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Sailershausen
Wenn die Mitarbeiter Eichhörnchen spielen:  Sammeltrupps ziehen im Sailershäuser Wald umher und sammeln Eicheln
Was sich kurios anhört, hat einen ernsten Hintergedanken: Eicheln sind in Zeiten des Klimawandels ein besonders begehrtes Gut. Warum das so ist und wohin die Eicheln kommen.
Das Sammeln von Eicheln hat in Zeiten des Klimawandels eine große Bedeutung: Eichen halten die zunehmenden Trockenperioden besser aus als andere Baumarten. (Symbolfoto)
Foto: Andreas Arnold, dpa | Das Sammeln von Eicheln hat in Zeiten des Klimawandels eine große Bedeutung: Eichen halten die zunehmenden Trockenperioden besser aus als andere Baumarten. (Symbolfoto)
Wolfgang Aull
 |  aktualisiert: 19.11.2024 10:40 Uhr

Ausnahmewochen im Sailershäuser Wald: Nunmehr drei Wochen sind Sammeltrupps in fünf ausgewiesenen Gebieten unterwegs, um Eicheln aufzulesen: Sie bringen ihre Beute zum Forstamt, und schon wenige Tage später werden die Früchte von Baumschulen dort abgeholt.

Organisiert und kontrolliert wird das ganze Geschehen von Daniel Kraus, Betriebsleiter des Universitätsforstamtes Sailershausen. Er ist voll des Lobes: "Dieses Jahr ist wahnsinnig gut, 95 Prozent der Eicheln sind groß, kräftig und ohne Wurmbefall. Die Herkunft: Lange, gerade Eichenbäume, mächtig! Beste Qualitäten, die man haben kann."

Ausnahmewochen im Sailershäuser Wald: Über drei Wochen hinweg waren Sammeltrupps in fünf ausgewiesenen Gebieten unterwegs, um Eicheln aufzulesen.
Foto: Daniel Kraus | Ausnahmewochen im Sailershäuser Wald: Über drei Wochen hinweg waren Sammeltrupps in fünf ausgewiesenen Gebieten unterwegs, um Eicheln aufzulesen.

Er kann sich hierüber sicher sein, denn nur geprüfte, zertifizierte Ware verlässt seinen Hof: Ein Beamter vom Amt für Landwirtschaft und Forsten macht Schnittproben, bewertet und trägt die Ergebnisse in einem Zertifikat ein. Eine Art Begleitschein, den der Kunde mit sich führen muss. Heute ist es Peter Wirsing von der Firma Mitteldeutsches Forstsaatgut, Zwischenhändler mit Hauptsitz im Harz. Es sei durchaus denkbar, bestätigt Wirsing gegenüber der Redaktion, dass sein Fahrzeug auf der Heimfahrt in eine Polizeikontrolle gerät und er dieses Zertifikat vorzeigen muss.

Kiefer und Fichte haben bei uns "keine Zukunft mehr"

Sie sind begehrt, die Eicheln aus dem Sailershäuser Wald, insbesondere in Folge des Klimawandels: Dank der Eigenschaft, besonders tief zu wurzeln, könnten Eichen Trockenperioden vergleichsweise gut standhalten. Im Gegensatz zu Fichte und Kiefer.

Daniel Kraus: beste Qualitäten, die man haben kann.
Foto: Wolfgang Aull | Daniel Kraus: beste Qualitäten, die man haben kann.

"In unserer Region haben diese beiden Baumarten definitiv keine Zukunft mehr", prognostiziert Kraus. Somit seien Kahlflächen entstanden, die es aufzuforsten gilt. "Unsere Traubeneichen eignen sich sowohl zum Säen als auch zur Nachzucht in Baumschulen."

Nicht jede Eiche bringt Früchte hervor, die für den Verkauf zugelassen ist. Das Genmaterial muss Kriterien erfüllen, die in dem sogenannten Forstvermehrungsgutgesetz festgeschrieben sind. Das Forstamt verfüge über fünf zugelassene Erntebestände auf insgesamt 240 Hektar Waldfläche, die anerkannt dessen Anforderungen erfüllen, und nur hier dürfe aufgelesen werden.

Seine Sammeltrupps wissen hierüber Bescheid. Es sind zumeist vieljährig bewährte Helferinnen und Helfer, die nur darauf warten, dass es wieder losgeht: "Ein Anruf genügt" berichtet Kraus.

Es ginge theoretisch auch anders, und für ihn auch einfacher. Er könnte die Flächen an Baumschulen verpachten, welche dann mit eigenem Personal und eigener Technik anrücken und den Lesevorgang vollziehen. Doch hiervon nimmt er geflissentlich Abstand: Unsere Vorgehensweise hat eine alte Tradition, "sie ist quasi ein immaterielles Weltkulturerbe in klein" meint er mit Verweis auf den benachbarten Spessart: dort wurde die gleiche Vorgehensweise in das Verzeichnis des immateriellen UNESCO-Kulturerbes aufgenommen.

Fünf Tonnen Sammelgut war das Ziel

Fünf Tonnen Sammelgut waren sein Ziel für dieses Jahr, und viel Zeit zu lesen blieb nicht. "Zuerst fallen die Eicheln, dann das Laub." Wenn dieses auf der Erde liegt, wird es kompliziert. Und Menschen sind auch nicht die einzigen Interessenten für dieses nahrungsvolle Gut: Für Wildschweine bieten sie paradiesische Umstände, Eichelhäher und Eichhörnchen tragen die Frucht berechtigterweise in ihrem Namen.

Aus der Region für die Region: Jedes Herkunftsgebiet wird genau festgehalten.
Foto: Wolfgang Aull | Aus der Region für die Region: Jedes Herkunftsgebiet wird genau festgehalten.

Ein Schatten fällt dennoch auf die Freude von Kraus: Traditionell war eine reichhaltige Ernte in Intervallen von sieben bis zehn Jahren zu erleben. Das habe die Natur so eingerichtet, damit sich bei dem Baum Eigenentwicklung und Fruchtproduktion die Waage hält. Spätfröste und Trockenperioden stressen den Baum, er opfert sich sozusagen, indem er Nachwuchs über seine langfristige Leistungsfähigkeit hinaus erzeugt. Es sei mit Menschen durchaus vergleichbar: Raubbau des eigenen Körpers kann verhängnisvoll sein.

Saisonende: die letzten Eicheln verlassen den Lagerraum
Foto: Wolfgang Aull | Saisonende: die letzten Eicheln verlassen den Lagerraum

Heute letzter Tag, Kraus zieht Bilanz: Zwischen fünf und sechs Tonnen Eicheln hatten sie sich zum Saisonziel gesetzt. Knapp sieben Tonnen sind es geworden. Circa 15 Hektar Fläche könne damit aufgeforstet werden. 2,50 Euro hat sein Forstamt pro Kilogramm Sammelware ausgezahlt, insgesamt 45.000 Euro eingenommen. Unterwegs waren insgesamt zwanzig Partien, von Einzelpersonen bis hin zur Großfamilie.

Sammler sind mit Freude dabei

Er meint, auch wenn die Helfenden schönes Zubrot dazuverdienten, so seien seine Sammlertrupps nicht unbedingt primär aus Interesse an der Einkunft im Einsatz: sie genießen die Arbeit an frischer Luft, die besondere Atmosphäre im Herbstwald, und auch die Gewissheit, der Region Gutes zu tun. Denn die Sammelware darf ausschliesslich in der Region ausgebracht werden, im fränkischen Hügelland.

Qualitätskontrolle durch Johann Erben von der Bayerischen Forstverwaltung. Die Schnittprobe bringt Aufschluss über den Zustand der Eicheln.
Foto: Wolfgang Aull | Qualitätskontrolle durch Johann Erben von der Bayerischen Forstverwaltung. Die Schnittprobe bringt Aufschluss über den Zustand der Eicheln.

"Wir wollen der Nachwelt Wälder hinterlassen, die auch im Klimawandel gut dastehen" gibt Ihnen Kraus mit auf den Weg. Wer weiss: wenn die Urenkel einst durch Eichenhaine wandern, dann haben sie womöglich Prachtbäume um sich herum, deren Samen einst liebevoll und in weiser Voraussicht von ihren Altvorderen aufgelesen wurden. Es sei durchaus denkbar, dass Bäume hervorgehen, die 1000 Jahre und älter werden.

 
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