Sein Revier ist klein aber fein. Daniel Kraus, der neue Leiter des Universitätsforstamtes Sailershausen, bezeichnet den Universitätswald Sailershausen als "Schatzkästlein". Mit Artenvielfalt und Kleinräumlichkeit möchte er den Herausforderungen der Zeit begegnen. Die Redaktion hat mit ihm gesprochen.
"Von klein auf", so Kraus, sei bei ihm die Liebe zum Wald Wesensmerkmal gewesen. Sein Vater, wohnhaft in Sommerach, streifte in jeder freien Minute durch den Steigerwald und den Spessart, oftmals dabei sein kleiner Daniel. Sie lebten mit der Jahreszeit: Feldsalat pflücken auf Brachflächen im Winter, "besser als jede Züchtung", im Frühjahr Bärlauch, und ab Mai Waldmeister; danach Holunderblüten und Pilzsaison bis in den späten Herbst hinein. "Brotlose Kunst" sei das Forststudium, wurde ihm an der Universität in Freiburg attestiert, was ihn jedoch nicht abhielt, dem Ruf seines Herzens zu folgen.
Feuer und Flamme: Spezialwissen öffnete Türen in aller Welt
Kraus packte an: "Keine Chance haben, aber diese ergreifen", war sein Motto, als er sich während des Studiums in ein Spezialgebiet einarbeitete, das ihm zum Ende der Ausbildung Türen in viele Länder der Welt öffnete: Wald und Feuer! Einerseits sind Waldbrände, hatte er gelernt, natürliche, sogar notwendige Ereignisse in vielen ursprünglichen Wäldern, andererseits können sie sich verheerend auswirken, wenn sie an falscher Stelle zu einem falschen Augenblick ausbrechen.
Über mehrere Jahre hinweg arbeitete er beim Max-Planck-Institut für Chemie als Feuerökologe und als Projekt- und Teamleiter am Europäischen Forstinstitut (EFI). Das Fachwissen war gefragt, sein Aufgabengebiet führte ihn, außer Australien, in Wälder auf allen Kontinenten dieser Erde.
Kraus lernte dabei vieles kennen: naturnahe Bergwälder in China, Urwälder in Südosteuropa, feuerbeeinflusste Wälder in Skandinavien und Sibirien, feuerresiliente Waldstrukturen in Spanien, gemeindebasierte Waldbewirtschaftung in Indien, Nepal und Vietnam, Buchenurwälder in Japan und Iran, naturnah bewirtschaftete Wälder in Chile und Argentinien, tropische Wälder in Costa Rica und Venezuela, Savannen- und Waldformationen im südlichen Afrika. Ihn zog es dennoch zurück in seine Heimat. Die fränkischen Wälder ließen ihn nicht los.
Gerolzhofen wurde familiäres Zuhause für ihn, seine Frau und die drei Kinder. Anstellung fand er bei den Bayerischen Staatsforsten, zunächst im Bayerischen Wald, danach als Leiter des Forstbetriebes Nordhalben mit gut 16.500 Hektar im Norden Oberfrankens. Dort erlebte er das Zugrundegehen der Nadelwälder, die stressbedingt dem Borkenkäfer nichts mehr entgegensetzen konnten.
Von Gerolzhofen aus streifte Kraus durch den Steigerwald, beobachtete, wie sich Mischwald erfolgreicher als Nadelwald gegen die Widrigkeiten des Klimawandels stemmt. Er lernte Ulrich Mergner kennen, beschäftigte sich mit dessen in Fachkreisen anerkanntem Trittsteinkonzept, das sich dadurch auszeichnet, Schutz der Artenvielfalt und Wertschöpfung unter einen Hut zu bringen. Bausteine sind Biotopbäume, Totholz, kleine Naturwaldflächen und große Naturwaldreservate. Sie spannen "ein ökologisches Netz und ermöglichen so den genetischen Austausch innerhalb der Waldarten". Gemeinsam beschäftigten sie sich mit dieser Thematik, führten es zu internationaler Anerkennung.
Traumwald Sailershausen: der Dickste jeder Art bleibt erhalten!
Kraus wertschätzt seinen Vorgänger Hans Stark, bezeichnet die ihm überlassenen und nun anvertrauten Wälder als Traumwald: "Er ist jetzt schon so, wie es alle gerne in Zeiten des Klimawandels hätten." Dank der Böden aus Muschelkalk und Lettenkeuper gebe es keine Einschränkung bei der Baumartvielfalt, wodurch sich historisch eine reichhaltige Baumartzusammensetzung ergeben hat. Kraus verfolgt ein Prinzip, das er im Iran kennengelernt hat und weiter einsetzen wird: "Der Dickste jeder Art muß erhalten bleiben." Die "dicke Else", Starks Lieblingsbaum, eine Elsbeere, braucht auch unter seiner Regie nicht um ihr Leben bangen.
Wirtschaftlich steht sein Betrieb auf vielen Beinen: Holzverkauf, Flächenverpachtung, zum Beispiel für die Windräder, Wiesen und landwirtschaftlich genutzte Flächen, dann die Nutzung staatlicher Förderprogramme, sprich Verbleib von Biotopbäumen und Totholz im Wald, sowie Verkauf von Saatgut und Wildbret, zuweilen auch Bärlauch. Kraus liebäugelt mit Wein und Whiskey: "Die Eichenpreise gehen durch die Decke, dank der Fassbauer in Frankreich."
Mit Blick auf den Klimawandel und das Einschleppen von Krankheiten durch die Globalisierung meint Kraus: "Artenvielfalt treibt die Prozesse im Wald voran, sie ist das Getriebe." Er strebt einen strukturreichen Wald an: "Größtmögliche Mischung bedeutet Risikostreuung." Fichte und Kiefer sind Vergangenheit. Die Bergulme stirbt, der Bergahorn steht auf der Kippe, die Esche ebenfalls. "Damit muß man leben." Auch sei es wichtig, resiliente Bäume zu fördern. "Die Zuwächse werden einbrechen", sieht er kommen.
Geschlossenes Kronendach als Maßnahme gegen Regenarmut
Kraus möchte auf die klimabedingte Regenarmut und die vielen Sonnentage reagieren, indem er ein Augenmerk auf das Waldinnenklima lenkt. Das Kronendach soll geschlossen sein. Behutsam dosierte Lichtschächte sollen heranwachsenden Bäumen den Weg ebnen: "Zwischenständer dienen der Lichtsteuerung." Der Wasserfluss soll entschleunigt, Feuchtgebiete geschaffen werden. Er möchte akzentuieren: "Das kleinräumliche Vorgehen ist das Rezept für den Wald der Zukunft."
Die Universität Würzburg, so der Eindruck von Kraus, ist sehr stolz auf den Wald. Die Uni hat, im geistigen Erbe von Julius Echter, ein starkes Geschichtsbewusstsein, der Wald sei ein Schatzkästchen für Veranstaltungen, "schließlich ist er einer der bekanntesten Wälder Bayerns, auch deutschlandweit unheimlich bekannt."
Die Verantwortlichen möchten den Uniwald als Teil ihres Nachhaltigkeitskonzeptes ansehen, das in vielfältiger Weise neues Wissen generiert: Humusaufbau, ökologische und biologische Forschung, Geographie mit Wasserprojekten. "Der Wald ist voller Forschungsflächen", es gebe die Feldlehre, Exkursionen zuhauf, fast wöchentlich eine Veranstaltung. Ganz eng verliefe die Zusammenarbeit mit der Forschungsstation Fabrikschleichach. Sie verfügten über knapp vierzig Hektar verschiedener Versuchsflächen, die über mehrere Jahre hinweg von der Uni wissenschaftlich begleitet werden.
Kraus möchte im Wald möglichst viel Ruhe: Die 40 Jäger sollen nur in den Wald fahren, wenn sie jagen wollen, nicht zum Gucken: "Ich verkaufe keine Jagdromantik, ich brauche Handwerker, welche uns bei der Schwerpunktbejagung unterstützen."
Der Besucherdruck sei sehr hoch, was in der Regel jedoch nicht zu Konflikten führt; auch mit Radfahrern sieht er aktuell kein Konfliktpotential. Ein Ärgernis ohnegleichen sind für ihn die vielen Hinterlassenschaften, ob illegale Müllentsorgung, Besuchermüll, Bauschuttablagerungen oder Gartenabfälle. Letztere seien ein Einfallstor für Neophyten, also eingeschleppte Pflanzen. Kraus zitiert zum Gesprächsende eine Regel aus England: "Hinterlasse nichts als deinen Fußabdruck!"