch betont: "Ohne die Eingemeindung hätten wir nie das erreicht, was wir heute haben: dass wir saubere Straßen haben, dass die Kehrmaschine einmal die Woche durch den Ort fährt, dass wir eine ordentliche Versorgung mit Strom, Gas, Wasser haben. Das Abwasser, die Kanäle. Das hätte eine Gemeinde mit 800 Einwohnerinnen und Einwohnern unmöglich leisten können. Es ist das Beste, was Sickershausen passiert ist."
Auch Kitzingens Oberbürgermeister Stefan Güntner findet die 50-jährige Zugehörigkeit des Stadtteils "gut so". Er sagt: "Die Sickershäuser zeichnen sich nach meiner Erfahrung durch ein ganz besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl aus." Besonders bemerkbar mache sich das auf den Weinfesten und Kirchweihen im Ort. Im Sommer findet voraussichtlich ein Jubiläumsfest statt, zu dem die Stadt Kitzingen den Sickershäusern 5000 Euro zur Verfügung stellt, wie Rathaus-Pressesprecher Ralf Dieter mitteilt.
Ein kleiner Ausflug in die Geschichte des Örtchens

Sickershausen an der Sicker – ergibt Sinn, oder? Aber so naheliegend ist die Herkunft des Ortsnamens nicht. Mit dem vorbeifließenden Bach hat der Name nichts zu tun; vielmehr wurden Siedlungen zur damaligen Zeit nach ihrem Besitzer benannt. Alte Schreibweisen wie "Sigharteshusen" oder "Sichartshausen" legen nahe, dass die Häuser einem Menschen namens Sieg(e)her oder Sieg(e)hart gehörten.
Seit wann es Sickershausen gibt, lässt sich nicht zweifelsfrei datieren, aber schon Tausende Jahre vor Christus waren im Kitzinger Muldenweg Neandertaler zugange. Man hatte 1927 und 1938 Reste einer Feuerstelle entdeckt. Urkundlich wurde Sickershausen das erste Mal 1225 erwähnt.
Turbulente Jahrhunderte überschatteten das Dörfchen daraufhin: Von Herrschaft zu Herrschaft gereicht, gehörte Sickershausen mal der Grafschaft zu Hohenlohe-Brauneck, mal dem Burggrafen von Nürnberg – mal gehörte es zu Bayern, mal zum Großherzogtum Würzburg. Der Bürgerkrieg 1525 und der Dreißigjährige Krieg, dazu Hunger und die Pest, trafen die Bevölkerung im 16. und 17. Jahrhundert schwer: 1638 zählte man in Sickershausen nur noch 18 Bürgerinnen und Bürger.
Heute leben im Kitzinger Stadtteil 1096 Einwohnerinnen und Einwohner ((Stand Januar 2024). Besonders stolz sind sie auf ihre Ortssprechanlage, die die Sickershäuser noch immer verwenden. Der Zusammenhalt ist da – die Eingemeindung hat daran auch nach 50 Jahren nichts geändert.