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KREIS HASSBERGE
Zum Verzweifeln: Wohnungssuche mit Kindern
Auf Wohnungssuche: Eine Mutter aus dem Landkreis sucht für sich und ihre vier Kinder eine Wohnung und erhält nur Absagen. Ist das die Regel oder eine Ausnahme?
Stressbewältigung und Burn-Out       -  Eine junge Frau sitzt auf diesem Symbolbild frustriert auf einer Treppe. Alleinerziehende müssen auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt Hürden überwinden, wenn sie einen Mietvertrag möchten.
Foto: Peter Steffen/dpa | Eine junge Frau sitzt auf diesem Symbolbild frustriert auf einer Treppe. Alleinerziehende müssen auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt Hürden überwinden, wenn sie einen Mietvertrag möchten.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 15.05.2017 03:47 Uhr

Kinder sind für ihre Eltern in der Regel das größte Glück – doch bei der Suche nach einer Wohnung bisweilen eine Erschwernis. Diese bittere Erfahrung hat eine 37-jährige Mutter aus dem Landkreis Haßberge gemacht.

Sobald sie Vermietern gegenüber erwähnt hatte, dass sie eine Wohnung nicht nur für sich, sondern auch für ihre vier Kinder sucht, war das Gespräch schnell beendet. Ein Einzelfall? Oder haben Familien beziehungsweise Alleinerziehende mit Kindern bei der Wohnungssuche generell schlechte Karten?

Um eines vorwegzunehmen: Allgemeingültig lässt sich diese Frage nicht beantworten. Zu diesem Ergebnis gelangen die Recherchen dieser Redaktion, die den geschilderten Fall der wohnungssuchenden Mutter zum Anlass genommen hat, sich im Landkreis Haßberge umzuhören, bei Behörden, Kommunen und Sozialverbänden.

Eine Tendenz, Mieter mit Kindern vom Wohnungsmarkt auszuschließen, macht keiner der Befragten aus. Alle bestätigen jedoch eines: Wohnungen, vor allem kleinere und mittelgroße, sind Mangelware, besonders im Maintal.

Insoweit ist die 37-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, von vornherein unter erschwerten Bedingungen gestartet, denn sie sucht eine Wohnung in Knetzgau. Drei bis vier Zimmer sollten es sein, 80 bis 90 Quadratmeter. Mietkosten von bis zu 600 Euro würde das Jobcenter für sie übernehmen, berichtet sie im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Sozialkasse springt bei ihr ein, weil sie als gelernte Hauswirtschafterin derzeit krankgeschrieben ist und sie die Mietkosten nicht tragen könnte. Ihre Kinder sind fünf, sechs und zehn Jahre alt. Ihr viertes Kind ist noch ein Baby.

Bis vor knapp zwei Monaten hat sie mit ihrem Lebensgefährten zusammengewohnt. Dann hat dieser sie und die Kinder aus der Wohnung geworfen. Zunächst gab ihr eine Freundin in einem Haßfurter Stadtteil ein Dach über dem Kopf; zu dritt teilten sie sich dort ein Zimmer. Doch nach einigen Wochen lagen bei allen Beteiligten die Nerven blank. Kürzlich kam sie bei einer Bekannten im Raum Hofheim unter. Doch dies ist erneut nur eine Notlösung. Ihr sehnlichster Wunsch ist eine eigene Wohnung, in Knetzgau, „am liebsten sofort“. Dies sagt sie, obwohl sie nach den Absagen, die sie mehrfach kassiert hat, frustriert ist und sich wenig Hoffnung macht, wie sie sagt.

Was ihre Wohnungssuche zusätzlich erschwert: Die 37-Jährige hat Schulden, wie sie offen zugibt. Die Schulden seien überschaubar, sagt sie, und nicht sie, sondern ihr Ex-Lebensgefährte habe diese zu verantworten. Doch Vermieter, die häufig per Schufa-Auskunft die Bonität potenzieller Mieter prüfen, dürfte das zunächst wenig interessieren. Obwohl, wie in diesem Fall, der Sozialstaat die Miete zahlen würde.

Mietsuchende mit Schufa-Einträgen haben es schwer, gibt Martina Blenk vom Evangelischen Siedlungswerk (ESW) mit Sitz in Nürnberg zu. Das ESW vermietet auch in Haßfurt Wohnungen, hat aktuell aber keine frei. Wenn das Jobcenter Mieten übernimmt, sei das kein Problem.

„Alleinerziehende mit Kindern sind für uns kein Grund, an diese nicht zu vermieten.“
Frank Hermann, geschäftsführender Vorstand der Bruno-Werk eG der Diözese Würzburg

Auch kinderreiche Mieter hätten keinerlei Nachteile, wenn sie sich beim ESW bewerben, erklärt Blenk.

Die Baugenossenschaft Haßfurt hat laut dem geschäftsführenden Vorstand, Oskar Böhm, alle ihrer 330 Wohnungen in Haßfurt vermietet. Dort wohnten auch etliche Alleinerziehende mit ihren Kindern. Bei der Entscheidung über eine Vermietung spielten viele einschränkende Faktoren eine Rolle, sagt er, etwa Haustiere oder Schufa-Einträge.

Auf dem freien Wohnungsmarkt steht die Zahlkraft der Mieter im Vordergrund, berichtet Frank Hermann, geschäftsführender Vorstand der Bruno-Werk eG, einer Wohnungsgenossenschaft der Diözese Würzburg, die etwa 100 Wohnungen in Hofheim, Ebern und Zeil vermietet. Obwohl für sie als kirchlicher Vermieter sozusagen gemilderte Umstände zählen, käme das Bruno-Werk an „harten Merkmalen“, etwa eidesstattlichen Versicherungen, die Mietsuchende abgelegt haben, nicht vorbei. Doch selbst hier gebe es Möglichkeiten, solchen Kandidaten einen Mietvertrag zu geben, etwa über Bürgen. Beim Bruno-Werk liefen mitunter Fälle auf, die bei privaten Vermietern, keine Chance hätten. „Alleinerziehende mit Kindern“, sagt Hermann, „sind für uns kein Grund, an diese nicht zu vermieten.“ Obwohl bei diesen das Mietausfall-Risiko höher sei.

Eigentlich, rät Hermann, müsste jemand, der keine Wohnung findet, sich an die Kommune wenden. Doch Städte und Gemeinden können auch nur bedingt weiterhelfen, heißt es bei diesen. Die Stadt Haßfurt beispielsweise hat ihre eigenen Wohnungen vor einigen Jahren verkauft, berichtet Thomas Ringeisen vom Ordnungsamt.

Sie kann zwar auf drei Wohnungen in einem Wohnblock zugreifen, um bei Zwangsräumungen und drohender Obdachlosigkeit Nothilfe zu leisten. Doch diese seien quasi ständig belegt. Die zunehmende Zahl anerkannter Flüchtlinge, die die staatlichen Erstaufnahmeeinrichtungen verlassen müssen, und die die Kommunen unterbringen müssen, verschärfen die Lage auf dem Wohnungsmarkt drastisch, schildert Ringeisen.

„Kommunen vermitteln keine Wohnungen“, macht Werner Mock von der Verwaltungsgemeinschaft Hofheim klar. „Wir geben höchstens Adressen von Vermietern heraus.“ Auch er bestätigt, dass die Kommunen im Hofheimer Land keine Wohnungen besitzen.

Der Wohnungsbedarf sei hoch. Dass Familien sich melden, die keine Wohnung finden, das käme immer wieder mal vor, bestätigt Mock. Eine kinderfeindliche Einstellung bei Vermietern hat er bislang jedoch nicht ausgemacht.

Eine Ansprechpartnerin, auf die Wohnungssuchende von vielen Seiten verwiesen werden, ist Sabine Wagner. Als Wohnungsdisponentin des Kreiscaritasverbandes Haßberge versucht sie das Mögliche möglich zu machen, doch zaubern kann auch sie nicht. Im Fall der 37-jährigen Mutter und ihren vier Kindern ist sie machtlos: „Ich wüsste nicht, was diese machen sollte, außer zu hoffen“, sagt Wagner.

Knapp 300 Wohnungssuchende hat sie auf ihren Listen stehen. Wie realistisch diese Zahl den aktuellen Wohnungsbedarf im Landkreis widerspiegelt, weiß sie nicht, denn häufig ist es so, dass sich Wohnungssuchende bei ihr nicht melden und sich von der Liste streichen lassen, wenn sie fündig geworden sind.

Wagner kann auch nur auf Wohnungen zurückgreifen, die auf dem freien Markt angeboten werden. Sie vermittelt zwischen Vermietern und Mietern und tritt damit als eine Art soziale Maklerin auf. Manchmal schafft sie es, Vermieter so weit zu bringen, Mietern eine Chance zu geben, die auf den ersten Blick wenig Chancen haben – auch Fälle wie die der 37-Jährigen. Ihr Vorteil: Sie kennt diejenigen, die eine Wohnung suchen und kann diese halbwegs einschätzen. „Ich leiste viel Überzeugungsarbeit am Telefon“, sagt die Wohnungsdisponentin der Caritas.

Alleinerziehende sind nur selten voll erwerbsfähig. Deshalb sei es eher die Regel, denn die Ausnahme, dass Alleinerziehende auf Mietleistungen des Jobcenters angewiesen sind, bestätigt Werner Mahr, Geschäftsführer des Jobcenters in Haßfurt.

„Ich leiste viel Überzeugungsarbeit am Telefon.“
Sabine Wagner, Wohnungsdisponentin des Kreiscaritasverbandes Haßberge

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt bezeichnet Mahr als „scharf“. Speziell das Maintal sei begehrt, als Wohnlage mit „niedrigen Mieten und einigermaßen guten Betreuungsangebot für Kinder“ zwischen Schweinfurt und Bamberg.

Kleine Wohnungen seien im Haßbergkreis schwer zu finden, größere gebe es am ehesten in den Haßbergen und im Steigerwald. Das Jobcenter hilft bei der Finanzierung von Mieten, vermittle aber keine Wohnungen, stellt Mahr klar.

Die Wohnungsdisponentin der Caritas, Sabine Wagner, ist montags und mittwochs von 8 bis 15.30 Uhr sowie donnerstags von 8 bis 12 Uhr erreichbar unter Tel. (0 95 21) 6 91 23. Vermieter, die der 37-Jährigen und ihren vier Kindern ein Zuhause geben möchten, können sich unter Tel. (0 95 23) 92 21 33 an die Redaktion wenden.

 
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