Bürgermeister Stefan Paulus ist noch immer bewegt, wenn er von der Vergabe der zehn neuen Wohnungen berichtet. "Es hat Tränen der Freude gegeben", sagt er ergriffen. Ergriffen haben er und seine Gemeinde Knetzgau auch die Initiative angesichts der Tatsache, wie schwierig es für viele Menschen auch im Landkreis Haßberge ist, eine Wohnung, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Vor allem für Menschen, die aufgrund diverser Benachteiligungen nicht am üblichen Leben der Gesellschaft teilhaben können und deshalb "außerhalb" der Gesellschaft leben müssen und es noch schwerer haben als andere, "normale" Menschen, eine Wohnung zu finden.
Darauf hat die Gemeinde Knetzgau auf Initiative von Bürgermeister Paulus reagiert und errichtet derzeit ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen an der Südseite von Knetzgau am nordwestlichen Rand des Gewerbegebietes. Für die zehn Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen wurden Mieter berücksichtigt, die aufgrund ihres Einkommens für Sozialmietwohnungen in Betracht kämen. Die Miethöhe wird sich an Sätzen orientieren, die das Jobcenter Hartz IV-Empfängern gewährt.
Gesamtkosten rund 1,75 Millionen Euro
Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 1,75 Millionen Euro, so der Stand der Planung, den der Gemeinderat vor etwa drei Jahren genehmigte. Spatenstich war im Herbst 2019. Dafür erhält die Gemeinde eine staatliche Förderung von 30 Prozent. In Summe betrage der Zuschuss aus dem Bayerischen Wohnungsbauprogramm 494 000 Euro. Weitere 900 000 Euro würden der Gemeinde als Darlehen mit einem Zinssatz von 0,99 Prozent und 30 Jahren Zinsbindung gewährt. Zehn Prozent der Kosten muss die Gemeinde aus Eigenmitteln aufbringen, wobei der Wert des Grundstücks berücksichtigt werden könne. Nach Ablauf von 20 Jahren ist die Gemeinde an keinerlei Auflagen gebunden und könnte das Gebäude auch verkaufen.
Bei der Vergabe der Wohnungen habe die Gemeinde Knetzgau die Erfahrung gemacht, so Stefan Paulus gegenüber dieser Redaktion, dass es selbst in ländlichen Regionen für viele Menschen schlichtweg unmöglich sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden, geschweige denn ein eigenes Einfamilienhaus zu bauen. "Es war für mich schockierend zu erfahren", sagt der Bürgermeister , "wie Rentner, Alleinerziehende, Menschen, die unter einer Betreuung stehen, Flüchtlinge aber durchaus auch Familien mit einem durchschnittlichen Einkommen in unserem ländlich geprägten Landkreis keine Chance haben, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu bekommen." Für die zehn gemeindeeigenen Wohnungen hätten sich fast 50 Interessenten gemeldet. "Wir Kommunen haben uns in der Vergangenheit zu wenig um diese Menschen gekümmert."
Dieter Pedall, Rechtsbetreuer im Betreuungsverein Haßberge, erklärt dazu: "In unserer Region sind durchschnittliche faire Mieten für durchschnittliche Wohnungen auch für einkommensschwächere Mieter durch ergänzendes Wohngeld meistens bezahlbar. Private Vermieter sind aber keine Sozialeinrichtung. Damit entstehen Hürden, die für manche Wohnungssuchende aufgrund ihrer persönlichen Vorgeschichte dazu führen, dass sie nicht mal einen Besichtigungstermin kriegen. Das kann eine schlechte Schufa-Auskunft oder auch eine schlechte Erfahrung beim Vermieter mit vorherigen Sozialleistungsempfängern sein."
Soziales Quartiermanagement gefordert
Als eine mögliche Lösung sieht Pedall die Einrichtung eines sozialen Quartiermanagements, das bei der Vergabe der kommunalen Wohnungen tätig werden könnte. So etwas könne landkreisweit organisiert, an einen Wohlfahrtsverband angehängt sein. Mieter in prekärer Lebenssituation könnten hier gezielt unterstützt werden. "Sozialer Wohnungsbau wurde bekanntermaßen seit vielen Jahren nur noch rudimentär betrieben. Das neoliberale Credo ,Der Markt wird es richten' hat hier seine Wirkung entfaltet. Und der Verkauf Zehntausender staatlich oder kommunal geführter Wohnungen in Bayern an private Wohnungskonzerne ist auch noch nicht lange her", so Pedall, der den Bau der zehn Wohnungen in Knetzgau als "ganz klar ein Vorbild und eine wichtige sozialpolitische Aufgabe, die auf der kommunalen Ebene auch bestens angesiedelt ist" ansieht - aber in gewisser Weise eben auch als "Tropfen auf dem heißen Stein".
"Die vom Job-Center übernommenen Mieten für Single-Haushalte stiegen im Landkreis Haßberge innerhalb von gut sechs Jahren - März 2014 bis August 2020 - um 28,5 Prozent, während die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum nur um 6,5 Prozent zulegten." Hinter dieser Wohnungsmarkt-Analyse steht das Gütesiegel "MeinFairMieter", das vom Pestel-Institut, einem Forschungsinstitut und Dienstleister für Kommunen, Unternehmen und Verbände, initiiert wurde, um nachhaltige Wohnungsunternehmen mit viel Herz schnell erkennbar zu machen. Die Auswertung dieser Analyse vergibt für den Landkreis Haßberge auf dem "Wohn-Prüfstand" für Haushalte insgesamt also keine guten Noten.
Auch vor diesem Hintergrund ist Stefan Paulus von dem Projekt der Gemeinde überzeugt. "Wenn wir ein Baugebiet ausweisen, subventioniert die Gemeinde in gewisser Weise die entstehenden Einfamilienhäuser, da nicht alle Kosten umgelegt werden können. Es ist aber noch nie die Diskussion geführt worden: Warum machen wir das nicht auch für Leute, die nicht in der Lage sind, sich ein Haus zu leisten?"
"Hätten wir die zehn Wohnungen nicht gebaut, hätten wir das alles gar nicht so mitbekommen." Was den Bürgermeister so entsetzt, ist der Umstand, dass "auch Vertreter der Mittelschicht mit Durchschnittseinkommen" Probleme hätten, eine Wohnung zu finden. Aus den 50 Bewerbern für die zehn Wohnungen habe die Gemeinde 17 eingeladen, um sich ein Bild zu verschaffen. "Es war menschlich sehr schwierig, jemanden auszuschließen", hadert Paulus noch immer mit dem Umstand, nicht für jeden Härtefall - und es waren schlimme darunter - eine Wohnung anbieten zu können.
Die Wohnungen werden nicht "im klassischen Sozialwohnungsbau" erstellt, so Paulus, sondern hochwertig. Die Wohnräume liegen alle nach Süden ausgerichtet, sind hell und sonnendurchflutet. Der Zugang zu den Wohnungen erfolgt über die Nordseite. Für Paulus war es auch wichtig, das hier keine Ghettobildung entsteht. "Ein guter Mix ist nötig", so der Bürgermeister, der aufgrund des Baufortschrittes damit rechnet, dass die glücklichen Mieter, die den Zuschlag erhalten haben, im Sommer einziehen können.