Mit dem Schloss sei es über Generationen hinweg so gewesen wie mit Chinas berühmter "verbotener Stadt", dem Kaiserpalast in Peking, meint Kerstin Baumgärtner: So prägend das Schloss hier in Oberschwappach im Landkreis Haßberge seit bald 300 Jahren für das Ortsbild auch sein mag - Zutritt hatten die Menschen aus dem Dorf hier die meiste Zeit nicht. "Wir haben da nie dazugehört", sagt Baumgärtner. Die 53-Jährige zählt zu den Aktivposten des Kulturvereins Museum Schloss Oberschwappach. Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Schloss im Knetzgauer Ortsteil mit Leben zu füllen: zur Freude der kulturinteressierten Allgemeinheit und zum Wohle der Menschen im Ort.
Einst war das zwischen 1733 und 1738 erbaute Schloss am Nordrand des Steigerwaldes Amtssitz der Zisterzienserabtei Ebrach zur Verwaltung der umliegenden Klosterbesitztümer und Sommerresidenz der Äbte. Nach der Säkularisation 1803 wechselten die Eigentümer dann häufig. Und bis die Gemeinde Knetzgau sie vor 40 Jahren schließlich kaufte, war die imposante barocke Anlage "absolut privat", erinnert sich Egon Stumpf.
1985 war das Schloss in Oberschwappach zur Ruine heruntergekommen
Doch nicht nur das: Weil den letzten Schlossherren mehr und mehr die Mittel gefehlt hatten, die Bausubstanz zu erhalten, erwarb die Gemeinde 1985 "eine Ruine", wie es Stumpf ausdrückt, der 77-jährige Vorsitzende des Kulturvereins.
Die Kommune ließ das Schloss aufwändig restaurieren und suchte und fand neue Nutzungsmöglichkeiten. Ein Teil des Schlossgebäudes dient seither als Kindergarten, im Kellergewölbe entstand aus einer archäologischen Sammlung ein Museum mit vor- und frühgeschichtlichen Funden aus der Region. Und schon bald trat in Schlosshof und Spiegelsaal das Streichquartett der Bamberger Symphoniker regelmäßig auf.
Doch so belebt, wie es sich die Gemeinde gewünscht hatte, wurden die alten Gemäuer nicht – und für die Anwohner in der Umgebung blieben sie ein Fremdkörper. Um das zu ändern, gründeten 2003 engagierte Frauen und Männer aus dem gesamten Gemeindegebiet den "Kulturverein".
"Wir sehen die Kulturförderung im Schloss als unsere Grundaufgabe an, um das Schloss mit Leben zu erfüllen", definiert Egon Stumpf die bis heute gültige Zielsetzung der mehr als 130 Mitglieder. Was hochtrabend klingen mag, beginnt ganz praktisch mit zig ehrenamtlich geleisteten Stunden pro Jahr: Der Kulturverein hat die Aufsicht über das Schloss übernommen, gewährleistet den Museumsdienst, bietet Führungen durch Räumlichkeiten und Schlossgärten an und betreut Konzerte und andere Veranstaltungen.
Impulse vom Kulturverein: Skulpturenpark und Schlossgarten für alle
Dabei ist der Kulturverein mehr als nur "Verwalter" des Schlosses: Er ist Impuls- und Ideengeber. Auf seine Anregung hin ist im früheren Nutzgarten und Landschaftspark ein Skulpturenpark entstanden, in dem in diesem Juli das sechste Kunstwerk aufgestellt werden wird. 16 sollen es einmal sein. Gleich nach seiner Gründung hatte der Verein dafür gesorgt, dass die Schlossgärten für jedermann offen sind. Kinder dürfen hier herumtollen, wer mag, darf auf der Wiese Picknick machen.
Dank Egon Stumpfs Expertise als Galerist finden im Schloss hochrangige zeitgenössische Kunstausstellungen statt. Und der Verein mischt sich ein, wenn es um das neue Konzept für das Museum für sakrale barocke Kunst geht, das die Diözese Würzburg vor Jahren im Ostflügel des Schlosses eingerichtet hat.
Neue Möglichkeiten durch das Europäische Kultursiegel
In diesem April hat das Schloss Oberschwappach das Europäische Kultursiegel erhalten. Mit den einhergehenden Mitteln will der Kulturverein einen Wanderweg, benannt nach dem letzten Abt des Zisterzienserklosters, vom Schloss nach Ebrach ausgestalten. Und parallel arbeiten die Ehrenamtlichen auf die Ausstellung "900 Jahre Kloster Ebrach" hin, die 2027 im Schloss Oberschwappach eröffnet werden soll. Bis dahin soll es auch ein Schlossmaskottchen geben – und eine eigens kreierte Maronentorte aus Esskastanien von früheren Zisterzienser-Standorten.
Viel Kultur, wie es der Vereinsname ja auch verspricht. Doch den Verantwortlichen geht es bei ihrem Engagement um mehr: Das Schloss soll einen Treffpunkt für die Menschen im Ort werden. Die Oberschwappacher sollen gerne hier herkommen und sich heimisch fühlen. Nach der Schließung des Schlossrestaurants hat der Kulturverein in diesem Jahr einen sonntäglichen Café-Betrieb auf die Beine gestellt. Die Torten und Kuchen backen die Frauen und Männer des Vereins für Gottes Lohn selbst. Und jeden Sonntag stehen sie hinter dem Tresen, um Kaffee oder Tee auszuschenken.
Das habe etwas mit dem Dorf gemacht, findet man beim Kulturverein. Es habe die Einstellung der Menschen zum jahrhundertelang verschlossenen Ort verändert. "Die Identifikation mit dem Schloss wird wahr", sagt Thomas Baumgärtner . "Unser Schloss wird zum neuen Marktplatz". Auch der 57-Jährige bringt als Inhaber einer Werbe- und Grafikagentur in Oberschwappach seine berufliche Expertise im Verein ein. Nach und nach digitalisiert er das Schloss. Eines Tages soll es eine virtuelle Führung durch sämtliche Räume und bis in den letzten Gartenwinkel hinein geben.
Knetzgaus Bürgermeister Stefan Paulus weiß, was er an dem Kulturverein Museum Schloss Oberschwappach hat. Ohne dessen Engagement sei kein Leben im Schloss möglich, betonte Paulus immer wieder. Ein Engagement, das bei den Kindern losgeht, mit denen die 75-jährige Ehrenbürgerin Elisabeth Ambros im Schlosskeller Getreide mahlt oder frühgeschichtlichen Schmuck herstellt. Das Interesse an der eigenen Geschichte und die Begeisterung fürs Oberschwappacher Schloss und die Heimat kann nicht früh genug beginnen.