
Pommes essen, eine zweite Cola trinken oder spontan übers Wochenende wegfahren – das gab es lange nicht im Leben von Felix Wich. Seit er 13 Jahre alt war, wusste er, dass er eine Nierentransplantation brauchen würde. Am 16. Juli 2024 bekam er eine neue Niere und damit ein neues Leben. Doch von vorne.
Christine Wich stülpt ihrem Hund Callisto einen Schal über, gleich geht's für eine Gassirunde in Kitzingen an den Main. Der Mischlingshund aus Kreta wohnt seit Juni 2016 bei den Wichs im Kitzinger Stadtteil Etwashausen. Ein Grund: mehr Bewegung für Felix.
Der 38-Jährige kam mit einem offenen Rücken zur Welt. Seine Unterschenkel und seine Blase sind deshalb gelähmt. Für die Beine gab es zur Unterstützung Schienen. Größere Probleme machte die Blase. Der Urin floss ständig in die Nieren zurück und schädigte sie so sehr, dass die Ärzte ihm bereits als Teenager sagten, er werde nicht um Dialyse und Transplantation herumkommen.
Kosename Pinguin, weil Felix Wich beim Laufen watschelt
Als Felix Wich seine heutige Frau Christine 2015 kennenlernte, kam das "Thema gleich auf den Tisch", wie sie sagt. "Im Gegensatz zu den gelähmten Beinen", sagt sie und schaut ihn herausfordernd an. "Aber das sieht man doch", erwidert er lachend.
Ein Problem für Christine Wich? "Nein, warum?", fragt die 36-Jährige. Von Anfang an sprachen sie offen über die kommenden Herausforderungen. "Ich bin Christine für ihre Geduld sehr dankbar", sagt Felix Wich. Neben gegenseitigem Verständnis hilft dem Ehepaar der gemeinsame Sinn für Humor. Pinguin ist sein Spitzname. "Warum nur?", fragt er und grinst.

Die Wichs und Hund Callisto genießen die regelmäßigen Spaziergänge am Main. Wenn möglich laufen sie gemeinsam. Neben der Arbeit ist das Spazieren der einzige fixe Termin im Alltag der Wichs. Das war früher anders.
Felix Wichs Dialysezeiten bestimmten den Lebensrhythmus
2013 kam Felix Wich mit "richtig schlechten Werten" ins Krankenhaus. Der Zeitpunkt der Dialyse war gekommen. Er machte zunächst Bauchfell-Dialyse, um sein Blut zu reinigen. Das ging zu Hause, über Nacht. "Überall hatten wir Kisten mit dem nötigen Zubehör stehen", erzählt Christine Wich.
Die Kisten wurden auch in den Urlaub vorausgeschickt. "Trotzdem war ein Koffer nur voll mit Medikamenten und medizinischem Zubehör", sagt Christine Wich. Bei der Wahl des Urlaubslandes achteten die beiden vor allem auf den medizinischen Standard.
Nachtdialyse wurde aus Kostengründen eingestellt - für Betroffene ein Rückschlag
Nach acht Jahren war Felix Wichs Bauchfell so geschädigt, dass er im Dialysezentrum in der Würzburger Sanderau zur Blutwäsche musste. Anfangs ging das nachts. "Das war super", erinnert we sich, "dann konnte ich am nächsten auf die Arbeit gehen".
Aus Kostengründen wurde die Nachtdialyse vor ein paar Jahren eingestellt. Ab dann musste Felix Wich dreimal in der Woche zur Dialyse, etwa fünf Stunden lang war er an den Maschinen angeschlossen. Seine Arbeitszeit musste der IT-Fachmann deswegen deutlich reduzieren. Für seinen Arbeitgeber, den Blutspendedienst in Wiesentheid, kein Problem. "Viele Dialyse-Patienten arbeiten nicht, weil der Arbeitgeber kein Verständnis hat", sagt Wich.
Viel Entgegenkommen zeigte auch seine Frau. "Freitagabend mit Freunden weggehen, war nicht mehr drin", erinnert sie sich. Auch Urlaube musste das Paar anders planen. Es wurden keinen Kisten mehr verschickt, Reisen ging nur dahin, wo es ein Dialysezentrum gab. "Er lag stundenlang im Krankenhaus, ich war alleine wandern", erzählt Christine Wich. Aber immerhin konnten die beiden reisen.

Das änderte sich 2023. Felix Wich brauchte eine neue Blase, damit er auf der Warteliste für eine Nierentransplantation, auf der er seit zehn Jahren stand, "scharf geschaltet werden konnte", wie Christine Wich sagt. Etwa acht Stunden lang wurde in der Uniklinik Würzburg aus einem Stück seines Darmes eine Blase geformt.
"Nach der OP hatte er zum ersten Mal einen Durchhänger", erinnert sich Christine Wich. Mit glasigen Augen blickt sie auf den Main und drückt ihren Hund an sich. Ihr Mann, den sonst nichts aus der Ruhe bringt, hatte den Mut verloren. Mithilfe seiner Frau kämpfte sich Felix Wich aus seinem Tief.
Der Alltag des Ehepaars wurde weiter eingeschränkt. Weil eine Transplantation jederzeit anstehen konnte, waren die beiden seit April 2024 nie weiter als eine Stunde von Würzburg entfernt, damit sie möglichst schnell in die Uniklinik gelangen konnten.
Die Transplantation einer neuen Niere in Würzburg dauerte gut sechs Stunden
Am 16. Juli 2024 klingelte das Telefon. Um 6.45 Uhr. "Ich saß im Bus nach Wiesentheid", erzählt Felix Wich. Um 8 Uhr waren er und seine Frau in der Würzburger Uniklinik. "Wir schreiben uns eigentlich nur Nachrichten", erinnert sie sich. "Als das Telefon klingelte, wusste ich sofort Bescheid."
Um 13 Uhr kam Felix Wich in den OP zur Transplantation einer neuen Niere. Nach rund sechs Stunden sagte ein Arzt, dass alles gut verlaufen sei. "Da habe ich auch ein paar Tränchen verdrückt", sagt Christine Wich. Vier Wochen lang lag ihr Mann im Krankenhaus. Medikamenten drosselten sein Immunsystem, damit es die Niere nicht abstößt - das "neue Familienmitglied", wie Christine Wich sagt.

Nach knapp sechs Wochen arbeitete Felix Wich wieder im Homeoffice. Zu Hause achteten die Wichs streng auf Hygiene. Einkaufen mussten sie mit Maske, jede Infektion war eine Gefahr. "Wie zu Corona-Zeiten haben wir uns mit unseren Freunden nur draußen getroffen", erzählt Christine Wich. Im Spätherbst wagte das Ehepaar einen Kurztrip in die Niederlande und kam gesund zurück. Generalprobe bestanden, ein weiterer Schritt in die Normalität.
Nierentransplantation erfolgreich: Endlich gibt es Kartoffeln ohne lange Vorbereitung
Noch am Tag der Transplantation bestellte Christine Wich eine Heißluftfritteuse. Endlich spontan Pommes essen, endlich nicht mehr die Kartoffeln tagelang wässern, damit der Kaliumgehalt sinkt. Zu den Pommes eine große Cola? Auch das ist jetzt möglich. Felix Wich darf wieder mehr als einen Liter Flüssigkeit am Tag zu sich nehmen.
Bleiben werden ihm die Medikamente, damit sein Körper die neue Niere nicht abstößt. Aktuell sind es 16 Tabletten am Morgen und zehn am Abend. "Es waren schon mehr und werden immer weniger", sagt er. Viermal am Tag klingelt sein Pillenalarm. Den nimmt Felix Wich gerne in Kauf für sein neues Leben mit der Niere Fred – in einer Familie haben schließlich alle einen Namen.