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Ebern
Betriebsrat ist "stinksauer": Valeo beendet Verhandlungen über Stellenabbau in Ebern
Der Konzern hat die Einigungsstelle angerufen, damit sind zumindest die innerbetrieblichen Gespräche gescheitert. Die Arbeitnehmervertreter fürchten Schlimmes.
Sie fürchten um den Valeo-Standort Ebern (von rechts): Martin Feder, Erster Bevollmächtigter IG Metall Bamberg, Jürgen Hennemann, Bürgermeister der Stadt Ebern, Betriebsratsvorsitzende Sonja Meister, ihr Stellvertreter Thomas Werner.
Foto: Lukas Reinhardt | Sie fürchten um den Valeo-Standort Ebern (von rechts): Martin Feder, Erster Bevollmächtigter IG Metall Bamberg, Jürgen Hennemann, Bürgermeister der Stadt Ebern, Betriebsratsvorsitzende Sonja Meister, ihr ...
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 22.04.2024 02:40 Uhr

Schlechte Nachrichten für die Belegschaft von Valeo in Ebern: Die innerbetrieblichen Verhandlungen zwischen Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite über den geplanten Stellenabbau sind gescheitert. Das gab der Betriebsrat am Mittwoch auf einer Pressekonferenz bekannt, an der auch die Gewerkschaft IG Metall und Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) teilnahmen.

Demnach hat der Konzern eine Einigungsstelle angerufen, die zwischen den Konfliktparteien vermitteln soll. Valeo bestätigte den Schritt auf Nachfrage. Damit rückt der Abbau von 280 weiteren Arbeitsplätzen an dem einst florierenden Standort im Nordosten des Landkreis Haßberge ein Stück weit näher. Es ist das dritte Programm binnen weniger Jahre. 

Betriebsrat beklagt mangelnden Willen zum Gespräch

Entsprechend groß ist der Frust im Betriebsrat. "Ich bin stinksauer", erklärte der stellvertretende Vorsitzende Thomas Werner. "Von Anfang an wurde klar, dass der Arbeitgeber nicht verhandeln möchte." Fragen seien stellenweise nicht beantwortet worden, sagt Betriebsratsvorsitzende Sonja Meister. "Und bis heute ist uns nicht klar, warum es so viele Stellen sind."

"Unser Eindruck ist, dass der Arbeitgeber gar nicht mehr darüber reden will, ob und in welcher Höhe man abbaut, sondern nur noch wie."
Martin Feder, Erster Bevollmächtigter IG Metall Bamberg

Dabei hatten die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerseite gehofft, das aus ihrer Sicht katastrophale Ausmaß von 280 betroffenen Arbeitsplätzen – immerhin einem Viertel der Belegschaft – noch einmal deutlich reduzieren zu können. Mit dem Schritt vor die Einigungsstelle hat Valeo diese Hoffnung nun weitgehend zunichtegemacht. "Unser Eindruck ist, dass der Arbeitgeber mit uns gar nicht mehr darüber reden will, ob und in welcher Höhe man abbaut, sondern nur noch wie – und das so schnell und billig wie möglich", so Martin Feder von der IG Metall Bamberg. 

Valeo geht von baldiger Einigung bei Abfindungen aus

Dass der Gewerkschafter mit dieser Vermutung richtig liegen könnte, zeigt eine relativ vage und zugleich vielsagende Stellungnahme des Konzerns auf Anfrage dieser Redaktion. So seien die Gespräche bislang zwar "ohne Ergebnisse" verlaufen. Doch mithilfe der neutralen Einigungsstelle gehe man nun von einer "baldigen Einigung" aus, "um die notwendige Restrukturierung unter Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel ein Freiwilligenprogramm, so sozialverträglich wie möglich zu gestalten", schreibt Valeo-Pressesprecher Andreas vom Bruch. 

Die Bemühungen des Betriebsrats und der Gewerkschaft gehen indes weiter. Mit einer Menschenkette, die sich rund um das Werksgelände in Ebern bilden soll, wollen sie am Samstag auf den drohenden Kahlschlag aufmerksam machen. Und auf dessen Auswirkungen für die gesamte Region. "Es sind nicht nur einzelne betroffen, sondern ganze Familien", sagte Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann. "Für die Stadt wäre das ebenfalls ein massiver finanzieller Einschnitt", so der Sozialdemokrat. Er fürchtet um die Kaufkraft seiner Bürgerinnen und Bürger – und damit auch um die Geschäfte in Ebern. 

Druck auf Konzernspitze durch Protestaktion erhöhen

Ob die Wirkung solcher Protestaktionen über die reine Symbolkraft hinausgeht, bleibt offen. Den Vorwurf, zu wenig getan und den Druck auf die Konzernspitze zu spät erhöht zu haben, wollen sich die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter nicht machen lassen. "Die Eskalationsstufe Arbeitskampf sehen wir auch jetzt noch als verfrüht, aber wir schließen für die Zukunft gar nichts aus", so Gewerkschafter Martin Feder. Zuvor aber wolle man versuchen, bei den Gesprächen in der Einigungsstelle "noch etwas hinzubekommen".

Ist der Stellenabbau beschlossene Sache? Das jedenfalls befürchten Betriebsrat und Gewerkschaft. 
Foto: Lukas Reinhardt (Archivfoto) | Ist der Stellenabbau beschlossene Sache? Das jedenfalls befürchten Betriebsrat und Gewerkschaft. 

Auch Thomas Werner hat die Hoffnung nicht vollständig aufgegeben, dass am Ende nicht doch noch der ein oder andere der 280 Arbeitsplätze gerettet werden kann. "Vielleicht bewirkt die Einigungsstelle in dieser Hinsicht ja etwas", sagte Werner. Die Befürchtung ist groß, dass sich angesichts der hohen Zahl nicht genug Personal findet, das den Betrieb freiwillig über ein Abfindungsprogramm verlässt. Dann wären betriebsbedingte Kündigungen die Folge. 

Unklar, ob es der letzte Stellenabbau am Standort war

Wie zäh aber auch die Verhandlungen über die Einigungsstelle werden dürften, zeigt sich beim Blick auf das mögliche Freiwilligenprogramm. Hier scheinen die Vorstellungen über eine angemessene finanzielle Ausgestaltung zwischen den beiden Parteien bislang weit auseinanderzuliegen, wie sich offenbar bereits bei den innerbetrieblichen Gesprächen zeigte. "Die uns angebotenen Konditionen lagen etwa bei der Hälfte und damit deutlich unter denen vergangener Freiwilligenprogramme", so die Betriebsratsvorsitzende Meister. Für sie inakzeptabel. 

Die Entwicklungen der vergangenen Monate haben in der Belegschaft inzwischen deutliche Spuren hinterlassen. Die Stimmung sei schlecht, so Meister weiter. Es gebe bereits zahlreiche Kündigungen, darunter einige junge Beschäftigte. "Sie sagen, sie sehen hier keine Zukunft mehr." Tatsächlich wird auch nach dem nun dritten Stellenabbau binnen weniger Jahre offen bleiben, welche Perspektive die verbleibenden 820 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Ebern haben. "Eine Antwort darauf konnte mir die örtliche Geschäftsführung bei der Betriebsversammlung nicht geben."

 
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  • Erich Spiegel
    Die Arbeitnehmer müssen nun die verkorkste Ostpolitik der SPD unter Willy Brandt ausbaden. Ja es war gut gemeint. Die Hoffung war "Wandel durch Handel". Gebracht hat es eine starke Abhängigkeit vom Gas aus Russland. Die Folge ist, dass die Industrie teueres LNG Gas importieren muss, weil das billige Gas aus Russland wegfällt. Ausbaden müssen es die deutschen Arbeitnehmer weil die Produktion in Deutschland inzwischen zu teuer ist. Arbeitsplätze werden ins Ausland verlegt. Das gleiche Szenario droht mit China, von dem wir viel stärker abhängig sind als von Russland. Die chinesische Regierung hat bei Corona gezeigt, dass sie innerhalb von Tagen Millionen Chinesen zu Hause einsperren kann ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Schäden, die dem chinesischen Volk entstehen. Ich traue denen zu von heute auf morgen ein Verkaufsverbot für deutsche Autohersteller zu verhängen oder dass sie uns nichts mehr liefern. Als Wähler sollten wir China kritische Politiker unterstützen.
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  • Norbert Meyer
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