Am Abend des 9. März 2021 fand die Videokonferenz statt, die für Eltmanns Bürgermeister Michael Ziegler, Landrat Wilhelm Schneider, MdB Dorothee Bär und MdL Steffen Vogel (alle CSU) traurige Gewissheit brachte: Der Automobil-Zulieferer Schaeffler gibt seinen Standort in Eltmann auf. Ein Trost für die Beschäftigten: Das Unternehmen will die Arbeitsplätze nicht streichen, sondern an den Standort Schweinfurt verlagern.
An diesem Versprechen hält Schaeffler auch heute, fast genau ein Jahr später, fest: "Weiterhin gilt: Alle interessierten Mitarbeitenden aus Eltmann erhalten ein Arbeitsplatzangebot für Schweinfurt", teilt Pressesprecher Marco Bosch dieser Redaktion auf Anfrage schriftlich mit. Die ersten Arbeitsplätze seien bereits umgezogen, der Großteil der Beschäftigten sei aber noch in Eltmann.
Widerstand gegen die Schließung aus Politik und Gewerkschaft
Dass der dortige Standort geschlossen und dafür die Niederlassung in Schweinfurt ausgebaut werden soll, bezeichnet der Unternehmenssprecher als "strukturelle Maßnahmen zur nachhaltigen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schaeffler Gruppe". Die Firma hatte diese Maßnahme bereits im Herbst 2020 angekündigt, damals hatte Schaeffler in Eltmann 420 Beschäftigte. Darauf folgten lange Verhandlungen: Gewerkschaft, Betriebsrat sowie Politikerinnen und Politiker setzten sich dafür ein, den Standort zu erhalten, sodass die Entscheidung des Konzerns erst im März endgültig wurde.
"Ich bedauere die Entscheidung der Unternehmensführung sehr", schreibt Landrat Wilhelm Schneider nun auf Nachfrage der Redaktion. Gerade für das Maintal sei die Firma von großer Bedeutung, auch als einer der größten Arbeitgeber im Landkreis. "Auch wenn die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz nicht verlieren, sondern nach Schweinfurt wechseln – die Standortschließung ist ein großer Verlust, für die Stadt Eltmann und für unseren gesamten Landkreis. Von dem Werk haben viele Menschen profitiert."
Enttäuscht zeigt sich auch Eltmanns Bürgermeister Michael Ziegler. "Für die Region und die Stadt Eltmann ist es ein großer Verlust." Weiter meint Ziegler: "Wir wissen noch nicht, wie es weitergeht - auch mit dem Werksgelände." Das sei weiterhin Eigentum der Firma Schaeffler.
Eltmann will Leerstände im Gewerbegebiet verhindern
"Eltmann kann sich nicht mehr erweitern", sagt Ziegler. Denn das Gewerbegebiet, in dem sich das Schaeffler-Werk befindet, liegt nahe am Main, sodass der Hochwasserschutz einen weiteren Ausbau nicht zulässt. Deshalb sei es umso wichtiger, Leerstände wieder zu aktivieren. Die Stadt sei weiterhin in Gesprächen mit Schaeffler, auch für dieses Frühjahr sei nochmal ein Austausch geplant.
"Unser gemeinsames Ziel muss es jetzt sein, eine sinnvolle Nachnutzung des Geländes zu finden, wenn Schaeffler bei seiner Entscheidung bliebt", betont auch der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel. "Auf unsere Frage hin, welche Unterstützung von Seiten der Politik, insbesondere des Freistaates erfolgen müsste, um die Entscheidung gegen Eltmann zu revidieren, haben wir als Antwort bekommen, dass die Entscheidung fest stehe, unabhängig von politischen Maßnahmen", berichtet Steffen Vogel aus Gesprächen mit der Konzernspitze. "Dies ist sehr ärgerlich, aber die Entscheidung stand damit schon vor den Gesprächen fest."
Die meisten der befragten Politikerinnen und Politiker betonen einerseits die Freude darüber, dass Schaeffler die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumindest in Schweinfurt weiterbeschäftigen will. Andererseits beklagen sie, dass der Region damit ein großer Gewerbesteuerzahler verloren geht. Dazu kommt ein "emotionaler Verlust", wie es Dorothee Bär ausdrückt. Die Bundestagsabgeordnete habe selbst Verbindungen zu dem Produktionsstandort. Immerhin habe auch ihr Großvater einst dort gearbeitet. Zusammen mit Ziegler, Schneider und Vogel hatte sie in der Vergangenheit an vielen Kundgebungen und Gesprächen teilgenommen, die sich für den Erhalt des Standortes einsetzten.
"Wir haben unternehmerische Entscheidungen, bei allem Unverständnis, zu akzeptieren", teilt Bär auf Anfrage der Redaktion schriftlich mit. "Aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Eltmann und die Region identifizieren sich sehr mit dem Werk." Daher müsse sich Schaeffler fragen lassen, "wieso man diesen Standortvorteil für eine Zentralisierung aufgibt".
Bundesstaatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) schreibt: "Den Schaeffler-Verantwortlichen ging und geht es nur um Zahlen und nicht um die Menschen, die hinter diesen Zahlen stehen." "Kufi", wie die Firma im Volksmund für viele noch immer heißt, sei "ein Teil von Eltmann und für viele Familien der Arbeitsplatz über Generationen hinweg" gewesen. Der Name ist eine Abkürzung für "Kugelfischer", wie das Unternehmen bis zur Übernahme durch Schaeffler im Jahr 2001 hieß. Erfreulich sei zumindest, dass die Arbeitsplätze nicht verloren gehen. Zwar seien sie nun nicht mehr "vor der eigenen Haustür", doch zumindest sei Schweinfurt "nicht aus der Welt". "Eines hat das Aus auf jeden Fall gezeigt - wir müssen in der Region gemeinsam auf allen Ebenen alles dafür tun, dass es gelingt, die noch bestehenden Industriearbeitsplätze zukunftsfit zu machen." Umso bitterer sei, dass Valeo in Ebern nun ausgerechnet Arbeitsplätze im Bereich Forschung und Entwicklung streichen wolle.
Es geht nicht nur um die Arbeitsplätze bei Schaeffler selbst
Bei aller Freude über den Erhalt der Arbeitsplätze weisen aber Bundesstaatssekretärin Manuela Rottmann (Grüne) und MdL Steffen Vogel darauf hin, dass es nicht nur um die direkt bei Schaeffler beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehe. "Mit dem Wegfall des Standortes verlieren auch Dienstleister und Handwerker Aufträge", schreibt Rottmann. Auch die Tatsache, dass die Zukunft des Geländes noch unklar ist, könne noch zur Belastung für Eltmann werden. Weiter spricht Rottmann das vom Betriebsrat entwickelte Alternativkonzept an, das aus ihrer Sicht tragfähig gewesen wäre.
Dieses hatten die Beschäftigten dem Unternehmen seinerzeit vorgeschlagen. Es beinhaltete ein Einsparungspotenzial von stolzen 19 Millionen Euro. Damit hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem ihre Bereitschaft gezeigt, Opfer für den Erhalt des Standortes zu bringen, doch dem Unternehmen hatte das nicht genügt. Unternehmenssprecher Marco Bosch betont, trotz der Differenzen sei die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat immer "konstruktiv und in die Zukunft gerichtet" gewesen. Betriebsratsvorsitzender Ulrich Schöpplein wollte sich auf Anfrage der Redaktion nicht zur aktuellen Situation äußern.
Eine aktive Standortpolitik für die Region
Manuela Rottmann schreibt weiter: "Wer jetzt denkt, mit der Schließung von Eltmann ist das Thema erstmal abgehakt, irrt sich." Nötig sei nun eine "aktive Standortpolitik für unsere Region". Dem bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wirft sie vor, sich aus der Debatte um Eltmann herausgehalten zu haben und auch jetzt keine Initiative für die Region zu zeigen. "Dabei haben wir so viel zu bieten als Standort: Eine gute Infrastruktur, motivierte und qualifizierte Beschäftigte, eine passende Hochschullandschaft. Aber darauf können wir uns angesichts der globalen Veränderungen nicht ausruhen."
Etwa in die freie Wirtschaft eingreifen?