Für Wilfried Neubauer mag es ein Stück weit Genugtuung gewesen sein: Für seine Bereitschaft, die Geschäfte der Haßberg-Kliniken so lange weiterzuführen, bis die Chefposition neu besetzt ist, gab es am Montag im Kreisausschuss kräftigen Applaus. Denn Neubauer selbst wird die Nachfolge der im August ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden Vera Antonia Büchner nicht antreten - dagegen hatte sich der Verwaltungsrat am vergangenen Mittwoch mit deutlicher Mehrheit ausgesprochen. Der Beifall im Kreisausschuss galt aber auch Neubauers Einsatz und Erfolgen für die Haßberg-Kliniken insgesamt, deren Vorstand er seit Gründung des Kommunalunternehmens zum 1. Januar 2004 angehört.
"Eine Indiskretion, die wir so nicht hinnehmen können"
Der Verwaltungsrat tagt hinter verschlossenen Türen. Deshalb kritisierte es Landrat Wilhelm Schneider heftig, dass die Entscheidung in Sachen Neubauer schon kurz nach der Sitzung an die Öffentlichkeit gedrungen war. "Das ist eine Indiskretion, die wir so nicht hinnehmen können", sagte Schneider, ohne auszuführen, wie er als Verwaltungsratsvorsitzender auf das Durchstechen solcher Informationen reagieren will. "Das soll nicht heißen, dass wir die Öffentlichkeit nicht informieren wollten", führte der Landrat weiter aus, "sondern dass das Personal der Kliniken und des MVZ das erste Recht auf Information haben". Und zwar aus erster Quelle - viele Mitarbeiter hätten aber aus der Zeitung davon erfahren: Die Main-Post hatte bereits am Donnerstag (online) berichtet.
Am Montag nun trat der Landrat auch Befürchtungen entgegen, die Haßberg-Kliniken seien nun führungslos. "Unsere eigenen Führungskräfte führen die Geschäfte dankenswerterweise nahtlos weiter, bis die Nachfolge geklärt ist." Damit meinte er nicht nur Wilfried Neubauer, sondern auch den vormaligen Vorstandsvorsitzenden Stephan Kolck, der eigentlich im Frühjahr 2020 in den Ruhestand gegangen war. Kolck ist nach den Worten des Landrats unter anderem noch stark in die Planungen für den neuen OP-Trakt eingebunden.
Noch vor Beginn der Kreisausschuss-Sitzung am Montag hatte die Redaktion Gelegenheit, Landrat Schneider die Frage zu stellen, wie es denn nun bei der Suche nach dem Mann oder der Frau an der Spitze der Haßberg-Kliniken weitergehen soll.
Die Chefstelle wird neu ausgeschrieben
Die Antwort: Der Landkreis beziehungsweise das Kommunalunternehmen werden die Stelle nun neu ausschreiben. Dazu wollen sich die Verantwortlichen in Kürze intern beraten. Bislang hatten die Haßberg-Kliniken in Fachzeitschriften und auf einschlägigen Online-Plattformen versucht, potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten auf sich aufmerksam zu machen. Jetzt wird man sich überlegen, ob man auch noch andere Wege einschlägt und zum Beispiel Headhunter einsetzt, was aber viel Geld kosten würde.
"Die Spitzenposition in einem kleinen Haus zu besetzen ist grundsätzlich schwieriger", weiß Schneider, und auch, dass das nicht nur daran liegt, dass die großen Konzerne höhere Gehälter zahlen. Es liege auch an den großen Herausforderungen, vor denen die kleinen Kliniken stünden, die unbestritten nicht die Gewinner der Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre sind. Die bisherigen Bewerber hätten sich übrigens allesamt beeindruckt gezeigt von den vollzogenen und geplanten Strukturreformen der Haßberg-Kliniken, etwa der Zentralisierung der Chirurgie.
Die Führungsaufgabe an Externe zu vergeben, sprich an darauf spezialisierte Büros, und wenn auch nur vorübergehend, das will der Vorstandsvorsitzende nicht grundsätzlich ausschließen. Hetzen lassen mit der Nachfolge von Büchner wollen sich die Haßberg-Kliniken nicht - ohnehin schätzt Schneider, dass mindestens ein Dreivierteljahr vergehen wird, bis der neue Klinikchef oder die neue Klinikchefin ihr Amt antreten. Es braucht schon etwas Glück, dass dies noch in diesem Jahr geschieht, denn auch wer am liebsten sofort kommen würde, habe ja in der Regel Kündigungsfristen einzuhalten.
Der öffentliche Auftrag der Haßberg-Kliniken wird größer
Im öffentlichen Teil des Kreisausschusses am Montag ging es dann tatsächlich ausschließlich um die Haßberg-Kliniken. Zunächst befürwortete das Gremium einstimmig eine Veränderung der Unternehmenssatzung und des Öffentlichen Auftrags (Betrauungsakt). Hier sticht vor allem heraus, dass es das Kommunalunternehmen fortan nicht nur als seine Aufgabe sieht, die Notfall- und Krankenhausversorgung der Landkreisbevölkerung zu sichern.
Es bietet jetzt auch offiziell per Definition dort ambulante medizinische Versorgungsleistungen an, wo es sich "um Lückenschlüsse in der fachärztlichen Versorgung" handelt - gemeint sind im Wesentlichen die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Und es macht pflegerische Angebote dort, wo Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt und vor einer Anschlussheilbehandlung (Reha) nicht von ihren Angehörigen versorgt werden können; Stichwort Übergangs- und Kurzzeitpflege, wie sie laut Zukunftskonzept für den Standort Ebern vorgesehen ist. Der Kreistag muss den Veränderungen noch zustimmen.
Landrat darf 3,5 Millionen Euro Defizitausgleich zahlen
Anschließend ermächtigte der Ausschuss den Landrat wie in den Vorjahren, den Haßberg-Kliniken ohne großen Verwaltungsaufwand Zahlungen zum Defizitausgleich zu gewähren. Und zwar bis zur Höhe des im Haushaltsplan des Landkreises vorgesehenen Wertes von 3,5 Millionen Euro. Die Auszahlungen sind allerdings nur möglich, wenn der Kreistag dem Haushaltsplan 2022 zustimmt, was in früheren Jahren stets im Dezember des Vorjahres geschah, sich diesmal aber erst im Februar ereignen wird. Der Wirtschaftsplan der Haßberg-Kliniken geht von einem Jahresdefizit 2022 in Höhe von 4,36 Millionen Euro aus. Betriebskostenzuschüsse über die 3,5 Millionen Euro hinaus müsste der Kreistag dann zu gegebener Zeit eigens beschließen.