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Eltmann
Was Eltmanns Bürgermeister zur Schaeffler-Schließung sagt
Wehmut steht Bürgermeister Michael Ziegler ins Gesicht geschrieben, wenn er dieses glitzernde Kugellager in Händen hält. Die Zeit der Kugellager aus Eltmann soll bald vorbei sein. Schaeffler will sein Werk in der Wallburgstadt schließen.
Foto: Günther Geiling | Wehmut steht Bürgermeister Michael Ziegler ins Gesicht geschrieben, wenn er dieses glitzernde Kugellager in Händen hält. Die Zeit der Kugellager aus Eltmann soll bald vorbei sein.
Günther Geiling
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:55 Uhr

Der Aufschwung und Aufstieg Eltmanns als Wirtschaftsstandort von überregionaler Bedeutung begann mit der Eröffnung des Kugelfischerwerkes vor fast genau 80 Jahren und der Fertigung von Präzisionskugeln. So steht es in der Chronik der Stadt Eltmann. Nun sollen 80 Jahre Industriegeschichte enden, ein profitables Werk aufgelöst und die Produktion bis spätestens 2023 nach Schweinfurt verlagert werden. Diese Hiobsbotschaft schlug in den vergangenen Tagen wie eine Bombe ein, besonders in der Stadt Eltmann selbst, die mit diesem Unternehmen von Anfang an besonders verbunden war.

Dezentralisierung während des Krieges

Bevor es „Kugelfischer“ in Eltmann gab, wurden schon einmal Arbeitskräfte aus ihren Heimatorten im Steigerwald und in den Haßbergen mit Omnibussen nach Schweinfurt geholt. Nach den ersten Luftangriffen auf die Schweinfurter Großindustrie erfolgte dann der Dezentralisierungsbefehl und die Verlegung von Betriebsstellen in über 20 Orte, darunter auch nach Ebern und Eltmann. Grundstückseigentümer aus Ebelsbach und Eltmann stellten unter Androhung von Enteignung ihre Grundstücke zur Verfügung. In Ebelsbach wurden zu dieser Zeit auch die Stollen in den Berg getrieben, um eine vor Luftangriffen gesicherte Untertagesproduktion anfahren zu können.  

Das Zweigwerk nahm deswegen seine Produktion unter dem Tarnnamen „Industriegesellschaft Steigerwald & Haßberge m.b.H.“ in Eltmann auf, hatte im Mai 1942 hier auch 44 holländische Zwangsarbeiter und am 10. Dezember 1943 produzierten hier neben 350 deutschen Arbeitern auch 100 Fremdarbeiter, darunter russische Frauen. Um genügend Mitarbeiter generieren zu können, erbaute die Firma schon 1950 elf Mehrfamilienhäuser mit 46 Wohneinheiten und baute dann 1963 noch einmal 46 Wohneinheiten dazu. Die Zahl der Mitarbeiter stieg dann sogar bis auf knapp 2000, während derzeit noch rund 480 im Betrieb tätig sind.

Wie eine große Familie

Die Eltmanner Mitarbeiterschaft fühlte sich mit dem Unternehmen wie in eine große Familie eingebettet, für die auch viele gemeinsame Veranstaltungen und die wohl einmaligen Weihnachtsfeiern standen. Die Stadt Eltmann war ebenso eingebunden und das sieht man auch daran, dass eine Straße und auch in jüngerer Zeit die Sporthalle den Namen von „Georg-Schäfer“ tragen. Außerdem gibt es heute noch den „Kugelfischer-Chor“.

Auch der heutige Bürgermeister, Michael Ziegler, sieht sich noch jeden Tag mit dem Unternehmen verbunden, denn er öffnet mit einem besonderen Geschenk der Firma, nämlich einem Brieföffner, seine Post. Und seinen Schreibtisch ziert ein glitzerndes Kugellager als sichtbares Zeichen der Kugellagerstadt. Wie sich angesichts dieser Verbundenheit Bürgermeister Michael Ziegler fühlte, als er die Nachricht von der vorgesehenen Werksschließung erhielt, fragten wir ihn.

Frage: Wie und wann haben sie von der beabsichtigten Schließung des Werkes gehört?

Michael Ziegler: Wir von der Stadt sind im Vorfeld mit keinem Wort informiert worden, dass strukturelle Veränderungen geplant sind. Ja, wir haben es genauso aus der Presse erfahren und sind sogar von ihr angerufen worden, dass bei ihnen eine Pressemeldung von Schaeffler vorliegt. Dann sind wir dem nachgegangen und waren geschockt, dass es schon beschlossen worden war.

Das rund 140 000 Quadratmeter große Betriebsgelände der Firma Schaeffler in Eltmann.
Foto: Stadt Eltmann | Das rund 140 000 Quadratmeter große Betriebsgelände der Firma Schaeffler in Eltmann.
Welche Gefühle ruft eine solche Meldung bei einem Bürgermeister hervor?

Ziegler: Natürlich ist dies auch für einen Bürgermeister ein Schock, denn dahinter stehen ja Arbeitskräfte und Arbeitsstellen und ganze Existenzen von Familien. Gerade in der jetzigen Zeit durch Corona ist es schwer, wenn jemand seinen Arbeitsplatz verliert, wieder auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Dies gilt gerade für Eltmann, aber auch die gesamte Region Haßberge, die nicht mit Arbeitsstellen einer Großindustrie gesegnet ist. Für Eltmann wäre dies noch dazu der Verlust des größten Arbeitgebers und das bedeutet einen herben Einschnitt in unsere Struktur.

Hätten Sie vielleicht doch einmal an eine solchen „Worst-Case“ denken müssen, es war ja schon einmal 2004 eine ähnliche Situation?

Ziegler: Eine solche Entwicklung schiebt man selbstverständlich weit weg von sich und hofft, dass solche eine Situation nie eintritt. Vor allem war aber jetzt die Ausgangssituation eine ganz andere als damals. Es ist ja kaum zu glauben und fast ein Wahnsinn, was Schaeffler in den letzten Jahren in Eltmann alles investiert hat. Es ist ein neuer Maschinenpark entstanden mit neuen Härteöfen. Auch die Arbeitsbedingungen wurden verbessert durch ein neues Lüftungssystem und erst vor wenigen Jahren wurden noch Millionen in ein neues Beschichtungszentrum sowie in Bildung und Schulung investiert. Da musste man doch zuversichtlich sein!

Kann man das einfach so hinnehmen? Gibt es bei ihnen Überlegungen, was sie unternehmen könnten, um vielleicht doch noch einmal diese Entscheidung zu beeinflussen, im Interesse der 480 Mitarbeiter, aber auch der Stadt und der Region?

Ziegler: Ich bin in Kontakt mit der Geschäftsleitung. Telefonisch habe ich ebenso Verbindung mit den Abgeordneten aufgenommen und da stellt sich die Frage, was wir über die Politik in München oder Berlin noch erreichen könnten. Gerade erst hat ja Ministerpräsident Markus Söder die Bedeutung der Automobilzulieferer herausgestellt. Deswegen will ich mich auch an die Bayerische Staatsregierung oder den Ministerpräsidenten wenden, inwieweit sie uns in dieser Sache unterstützen können.

Der Betriebsrat und die Mitarbeiter wollen sich nicht mit dieser Entscheidung abfinden. Wie sieht es bei ihnen aus? Werden sie dabei sein und den Widerstand unterstützen, der auch mit einem Aktionstag in dieser Woche zum Ausdruck gebracht werden soll, ?

Ziegler: Wenn es gewünscht wird, bin ich selbstverständlich dabei und sage meine Unterstützung zu. Ich pflege in diesen Tagen bisher schon sehr intensiven Kontakt mit dem Betriebsrat.

Sie leben mitten unter den Bürgern. Was hört man da von Leuten und wie ist die Stimmung in der Stadt? 

Ziegler: Viele Bürger und vor allem die betroffenen Arbeitnehmer sind natürlich schwer enttäuscht, ja schockiert. Sie haben teilweise vorgetragen, dass sie ihre Lebensplanung auf ihren Arbeitsplatz abgestimmt haben und gerade jetzt in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie Zukunftsangst haben. Sie meinen, es könne doch nicht sein, dass ein solches Unternehmen, das seit 80 Jahren in Eltmann seine Heimat gefunden hatte und erfolgreich war, plötzlich schließen will. Sie können es auch noch nicht glauben, denn Kugelfischer war für Eltmann eine große Familie und den Mitarbeitern immer verbunden. Die zunehmende Verlagerung von Produktionen ins Ausland stößt dabei auf große Kritik. Man versteht, dass sich Unternehmen weltweit aufstellen müssen. "Aber sie sollten nicht vergessen, wo sie ihre Wurzeln haben", sagte mir dieser Tage ein Bürger.

Durch die Schließung des Werkes wären zahlreiche Bürger ihrer Stadt direkt betroffen. Aber es betrifft ja darüber hinaus die ganze Region und auch andere Betriebe. Wie sehen sie das?

Ziegler: Wir haben in der Stadt rund 2100 Arbeitsplätze. Wenn nun 480 Arbeitsplätze aufgeben werden sollen, bedeutet das einen Verlust von rund einem Viertel. Und das ist enorm. Dazu hängen an einem solchen Großbetrieb ja auch noch Zulieferer und vor allem Handwerksbetriebe, die für Unterhalt- oder Reparaturarbeit eine nicht unerhebliche Zahl von Aufträgen laufend ausführen. Das gilt für die Bereiche Heizung und Sanitär genauso wie für Schlosser, Verputzer oder Maler. Damit sind als noch weit mehr Arbeitsplätze betroffen.

Auch der Betriebsrat suchte in den vergangenen Tagen immer wieder Kontakt mit dem Eltmanner Bürgermeister. Im Bild von rechts: Bürgermeister Michael Ziegler, Betriebsratsvorsitzender Uli Schöpplein sowie sein Stellvertreter Florian Gräf.
Foto: Günther Geiling | Auch der Betriebsrat suchte in den vergangenen Tagen immer wieder Kontakt mit dem Eltmanner Bürgermeister. Im Bild von rechts: Bürgermeister Michael Ziegler, Betriebsratsvorsitzender Uli Schöpplein sowie sein ...
Die Stadt war viele Jahre finanziell gesegnet durch die Gewerbesteuerzahlungen von Kugelfischer und Schaeffler. Wie würde sich die finanzielle Situation für die Stadt nach dem Wegfall der Steuer auswirken?

Ziegler: Schaeffler war für uns einer unserer besten Gewerbesteuerzahler, denn rund 25 Prozent unserer Einnahmen kamen von dieser Firma. Doppelt schlimm ist es für unsere Stadt, wenn gerade in einer Zeit, in der die Steuereinnahmen allgemein zurückgehen, auch noch der größte Steuerzahler wegfällt. Die Stadt Eltmann geht damit schwierigen Zeiten entgegen und nach Jahren einer guten Entwicklung muss man große Überlegungen anstellen, was man zukünftig noch investieren kann. Dazu zählen sicherlich die Frage nach der Sanierung des Schwimmbades und die Diskussion um ein Allianzbad, aber auch andere Wünsche.

Der hohe Fabrikschlot und das ebenso riesige Betriebsgelände von rund 140 000 Quadratmetern im Maintal wies in den vergangenen Jahrzehnten auf eine Weltfirma hin und die ganze Region war stolz auf diesen großen Arbeitgeber. Was soll wohl mit solch einem Gelände geschehen, wenn Schaeffler abzieht?

Ziegler: Noch ist es ja nicht so weit und wir wollen gemeinsam alles versuchen, das Unternehmen von diesem Schritt abzubringen und vielleicht doch noch zu einem Konsens zu kommen. Aber das Werksgelände gehört ja dem Unternehmen und da wäre es dann selbst gefordert. Für unsere Stadt ist aber besonders bedeutsam, dass das Schaeffler-Gelände das größte Grundstück in unserem Industriegebiet und damit wertvolles Industrieland ist. Es sollte also keine Fläche werden, die leer steht oder gar als Industriebrache vor sich hindümpelt.

 
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  • robert.erhard@gmx.de
    Die Ängste des Bürgermeisters sind voll nachvollziehbar!
    Allerdings muss man sich auch fragen, warum die Situation so ist, wie sie sich darstellt in der gesamten Metallindustrie.
    Jetzt wirkt sich aus, dass viele Menschen gegen den Diesel oder für Elektro auf die Straße gingen! Der Strukturwandel wird zwar kommen, aber wo war das Maß und die Diversifizierung?
    Rächt sich jetzt das maßlose Verhalten der Gewerkschaften und der Betriebsräte. In fast „erpresserischen“ Methoden wurde die Industrie in die Knie gezwungen und überzogene Lohnforderungen, Arbeitszeitreduzierungen oder sonstige sog. Errungenschaften durchgedrückt die den Wirtschaftsstandort die Attraktivität nehmen?
    Ist nicht trotz aller Schmerzen eine Verlagerung oder Schließung die logische Konsequenz?
    Warum zieht man die Gewerkschaften nicht zur Rechenschaft statt sich weiter mit ihnen abzugeben? Die Tarifautonomie ist längst persönlichen Interessen der Gewerkschaftsbosse oder Betriebsräte geopfert worden!
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