Jeder Floh sticht", sagt Marion Müller, Geschäftsführerin der Metzgerei Hümmer mit Laden in Ebern. Von ihrer Verkaufstheke aus kann man direkt auf das Valeo-Werk in der Andreas-Humann-Straße blicken. "Bei einem Flohstich ist das unangenehm, aber nicht dramatisch. Wenn allerdings viele Flohstiche zusammenkommen…" Müller führt ihren Vergleich nicht zu Ende aus. Stattdessen sagt sie mit Blick auf den angekündigten Stellenabbau im Werk nebenan: "Es ist schade für die Region."
280 Stellen baut Valeo an seinem Standort in Ebern ab
Valeo baut an seinen deutschen Standorten Hunderte Stellen ab – in zwei Wellen. Das hat der Automobilzulieferer mit Sitz in Paris zu Jahresbeginn angekündigt: Erst 310 in Bad Neustadt an der Saale, nun auch zwölf Stellen in Bad Rodach, 90 in Erlangen und 280 in Ebern. Rund ein Viertel der Beschäftigten am Standort sollen damit gehen.
Seit 3. April ist zudem klar: Es geht nicht mehr ums Ob, sondern nur noch ums Wie. An diesem Tag erklärte der Arbeitgeber die Gespräche mit dem Betriebsrat einseitig für gescheitert und rief in der Folge die Einigungsstelle an. Dort wird in der Regel vor allem diskutiert, wie Stellen "sozialverträglich" abgebaut werden können. Das wiederum trifft dann meist junge Arbeitskräfte – und damit die Wirtschaftskraft am Standort in besonderem Maß.
"Der Wettbewerb wird in Ebern knackiger werden"
Das Wesentliche für die Zukunft des Einzelhandels in Ebern werde sich dabei erst noch entscheiden, meint Sebastian Rother, Inhaber des gleichnamigen Edeka-Markts, auf die Frage, was mit dem Stellenabbau bei Valeo auf die lokalen Ladenbesitzer zukommt. Sein Supermarkt grenzt direkt an das Werk von Valeo an. Entscheidend für ihn sei: "Wie verläuft der Abbau? Wie viele gehen in Altersteilzeit? Wo gehen die Arbeiter dann hin? Verlegen sie ihren Wohnsitz?", erklärt Rother weiter und fügt hinzu: "Gegessen wird immer." Aber: "Der Wettbewerb wird in Ebern knackiger werden."
Klar werde vor allem der ein oder andere Brotzeitholer bei ihm im Geschäft fehlen, ist der Marktinhaber überzeugt, doch die größere Frage für ihn lautet: "Was passiert mit Ebern komplett?" Bisher komme den Einzelhändlerinnen und -händlern in der Kleinstadt zugute, dass diese ein Zentrum für eine ganze Region bildet – "mit einem großen Einzugsgebiet", führt Rother diesen Gedanken aus.
Und er benennt sogleich ein weiteres Thema, das für Ebern erhebliche Bedeutung hat: "Um was wir wirklich kämpfen müssen, ist unser Krankenhaus. Das ist wirklich sehr, sehr wichtig." Bei Valeo dagegen seien Entlassungen schon seit FAG-Zeiten immer wieder Thema, doch: "Es ist immer weitergegangen", beschreibt er die Stimmungslage. Den angekündigten Stellenabbau kleinreden wolle er damit keinesfalls.
Ähnlich sieht es auch Achim Dietz vom gleichnamigen Euronics-Elektrofachgeschäft. "Natürlich ist es nicht gut für Ebern. Mit jedem Arbeitsplatz, der verloren geht, verliert man auch Kaufkraft", erklärt Dietz. Und weiter meint er: "Es ist halt in der Schwebe." Allerdings: "Die Sorgen bei Valeo hat es jedes Jahr einmal gegeben."
Das alte Bundeswehrgelände macht als Beispiel Hoffnung
Marion Müller fügt dem hinzu: "Personal wird ja, seitdem wir da sind, schon immer abgebaut." Existenzsorgen rund um ihre Metzgerei mache sie sich deshalb aber nicht. "Das ist für alle Beteiligten blöd – allen voran natürlich für die betroffenen Familien", sagt sie. Am Ende betreffe das Problem allerdings alle: "Über die Einkommenssteuer, die Gewerbesteuer, den Umsatz im Einzelhandel vor Ort", zählt sie nur einige Folgen auf und macht deutlich: "Das ist ein schleichender Vorgang. Mit jedem Betrieb, der fehlt, ist es schlecht."
Den Kopf deshalb in den Sand zu stecken, sei allerdings nicht ihre Art. Stattdessen sagt sie: "Wenn eine Tür zugeht, gehen andere auf." Und dann würden sich manchmal sogar bessere Optionen ergeben. In diesem Zug verweist Müller auch auf das alte Bundeswehrgelände in Ebern. Als der Standort aufgegeben wurde, "da waren die Sorgen noch viel größer. Da wusste man gar nicht, wie es weitergeht", erklärt die Metzgerei-Inhaberin.
Über eine mögliche Geisterstadt vor der Stadt sei damals spekuliert worden. Doch: "Die Kaserne hat sich so super entwickelt. Das hat kein Mensch vorher gedacht." Mit Blick auf den Valeo-Standort in Ebern meint Müller: "Vielleicht kommt ja ein Wasserstoff-Projekt oder etwas ähnliches?" Die Hoffnung auf eine positive Wendung lässt sie sich jedenfalls noch nicht nehmen. Und was im schlimmsten Fall tatsächlich auf Eberns Einzelhändlerinnen und -händler zukommt, "ist im Moment schwer abschätzbar", bringt es Sebastian Rother auf den Punkt.