Die zehn Bürgermeister der Lebensregion plus im Landkreis Haßberge haben mit einem Schreiben an die unterfränkischen Landtagsabgeordneten der Freien Wähler, Stimmkreisabgeordneten Steffen Vogel (CSU) und Staatssekretär Gerhard Eck aus Donnersdorf (CSU) die Einführung der Grundsteuer C gefordert. Damit soll den Kommunen die Möglichkeit gegeben werden, auf die hohe Zahl an unbebauten, aber erschlossenen Grundstücken in ihren Städten und Gemeinden eine Grundsteuer C zu erheben.
Alte Form der Grundsteuer verfassungswidrig
Jeder kennt die Mehrwertsteuer, die Einkommensteuer, musste vielleicht schon mal Erbschaftssteuer bezahlen. Aber Grundsteuer? Damit beschäftigt sich kaum jemand. Was aber verwundern muss, denn eigentlich berührt diese Steuer jeden Bürger im Lande. Grundbesitzer ohnehin, aber auch Mieter, denn diese Steuer darf vom Vermieter umgelegt werden. Und für die Kommunen bedeutet sie eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen mit rund 14 Milliarden Euro jährlich.
Die bisherige Form der Grundsteuer musste jedoch reformiert werden, nachdem das Verfassungsgericht im Jahre 2018 festgestellt hatte, diese Form der Steuererhebung sei grundgesetzwidrig. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und inzwischen eine neue, "verfassungsfeste" Regelung, so die Bundesregierung auf ihrer Website, verabschiedet, die ab 1. Januar 2025 gelten soll.
Ausnahme für Bayern
Allerdings setzte Bayern im Bund eine Öffnungsklausel für die Länder durch und beschritt damit einen Sonderweg, obwohl eigentlich die CSU dafür gesorgt hatte, dass dieses Thema Gegenstand des Koalitionsvertrages wurde. Ab 2025 wird deshalb die Grundsteuer für die rund 6,5 Millionen Immobilien und Grundstücke in Bayern nach einem Flächenmodell berechnet. Die Grundsteuer C, auf deren Einführung die Gemeinden vertraut hatten, kommt tatsächlich erstmal nicht. Verantwortlich dafür ist die Landtagsfraktion der Freien Wähler, die sich hier gegen ihren Koalitionspartner CSU durchgesetzt hatte.
Dazu verlautbarte Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler und Bayerns Wirtschaftsminister, in der Bayerischen Staatszeitung vom 10. Dezember 2020, dass "die grundsätzliche Linie der Freien Wähler" sei, "keine neuen Steuern oder Steuererhöhungen einzuführen". Für ihn stelle diese Grundsteuer C "eine Strafsteuer für unbebaute baureife Grundstücke" dar, die er "unbedingt verhindern" wolle.
Knappe Ressource Boden
Darauf haben nun zahlreiche Kommunalpolitiker in ganz Bayern reagiert. Unter anderem Uwe Brandl (CSU), Präsident des Bayerischen Gemeindetags, ebenfalls in der Bayerischen Staatszeitung: "Wenn die Politik ernsthaft steuernde Bodenpolitik, also sparsamen Umgang mit der knappen Ressource Boden, betreiben will, dann muss sie uns, den Gemeinden als verantwortlichen Planungs- und Ausführungseinheiten, auch die notwendigen Instrumente dafür geben."
Und auch im Landkreis Haßberge regt sich harscher Protest. So drücken Susanne Haase-Leykam und Robert Betz in einem Schreiben für die Christliche Wählergemeinschaft Knetzgau an die FW-Abgeordnete Anna Stolz, Staatssekretärin im Staatsministerium für Unterricht und Kultus, ihr "Erstaunen und Unverständnis" darüber aus, dass die Freie-Wähler-Fraktion die Einführung der Grundsteuer C verhindert.
Seit Jahrzehnten gebe es "in vielen Kommunen Bayerns - auch in Knetzgau - viele unbebaute Grundstücke, die sich in privater Hand befinden, aber nicht bebaut werden. Daher benötigen die Städte und Gemeinden ein Instrument, um diese Bodenspekulationen zu vermeiden, aber auch um den einen oder anderen Eigentümer zum Verkauf oder zu einer Bebauung zu bewegen", so die beiden Knetzgauer CWG-Politiker. "Wir diskutieren im Gemeinderat seit Jahren, wie wir mit diesen Grundstücken umgehen sollen, die einerseits immer mehr an Wert gewinnen, auf der anderen Seite der Gemeinde Knetzgau immer weniger Optionen bleiben, um Bauland zu schaffen."
Knetzgaus Bürgermeister Stefan Paulus lässt keine Zweifel: "Eine Grundsteuer C wäre dringend notwendig, um baureife Grundstücke einer Bebauung zuzuführen. Allerdings muss eine solche Steuer seitens der Kommune so gestaltbar sein, dass Druck ausgeübt wird. Es müsste eine Erhebung in Höhe von mindestens fünf Prozent des Grundstückswertes ermöglicht werden." Diese Steuer, so Paulus, sei auch deswegen zu rechtfertigen, weil derartige Grundstücke durch die Leistungen der Allgemeinheit eine enorme Wertsteigerung erhielten.
Grundstücke als Spekulationsobjekte
Das führe dazu, dass solche Grundstücke zu Spekulationsobjekten würden und dies wiederum treibe die Wohnungsnot und den Mangel an Bauland voran. In der Gemeinde Knetzgau - nennt Paulus als Beispiel - befänden sich derzeit rund 150 solcher Enkel-Grundstücke, die zum Teil schon seit Jahrzehnten unbebaut geblieben seien.
Genauso sieht es Bürgermeister Bernhard Ruß aus Sand. Die Wertsteigerung der Grundstücke hänge damit zusammen, dass die Kommune nicht nur durch Gebühren und Beiträge finanzierte Einrichtungen schafft, sondern auch für Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen einen hohen finanziellen Aufwand durch die Allgemeinheit betreibt. Dies mache die Attraktivität und damit den Wohnwert einer Gemeinde aus. "Diese Attraktivität spiegelt sich in der Wertsteigerung von Grundstücken wider, von denen der Grundstückseigentümer ohne eigenes Zutun profitiert. Geht die Preisentwicklung wie in den letzten Jahren weiter, dann werden sich nur noch vermögende Privatbesitzer eine Immobilie leisten können. Junge Familien werden den Ort verlassen, wenn sie keine Möglichkeit haben, eine Wohnung zu finden", befürchtet Bürgermeister Ruß.
Bürgermeister Jürgen Hennemann aus Ebern schließt sich dem voll an: "Wir müssen als Kommune trotz vieler erschlossener Baulücken - in Ebern 110 Bauplätze - neue Wohngebiete ausweisen, um Bauplätze zur Verfügung zu stellen." Manche Kommunen weisen erst dann ein Baugebiet aus, wenn sie zuvor sämtliche in Frage kommenden Grundstücke erwerben konnten. "Das hat den Riesenvorteil", so Hennemann, "dass die Gebiete, die beplant werden, auch bebaut werden können, den Bauwerbern zur Verfügung stehen, da die Gemeinde ja verkauft und nichts zurückhält. Auch die Stadt Ebern wird in Zukunft so handeln und keine Baugebiete mehr ausweisen, die uns nicht gehören."
Alle Grundstücke im Besitz der Kommune
"Baubereiche erst zu erschließen, wenn die Kommunen Zugriff auf sämtliche Grundstücke haben", sagt auch der Knetzgauer Paulus, "ist derzeit die einzige Möglichkeit der Kommunen, um zukünftig Baulücken zu vermeiden." Knetzgau habe hier entsprechend reagiert und werde zum Beispiel einen bereits existierenden Bebauungsplan auflösen, weil nicht alle Grundstücke verfügbar sind. Das wiederum erschwere aber die Nachfrage nach Wohnraum.
Erhöhter Hebesatz als spürbarer Anreiz
Bürgermeister Paulus widerspricht auch entschieden der Behauptung Aiwangers, die Grundsteuer C sei eine zusätzliche Steuer: "Eine Grundsteuer C entspricht dem sozialstaatlichen Gedanken. Hier soll niemand enteignet werden, sondern Baugrundstücke sollen bebaubarer werden. Ein erhöhter Hebesatz würde einen spürbaren Anreiz schaffen, dass Grundstücke einer Bebauung zugeführt werden." Sie sei ein wirkungsvolles Instrument für Kommunen, die Innenentwicklung zu stärken und eine Zersiedelung an den Randbereichen zu verhindern. "Städtebaulich würde sie uns die Möglichkeit gegeben, nachhaltig Baulücken zu schließen und Bodenspekulationen einzudämmen."
Uwe Brandl (CSU), Präsident des Bayerischen Gemeindetages, hat für das Verhalten des Wirtschaftsministers seine eigene Interpretation: "Hier kommen ganz augenscheinlich Minister Aiwangers eigenartige Sozialisierung, sein Klienteldenken und sein offensichtliches Fehlverständnis von Eigentum und Sozialpflichtigkeit zum Ausdruck. Die Kommunen sind ihm dabei offenbar ziemlich egal."