
Als der heute 30-jährige Felix Brunner vor Jahren nach einem schweren Unfall in die Klinik eingeliefert wird, haben die Ärzte keine große Hoffnung mehr. Zu viele Knochen sind gebrochen und zu viele innere Organe geschädigt. Für den damals aktiven Bergsportler beginnt der Kampf ums Überleben.
"An die 60 Operationen wurden bei mir in einem Jahr vorgenommen. In verschiedenen bayerischen Kliniken." Brunner erzählt, dass für jede Operation große Mengen Blut für ihn nötig waren. "Insgesamt waren es über 800 Konserven bei mir. Ohne die vielen Blutspender aus ganz Bayern hätten die Ärzte und ich das nicht geschafft", betont er. Nicht nur im Fall von Felix Brunner, sondern für jeden Patienten, der eine Blutkonserve benötigt, stellt eine aufwändige Logistik des Bayerischen Blutspendedienst (BSD) die Versorgung sicher. Dazu gehört das Produktions- und Logistikzentrum Wiesentheid als Dreh- und Angelpunkt in Bayern.

Flächendeckende Blutspendetermine
Gewonnen wird das Blut bei den Blutspendeterminen, die flächendeckend organisiert werden. "Der letzte Blutspendetermin in Volkach zum Beispiel hat 180 Spender gezählt", berichtet der dortige BRK-Bereitschaftsleiter Harald Erhard. Im Landkreis Kitzingen zählt Volkach traditionell zu dem Spenderstandort mit den größten Zahlen. Daher werden dort die Spendertermine "mit großem Personalaufwand geführt", erklärt Christian Heller, Teamleiter des BSD. Acht medizinische Mitarbeiterinnen betreuen bis zu zehn Spender gleichzeitig, die es sich auf besonderen Liegen bequem machen können. Ein kleiner Pieks und schon läuft das Lebenselexier in einen Beutel, der noch heute "Konserve" genannt wird.
Zuvor werden die Spender von Ärzten einem umfangreichen medizinischen Check unterzogen, um zu prüfen, ob sie spendertauglich sind. Positiver Nebeneffekt hierbei: Stellen die Ärzte eine Unregelmäßigkeit der Werte fest, werden der Spender und sein Hausarzt informiert. Nach der Blutentnahme betreuen BRK-Sanitäter die Besucher mit Getränken und einer Mahlzeit; nach etwa einer Stunde ist alles vorbei.

"Bis zu drei Menschen kann mit einer Blutspende das Leben gerettet werden", erläutert Patric Nohe, Pressesprecher des BSD. Die Konserven werden nach einer Registrierung umgehend in ein mitgeführtes Kühlauto gebracht und noch in der Nacht in das BSD-Zentrum nach Wiesentheid gefahren, wo ein Koordinator bis in die frühen Morgenstunden das Blut in einem Verarbeitungsraum zwischenlagert. Um 4 Uhr heißt es dann Dienstbeginn für die erste Tagschicht: Mehrere hundert Spenderprodukte werden in einem hygienisch sauberen Raum wie an einer Wäscheleine aufgehängt, damit das Vollblut über einen Filter fließen kann, um gereingt zu werden.
Danach wird es in modernen Geräten in seine Bestandteile aufgetrennt – und zwar in ein Blutkonzentrat, welches für die Transfusionen gebraucht wird, und in ein Blutplasma, das für therapeutische Zwecke bei Krebserkrankungen sowie zur Herstellung von Medikamenten benötigt wird.

"Die Haltbarkeit ist unser Kernthema", erklärt der Arzt Alexander Giss, Leiter der Herstellung im BSD. Das Vollblut kann bei vier Grad 42 Tage lang aufgehoben werden. Das Plasma wird schockgefroren und bei minus 20 Grad gelagert. Die Haltbarkeit beträgt dann drei Jahre. "Einen Überhang gibt es aber nicht bei uns", meint Pressessprecher Nohe. "In Bayern werden pro Tag 2000 Blutkonserverven benötigt."
Notfalleinsatz für das Blutauto
In der Zwischenzeit sammeln Mitarbeiter die eingehenden Blutbestellungen von unterfränkischen Kliniken und Arztpraxen. Je nach Dringlichkeit werden dann verschiedene Depottouren eingeplant, so dass innerhalb von maximal sechs Stunden jede Anforderung bedient werden kann.
Anders ist es in einer Notfallsituation: Gerade geht das besondere Bestellblatt "Notfall" ein. Ein Krankenhaus aus Würzburg benötigt dringend drei Liter Blut. Im Zuge einer größeren Operation kam es bei einem Patienten zu einem Zwischenfall. Der eigene Blutvorrat der Klinik reicht nicht mehr. Jetzt wird das "Blutfahrzeug" alarmiert. Eine Besonderheit im BSD.

Der SUV mit starker Motorisierung, Blaulicht und Martinshorn wird ausschließlich von ehrenamtlichen Mitarbeitern des BRK-Kreisverbandes Kitzingen besetzt. Heute ist es Harald Berninger. Seit Jahrzehnten ist er als ehrenamtlicher Sanitäter im BRK tätig. Er hat das Fahrzeug bei sich zu Hause stehen und ist sofort einsatzklar.
In gut zehn Minuten erreicht er den BSD, wo ihn ein Mitarbeiter mit einer Blut-Kühltasche erwartet. Dort bekommt der Fahrer den schriftlichen Einsatzauftrag und schon geht es los, damit wieder eine Blutkonserve aus Wiesentheid einem Menschen das Leben retten kann.