Wie im Rest von Deutschland streikten am Freitag auch im Landkreis Haßberge zahlreiche Mitarbeiter der Metallindustrie. Kundgebungen fanden bei Bosch Rexroth in Augsfeld und bei Schaeffler in Eltmann statt – wobei bei Schaeffler die eigentlichen Ziele der Warnstreiks, zu denen die IG Metall aufgerufen hatte, etwas in den Hintergrund gerieten. Denn hier kämpfen die Gewerkschaft und die Belegschaft derzeit vor allem um den Erhalt ihres Standortes, den das Unternehmen schließen will.
19 Millionen Perlen
"Ich bin nicht oft sprachlos, aber bei dem, was seit gestern passiert, fehlen mir wirklich die Worte", sagte Ulrich Schöpplein, Betriebsratsvorsitzender bei Schäffler in Eltmann, am frühen Nachmittag vor rund 250 versammelten Streikenden. Denn obwohl die Arbeitnehmervertreter dem Unternehmen sehr weit entgegengekommen seien, beharre der Konzern auf seinem Standpunkt.
Dabei hatte es Ende Februar noch einen Lichtblick gegeben: Zehn Werktage gab Schaeffler den Arbeitnehmervertretern Zeit, Ideen zu erarbeiten, wie sie die Arbeitgeberforderung in finanzieller Hinsicht erreichen könnten. Und die Ergebnisse seien "überwältigend" gewesen, sagte Schöpplein: Nach den Worten des Betriebsratsvorsitzenden hätten sie ein Potenzial von 19 Millionen Euro erarbeitet, die das Unternehmen bei einem Erhalt des Werks in Eltmann einsparen könnte - und das teilweise unter großen Opfern, die die Belegschaft dafür zu bringen bereit sei. "Wir haben 19 Millionen Perlen hingekippt, aber sie haben sie nicht aufgehoben", sagte Schöpplein.
Nicht alles passt in eine Excel-Tabelle
Auch Thomas Höhn von der IG Metall Schweinfurt lobte die Anstrengungen und die Bereitschaft der Eltmanner Mitarbeiter, Opfer für den Erhalt des Werks zu bringen. "Aber die Bedingungen sind schwierig", sagte er. Denn bei allem Einsparpotenzial bestehe das Unternehmen trotzdem darauf, dass der Erhalt des Werks mindestens so viel Geld bringen müsse wie eine Verlagerung der Arbeitsplätze nach Schweinfurt oder ein Umzug ins rumänische Brasov.
Hier bleibe eine Lücke, die sich nicht schließen lasse. "Aber da stehen Dinge dahinter, die man nicht in eine Excel-Tabelle eintragen kann", betonte Höhn. Denn auch die Motivation der Mitarbeiter sei durchaus ein betriebswirtschaftlicher Faktor. Weiter betonte Höhn, dass es bei der geplanten Schließung des Eltmanner Werks nicht nur um Eltmann selbst gehe: "Wir haben es auch mit einer Attacke auf den Standort Deutschland zu tun."
"Sie haben nicht nur an sich gedacht"
Auch Eltmanns Bürgermeister Michael Ziegler sowie Staatsministerin Dorothee Bär waren zum Schaeffler-Werk gekommen, um sich die Kundgebung anzuhören. Die beiden CSU-Politiker lobten ausdrücklich die Opferbereitschaft und den Einsatz der Belegschaft. "Sie haben dabei ja nicht nur an sich gedacht, sondern an den Standort und an die Firma Schaeffler", betonte Ziegler im Gespräch mit dieser Redaktion.
Dorothee Bär sagte ebenfalls im Gespräch mit dieser Redaktion, dass Schaeffler nun entsprechend reagieren müsse. "Wenn man so ein Angebot macht, dann muss man es auch ernst meinen", bemerkte sie über die Zeit, die das Unternehmen den Arbeitnehmervertretern gegeben hatte, um das Einsparpotenzial zu erarbeiten. "Ich hoffe sehr, dass diese zehn Tage nicht nur ein Placebo waren. So geht man mit Menschen nicht um."
"Schaeffler ist einfach ein Bestandteil von Eltmann"
"Wir sind seit Anfang September am kämpfen, dass der Standort erhalten bleibt", sagte die Staatsministerin, die selbst in Eltmanns Nachbarort Ebelsbach aufgewachsen ist. Weiter betonte sie, welche große Rolle das Unternehmen für den Ort spiele. "Schaeffler ist einfach ein Bestandteil von Eltmann. Das kann man sich gar nicht vorstellen, dass das mal nicht mehr da sein soll." Sie kenne zahlreiche Familien, von denen mehrere Generationen über Jahrzehnte in dem Werk gearbeitet hatten, viele seien extra wegen der Arbeitsplätze in die Region gezogen. "Mit dem Standort sind viele Biographien verbunden. Man darf auch nie vergessen, was der Faktor Mensch bedeutet."
Bereits am Vormittag hatten die Streiks im Landkreis Haßberge an einem anderen Standort begonnen: Knapp 100 Mitabreiter versammelten sich in Augsfeld vor den Toren von Bosch Rexroth. Dort sprach IG-Metall-Vertreter Matthias Gebhardt, der in der Kundgebung auch einen "solidarischen Gruß an die Kollegen in Eltmann" schickte. Ansonsten sprach er vor allem über die Ziele der Gewerkschaft im Tarifkonflikt mit den Arbeitgebervertretern.
Vor allem warfen Vertreter von Betriebsrat und Gewerkschaft in Augsfeld der Arbeitgeberseite vor, die Corona-Krise als Ausrede zu benutzen, um Einsparungen an den Gehältern zu rechtfertigen. Zwar habe es tatsächlich eine Krisenzeit mit Kurzarbeit gegeben, doch die sei vorbei, die Auftragslage wieder sehr gut. Den Unternehmen gehe es mit wenigen Ausnahmen gut, sagte Gebhardt und sprach unter anderem über hohe Dividenden, die auch in Corona-Zeiten ausgezahlt worden seien. "Wir wollen ein Stück von dem Kuchen, und das steht uns auch zu."
Allerdings zeigte er sich wenig optimistisch, was die kommenden Verhandlungen angeht, weshalb er den Streikenden sagte: "In zwei bis drei Wochen werden wir euch wohl wieder brauchen."