
Günther und Gertrud Schad aus Sulzdorf an der Lederhecke (Lkr. Rhön-Grabfeld) sind seit 48 Jahren verheiratet, haben zwei Kinder großgezogen und verbringen viel Zeit mit ihren vier Enkeln. Beide scherzen gern. Sie sind zwei Frohnaturen durch und durch. Und sie genießen jeden Tag.
Vor allem auf die Ernährung wird im Hause Schad geachtet: Angesagt ist viel frisches Gemüse – wenig Fleisch. „Eine Knoblauchzehe am Morgen, eine abends. Vor dem Frühstück gehe ich jeden Tag eine Stunde lang spazieren – durch den nahe gelegenen Wald“, sagt Günther Schad.
An gesunder Lebensführung ist dem 77-Jährigen ganz besonders gelegen. Er will um nichts in der Welt das aufs Spiel setzen, was ihm seine Frau am 3. Dezember 1996 geschenkt hatte – eine neue Niere. „Für mich hat vor 20 Jahren ein neues Leben begonnen“, sagt der ehemalige Lagerverwalter lächelnd. Es war die erste Lebendspende unter Nichtblutsverwandten am Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Würzburg.
Die Nierenwerte verschlechterten sich zusehends
Das Schicksal hatte 1990 seinen Lauf genommen. Damals wurde Günther Schad von Ärzten eröffnet, dass seine Nieren nicht mehr voll funktionierten. Er musste von nun an strikte Diät einhalten und regelmäßig Medikamente einnehmen. So kam er in der Folgezeit mit der Krankheit einigermaßen über die Runden. Doch die Nierenwerte verschlechterten sich zusehends.
1995 wurde Günther Schad vor vollendete Tatsachen gestellt: Die Aussscheidungsorgane versagten nun völlig ihren Dienst. Sie entgifteten das Blut nicht mehr. Um überleben zu können, musste sich der Patient zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden: Hämo- oder Peritonealdialyse. Hämodialyse bedeutet, dreimal pro Woche für mehrere Stunden an die künstliche Niere angeschlossen zu werden.
Nach einem Gedankenaustausch mit einem Nierenspezialisten fiel die Wahl auf die Peritonealdialyse. Hierbei übernimmt das Bauchfell die Entgiftungsfunktion der Nieren. Dazu wird über einen Katheder eine spezielle Flüssigkeit in den Bauchraum eingelassen und nach sechs Stunden ausgewechselt. Eine aufwendige Sache: Beim Wechsel muss auf penible Sauberkeit geachtet werden, um lebensbedrohliche Infektionen zu vermeiden.
Günther Schad bekam Probleme. Juckreiz am ganzen Körper machte ihm zu schaffen. Er litt unter häufigen Angstzuständen. Nächtelang konnte er kein Auge zumachen – ohne Tabletten fand er gar keinen Schlaf. „Meinem Mann ging's schlecht und mir ging es auch schlecht“, blickt Gertrud Schad auf die Zeit zurück.
Ein Fremdorgan sollte dem Leiden ein Ende bereiten
Die Ärzte teilten dem Patienten mit, dass sich die Bauchfelldialyse nicht mehr lange durchführen lasse. Zur Hämodialyse wollte der damals 57-Jährige aus beruflichen Gründen nicht wechseln, weswegen er sich im März 1996 auf die Warteliste beim Transplantationszentrum Würzburg setzen ließ: Ein Fremdorgan sollte seinem täglichen Leiden ein Ende bereiten. Das Hoffen begann.
Inzwischen hatte Gertrud Schad erfahren, dass eine Lebendspende auch unter Nichtblutsverwandten möglich sei. Insgeheim, so erzählt sie heute, habe sie sich damals ihrem Hausarzt anvertraut. Der Mediziner hatte keine Bedenken, befand die Nierenspende unter Eheleuten sogar als eine „prima Idee“. Des Weiteren erfuhr sie, dass viele Menschen, ohne dass sie es wüssten, von Geburt an problemlos mit nur einer Niere leben würden.
Eines Tages fasste sie Mut und teilte ihren Entschluss dem Ehemann mit. Der konnte es zunächst nicht fassen und musste sich hinsetzen, erinnert er sich: „Ich habe erst mal geflennt.“
Am nächsten Tag schon vereinbarten die Schads einen Termin mit dem Würzburger Transplantationszentrum. Dort klärten die Ärzte das Paar aus Sulzdorf über die Risiken auf – der Weg bis hin zur Operation war aber noch weit. Die Eheleute mussten zur psychologischen Beratung nach Würzburg ins Institut für Medizinische Psychologie und Psychotherapie. Das seelische Befinden beider wurde dort unter die Lupe genommen: Testbögen, Fragen und Gespräche zuhauf.
Sechs Wochen des Wartens vergingen. Ein Zeitraum, in dem sich die Spenderin alles noch mal durch den Kopf gehen lassen konnte. Gertrud Schad blieb bei ihrem festen Entschluss. Es folgte noch ein Termin im Psychologischen Institut. Dann gaben die Ärzte grünes Licht.
Der Tag der Operation
Gertrud Schad musste, um andere Erkrankungen auszuschließen, eine Woche lang eine Reihe von ärztlichen Untersuchungen über sich ergehen lassen. Ein Termin jagte den anderen. Die Sulzdorferin spendete innerhalb von acht Tagen zwei Eigenblutkonserven. Eine notwendige Vorsichtsmaßnahme, um eventuelle Blutverluste während der Operation ausgleichen zu können.
Die Nervenanspannung stieg. Dann kam der 3. Dezember 1996. Spenderin und Empfänger wurden in zwei nebeneinander liegenden Operationssälen vorbereitet. Ein Spendeorgan soll möglichst ohne Zeitverlust verpflanzt werden.
Vor dem Eingriff musste Gertrud Schad die Einwilligung unterschreiben. „Ich hab' gar nicht draufgeschaut, ich habe alles blind abgezeichnet.“ Und: „Wir waren beide an diesem Tag locker drauf und zuversichtlich“, erinnert sich die 72-Jährige heute. Sie lobt die Ärzte und das Pflegepersonal, die die beiden „gut aufgebaut“ hätten. Die Operationen verliefen gut. Ein Ärzteteam entnahm die Niere – ein anderes Team pflanzte sie dem Ehemann ein – zwischen Leiste und Blase. Das Spenderorgan sprang an und funktionierte auch nach drei Monaten „ganz normal“. In dieser Zeit ist die Abstoßungsgefahr am größten.
Dezember 2016: Zufrieden mit dem Zustand beider zeigt sich Professor Dr. Udo Bahner, ärztlicher Leiter des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation (KfH) in Würzburg. „Das Spenderorgan versieht einwandfrei seinen Dienst“, sagt der Nierenspezialist. „Blutdruck und Blutwerte bei Herrn Schad sind im Großen und Ganzen im angestrebten Bereich. Das Leben mit einer Niere bereitet Frau Schad keine Probleme. Die Courage der beiden hat manch andere dazu ermutigt, es ihnen gleichzutun.“
Seit fast 20 Jahren kommen Günter und Gertrud Schad ins KfH Würzburg zum Check. Und das regelmäßig alle sechs bis acht Wochen. Für die Sulzdorfer ist die Fahrt nach Würzburg längst zu einem lieb gewordenen Ritual geworden, das nach festen Regeln abläuft: Frühzeitig von Sulzdorf wegfahren – Kaffee trinken in Schonungen – Untersuchung in Würzburg – und auf der Rückreise Mittagessen im Handthal.
Beide freuen sich immer wieder auf das nächste Mal.
Organspenden
Am Transplantationszentrum der Uniklinik Würzburg gab es bisher insgesamt 131 Lebendspenden: etwa zwei Drittel unter Blutsverwandten (Angehörige, z.B. Mutter auf Sohn), ein Drittel unter Nichtblutsverwandten (Ehegatten, Partner). Laut Statistik wurden im Jahr 2015 in Deutschland 2195 Nieren transplantiert, 645 davon waren Lebendspenden (circa 30 %). Die allererste Nierentransplantation im Dezember 1954 war übrigens eine Lebendspende zwischen eineiigen Zwillingsbrüdern.
In Deutschland ist eine Organspende zu Lebzeiten nur unter Verwandten ersten oder zweiten Grades, Ehepartnern, Verlobten und unter Menschen möglich, die sich in besonderer Weise nahestehen. Eine unabhängige Gutachterkommission prüft, ob die Spende freiwillig und ohne finanzielle Interessen geschieht. Für den Empfänger darf zum Zeitpunkt der geplanten Übertragung kein Organ aus einer postmortalen Organspende zur Verfügung stehen. Prominentes Beispiel einer Lebendspende unter Nichtblutsverwandten ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Es spendete 2010 seiner Frau eine Niere.
Quelle: Transplantationszentrum/DSO



