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Kitzingen/Würzburg
Patientinnen und Patienten in Schwierigkeiten: KfH-Nierenzentrum in Würzburg streicht die Nachtdialyse
Martina Lelito aus Kitzingen ist verzweifelt. Sie braucht die Blutwäsche über Nacht, damit sie tagsüber ihre behinderte Tochter betreuen kann. Was ab 1. Juli ist.
Dialysepatientin Martina Lelito aus Kitzingen vor den vielen Medikamenten, die sie einnehmen muss. Die Streichung der Nachtdialyse im Würzburger Nierenzentrum KfH bedeutet für sie große Einschränkungen.
Foto: Thomas Obermeier | Dialysepatientin Martina Lelito aus Kitzingen vor den vielen Medikamenten, die sie einnehmen muss. Die Streichung der Nachtdialyse im Würzburger Nierenzentrum KfH bedeutet für sie große Einschränkungen.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:25 Uhr

Zwölf schwer nierenkranke Patientinnen und Patienten aus Unterfranken treibt die Angst um, dass das Würzburger Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation (KfH) zum Juli die Möglichkeit zur Dialyse in der Nacht streicht. "Der Verwaltungschef des KfH hat uns klipp und klar gesagt, dass die Nachtdialyse wegfallen wird", berichten aufgebrachte Betroffene. 

Ohne Spenderorgan sind schwer nierenkranke Menschen ihr ganzes Leben lang auf Blutwäsche drei Mal pro Woche in einem Nierenzentrum angewiesen. Die Nachtdialyse, die länger als sieben Stunden dauert, gilt als besonders schonende Dialyseart. Und sie bietet gerade jüngeren oder berufstätigen Patienten Freiraum am Tag und die Möglichkeit, den Alltag besser zu bewältigen.

Nachts Blutwäsche, tagsüber Betreuerin der behinderten Tochter

"Für mich wäre die Streichung der Nachtdialyse die totale Katastrophe", sagt Martina Lelito. Der 54-jährigen Kitzingerin hat das Leben hart mitgespielt. In ihrer Jugend plagte sie ein Anfallsleiden, als sie 34 Jahre alt wurde, versagten beide Nieren. Seit ihrem 39. Lebensjahr braucht die gelernte Hauswirtschafterin drei Mal pro Woche Dialyse.

Dass sie bisher im Würzburger KfH-Nierenzentrum eine Dialyse über Nacht machen konnte und deshalb tagsüber belastbar und präsent sein kann, ist für die Kitzingerin auch deshalb so wichtig, weil sie dann daheim tagsüber ihre 29-jährige, schwerstbehinderte Tochter betreuen kann. "Die Tochter bekommt Anfälle, verdreht die Augen, sackt zusammen – bis zu 15 Mal am Tag", berichtet Lelito. Dass sie zweien ihrer drei Kinder ihre Erbkrankheit, das seltene Bourneville-Syndrom, vererbt hat und das Anfallsleiden ihrer Tochter und die Nierenerkrankung ihres jüngsten Sohns darauf zurückzuführen sind, wusste Lelito jahrzehntelang nicht. Wäre die Krankheit bei ihr damals schon erkannt gewesen, sagt sie, hätte sie wohl auf Kinder verzichtet.

Harte Coronajahre: Nierenpatientin musste rund um die Uhr für Tochter da sein

Gerade die vergangenen zwei Pandemie-Jahre wären ohne Nachtdialyse überhaupt nicht zu bewältigen gewesen, sagt Martina Lelito. Ihre erwachsene Tochter arbeitet normalerweise werktags in den Mainfränkischen Werkstätten, musste aber während der Pandemie zu Hause bleiben. "Sie darf ja wegen ihres Anfallsleidens nicht geimpft werden, und in den Werkstätten wäre die Ansteckungsgefahr zu groß." Also hat die schwer nierenkranke Mutter die behinderte Tochter während Corona rund um die Uhr betreut. Die Pandemie ist noch nicht vorbei, der Betreuungsaufwand für die Tochter weiterhin hoch. "Wie soll das gehen, wenn ich tagsüber weg bin?"

Schwer nierenkranke Menschen brauchen entweder ihr Leben lang Dialyse oder ein Spenderorgan. 
Foto: Arno Burgi, dpa | Schwer nierenkranke Menschen brauchen entweder ihr Leben lang Dialyse oder ein Spenderorgan. 

Das Würzburger KfH-Nierenzentrum habe ihr und den anderen Betroffenen statt der Nachtdialyse zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens eine sogenannte Spätdialyse ab 17 Uhr angeboten. Aus Sicht der erfahrenen Nierenpatientin Lelito kein adäquater Ersatz: "Die Patienten müssen ja nacheinander von den Pflegekräften an die Geräte angeschlossen werden; das dauert jeweils eine Viertelstunde; das Abhängen nach der Dialyse auch." Sie rechne nicht damit, dass bei der Spätdialyse mehr als vier oder fünf Stunden für die reine Dialyse herauskämen.

Angestellter aus Aschaffenburg: Ohne Nachtdialyse wäre sein Job in Gefahr

Auch für den Aschaffenburger Siegfried Aulbach bräche beim Wegfall der Nachtdialyse eine Welt zusammen. Der 52-Jährige ist als leitender Angestellter voll berufstätig. "Wenn man in den Dreißigern erfährt, dass man sein Leben lang an der Dialyse hängen wird, will man nicht mit einer Erwerbsminderungsrente aufs Altenteil gehen. Da will man doch noch etwas Sinnvolles tun. Für mich ist mein Job wichtig", sagt Aulbach. Ohne Nachtdialyse aber könne er seinem Beruf nicht mehr nachgehen: "Bei der Spätdialyse müsste ich ja bei den Bahnverbindungen schon um 14 Uhr von der Arbeit weg, das ginge gar nicht." Und nach Mitternacht hätte er keine Rückfahrmöglichkeit von Würzburg nach Aschaffenburg mehr. Eine Alternativ-Einrichtung im  Frankfurter Raum hat Aulbach nicht gefunden - Nachtdialysen seien rar.

KfH-Nierenzentrum in Würzburg begründet Streichung mit Personalmangel

Warum will das Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation (KfH) die von Patienten geschätzte, vom Nierenzentrum selbst als "gesundheitsfördernd" beschriebene Nachtdialyse in Würzburg streichen? Patienten hatten berichtet, dass offenbar zuletzt etliche Pflegekräfte gekündigt hätten. In der Tat begründet das KfH mit Sitz in Neu-Isenburg auf Nachfrage die Streichung mit der "sehr angespannten Personalsituation".

Insgesamt würden im KfH-Nierenzentrum Würzburg 145 Patienten dialysiert, davon zwölf in der Nacht. "Um die Behandlung für alle Patientinnen und Patienten im KfH Würzburg sicherzustellen, werden wir deshalb die Nachtdialyseschicht zum 1. Juli 2022 bis auf Weiteres einstellen", erklärt Ilja Stracke von der Stabsstelle Kommunikation. Sollte sich die Personalsituation wieder verbessern, spräche nichts gegen eine Wiederaufnahme der Nachtdialyse. Das Zentrum biete den bisherigen Nachtdialysepatienten an, in "eine der Tagschichten oder in eine späte Spätschicht bis 1 Uhr" zu wechseln. Man werde versuchen, das Maximum der Dialysezeit anzubieten.

Lelito, Aulbach und den zehn anderen Nachtdialysepatienten bleibt nun nur die Hoffnung, dass sich neue Pflegekräfte finden, die bereit sind, nachts zu arbeiten.

Nierenzentrum KfH

Das KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e. V. mit Sitz in Neu-Isenburg ist ein gemeinnütziger Verein, die Mitglieder sind überwiegend Ärzte. Das KfH hat seit 1969 in Deutschland Versorgungsstrukturen für die Behandlung chronisch nierenkranker Patienten geschaffen und hat zahlreiche Versorgungsaufträge. Zwar gibt es in Deutschland weitere Nierenzentren, doch das KfH steht für eine flächendeckende Dialyseversorgung.
Das Kuratorium betreibt nach eigenen Angaben deutschlandweit 200 Nierenzentren und 26 Medizinische Versorgungszentren. Aktuell haben die Zentren 6400 Mitarbeiter, die für rund  18.000 Dialysepatienten sowie 72.000 Sprechstundenpatienten tätig sind. 
grr
 
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  • S. O.
    So hart es für die Betroffenen sein mag, wir werden uns alle daran gewöhnen müssen, dass der Mangel an Pflege(fach)kräften Leben einschränken und auch kosten wird.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Muss der Pflegenotstand wirklich erst den Patienten die berufliche Existenz und schlimmstenfalls Leib und Leben zerstören? Wenn der Gesetzgeber nicht schleunigst verbindliche Vorgaben für faire Gehälter und Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen macht, schlittern wir in eine Katastrophe.
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