Seit Beginn des russischen Angriffskriegs sind schon jetzt mehrere Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, die meisten von ihnen in die unmittelbaren Nachbarländer. Andere wiederum haben einen weiteren Weg auf sich genommen: So wurden im Deutschen Ausländerzentralregister zwischen Ende Februar und Anfang Juli rund 850.000 Personen aus der Ukraine erfasst.
Den Landkreisen kam bei der Aufnahme von Geflüchteten bislang eine entscheidende Rolle zu. Ihnen blieb nicht viel Zeit, um sich auf die anstehende Aufgabe vorzubereiten. Wie aber haben die Behörden im Haßbergkreis in den vergangenen drei Monaten gearbeitet? Was ist gut gelaufen, wo steckt Sand im Getriebe? Wie viele ukrainische Kriegsgeflüchtete leben im Haßbergkreis und wo kommen sie inzwischen unter? Ein Überblick.
Wie viele ukrainische Kriegsflüchtlinge leben im Landkreis?
Im Landkreis Haßberge sind derzeit 676 ukrainische Staatsangehörige mit Bleiberecht registriert, wie aus der Statistik der Ausländerbehörde (Stand: 21. Juni) hervorgeht. Doch: "Die Zahlen sind sehr volatil", erklärt Dieter Sauer, Leiter des Sozialamtes. Seine Behörde ist zuständig für alle Geflüchteten, die im Haßbergkreis ankommen. Einige von ihnen seien inzwischen wieder weggezogen. Andere wiederum würden nun Familie oder Verwandte nachholen. Die Statistik könne morgen also bereits wieder anders aussehen.
Was bedeuten die Notunterkünfte für die Kasse des Landkreises?
Um die Menschen aus den Kriegsgebieten unterbringen zu können, haben der Landkreis, die Städte und die Gemeinden in den vergangenen drei Monaten Notunterkünfte errichtet. Grundlage war der in Bayern geltende Katastrophenfall. 479 Plätze wurden so nach und nach geschaffen, dezentral. "Wir haben uns entschieden, das möglichst kleinteilig anzugehen", so Sauer. Das Ziel: keine großen Massenunterkünfte. Nur in Ebern hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) ein Notkontingent von zusätzlichen 110 Plätzen eingerichtet, "das wurde aber nie völlig ausgeschöpft", erklärt der Behördenleiter.
Ob die Notunterbringung nun ein Loch in die Kreis-Kasse reißen wird, ist offen. Denn wie hoch die Kosten bislang sind, kann Dieter Sauer "aus dem Stegreif nicht sagen". Man verschaffe sich gerade erst einen Überblick. Er rechne aber damit, dass sich der finanzielle Aufwand im Rahmen halte, da keine gewerblichen Dienstleister die Notunterkünfte betreiben, sondern vor allem kommunale, gemeinnützige Akteure. Aufgrund der akuten Lage sei es zu Beginn nicht möglich gewesen, mit den Städten und Gemeinden "direkt im Detail Verträge abzuschließen". Aber Sauer ist sich sicher: Die bislang nur "grobe Verständigung" mit den Kommunen über die Kosten sei "kein Problem".
Wo läuft es aktuell nicht rund?
Ein Problem ist indes an anderer Stelle entstanden. Denn mit dem vom Bund beschlossenen "Statuswechsel", wonach ukrainische Kriegsgeflüchtete seit dem 1. Juni nicht mehr als Asylbewerber gelten, übernehmen nun anstelle der Sozialämter die Jobcenter deren Betreuung. Doch offenbar verfügen die Behörden nicht über genug fälschungssichere Dokumente eines bestimmten Typs, die sogenannte "Fiktionsbescheinigung". Das zumindest legte jüngst auch Werner Mahr, Geschäftsführer des Jobcenters Haßberge, in einer Sitzung des Kreisausschusses für Arbeit und Soziales nah. Nicht vollständig registrierte Geflüchtete benötigen diese Bescheinigung jedoch zum Übergang in die normale Grundsicherung. Deshalb komme es zu Verzögerung, so Mahr.
169 Anträge auf eben jene Grundsicherung seien bis zum 10. Juni im Landkreis Haßberge gestellt worden. "Über 92 Anfragen haben wir entschieden", erklärt der Jobcenter-Geschäftsführer. Durch den neuen Status erhalten ukrainische Geflüchtete künftig nicht nur mehr Geld, sondern auch Zugang zum Arbeitsmarkt. Doch hier tut sich bereits das nächste Problem auf. "In den nächsten Monaten sind drei Integrationskurse mit 65 Plätzen vorgesehen, wir rechnen mit einem Bedarf von 400 Plätzen", so Mahr. Für viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sei ein Sprachzertifikat aber unerlässlich. Seit 2020 hatte der Freistaat das Angebot für entsprechende Kurse jedoch immer weiter zurückgeschraubt. "Wir stehen aber im Dialog mit den zuständigen Stellen, dass sich hier etwas tut", sagt Werner Mahr.
Wie geht es nun weiter mit den ukrainischen Geflüchteten?
Anders sieht es bei der Vermittlung der ukrainischen Kriegsgeflüchteten in Wohnungen aus, hier tue sich im Landkreis sehr viel, erklärt Sozialamtsleiter Dieter Sauer. Eine große Zahl an Menschen sei inzwischen nicht mehr auf die Notunterkünfte angewiesen. Bis zu 90 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer konnten bereits in Privatwohnungen unterkommen. Für ihn ein Erfolg, der zu einem großen Teil auch auf die hohe Hilfsbereitschaft der Bevölkerung zurückzuführen sei. So kümmern sich derzeit zwei Mitarbeiterinnen um jene privaten Wohnangebote, die den Landkreis über sein entsprechendes Portal erreichen.
Wie lange die Ukrainerinnen und Ukrainer bleiben, ist offen. "Gerade erst habe ich wieder von einer Rückkehr nach Kiew erfahren", so Dieter Sauer. Er ist sich sicher: Viele Menschen wollen auf lange Sicht zurück in ihre Heimat. Seine Behörde bleibt trotzdem in Bereitschaft. "Mann muss mit Nachfluchtbewegungen rechnen." Und tatsächlich: Mehrere Menschen, die aus Odessa geflüchtet sind, wollen nun in den Haßbergkreis kommen.