
Wer an Weinbau denkt, hat meist das Bild von Weinbergen im Kopf, wie sie auch in Unterfranken häufig zu finden sind: Draußen auf dem Land, weit entfernt von den Zentren der großen Städte. Doch wer hätte gedacht, dass ausgerechnet in der Metropole Nürnberg direkt unterhalb der Kaiserburg, also mitten in der Altstadt, Wein angebaut wird? An diesem besonderen Projekt des Weinfachberaters Patrik Fritz ist auch eine aus Haßfurt stammende Künstlerin beteiligt: Lisa Wölfel malt Bilder, die dann die Etiketten der Weinflaschen zieren sollen.
Filmemacher Norbert Goldhammer hat mit seinem Nürnberger Filmproduktionsbüro "Werksbild" nun eine Doku gedreht, in der er den Weingarten in der Altstadt und weitere Projekte in dessen Umfeld vorstellt. Darin wird auch Lisa Wölfel bei der Arbeit gezeigt. Der Film wurde im Frankenfernsehen ausgestrahlt, jetzt ist er auf YouTube zu sehen.
Ein Ort, an dem verschiedenste Menschen zusammenkommen
Bei den Weinstöcken unterhalb der Nürnberger Burg handelt es sich um die einzigen innerhalb der Stadtmauer. Seit 2017 baut Patrik Fritz an dieser Stelle Wein an. Eine originelle Idee, auch wenn er damit nicht der Erste ist: Erst nachdem er seinen Altstadt-Weinberg aufgebaut hatte, erfuhr er, dass vor 450 Jahren an der gleichen Stelle schon einmal Weinstöcke standen.
Im Jahr 2019 wurde dann der erste Jahrgang abgefüllt. Die Etiketten der Flaschen sollen Kunstwerke zieren, genauer gesagt: Porträts. Und das hat durchaus auch eine symbolische Bedeutung: "Wir wollten abbilden, wie es im Weingarten auch ist. Im Weingarten stehen verschiedene Rebsorten. Das ist ein gemischter Satz", erklärt Patrik Fritz in der Doku. Genauso sollen auch die Porträts der Serie "clos noris", die Lisa Wölfel malt, "verschiedenste Menschen von allen möglichen Berufssparten" zeigen.

"Das passiert auch oft, dass da echt die unterschiedlichsten Leute zusammenhocken", nennt Lisa Wölfel in dem Film eine weitere Verbindung zwischen den Bildern und dem Weinberg: Der Weingarten ist eine Begegnungsstätte für verschiedenste Menschen, und eben das sollen auch die Porträts abbilden. Die Bandbreite der Bilder reicht von einem Obdachlosen bis hin zum bekannten Kabarettisten Matthias Egersdörfer.
Auch Herman de Vries soll auf einer Flasche zu sehen sein
Gegenüber dieser Redaktion führt die Künstlerin weiter aus, wie die Modelle ausgewählt werden. So gehe es um "ein Abbild der Stadtgesellschaft mit all ihren Nuancen und Akteuren", ergänzt durch das Umfeld der Künstlerin und des Winzers sowie durch Menschen, die ihnen wichtig sind. Darunter sind somit auch einige Personen aus Lisa Wölfels alter Heimat im Landkreis Haßberge, wie der Künstler Herman de Vries, das Galeristen-Paar Eleonore und Egon Stumpf oder Lisas Eltern, denen die alteingesessene Haßfurter Buchhandlung Glückstein gehört. "Wir wollen die Vielfalt der Menschen, die sich am Weinberg trifft beziehungsweise treffen könnte, spiegeln."
Oft malt Wölfel diese Personen in deren eigenem Umfeld. Der Film zeigt die Künstlerin, wie sie ihre Schwester besucht und diese porträtiert. Das mobile Atelier ist dafür in deren Küche aufgebaut.
Eine Arbeitsweise mit viel Action und Bewegung
Das Bild, das dabei entsteht, ist erst einmal deutlich größer als es später auf den Flaschen zu sehen sein wird: Lisa Wölfel malt es mit Holzkohle auf grobem Jutestoff, der an einer Wand des Raumes aufgespannt ist – vom Boden bis auf eine Höhe von etwa zwei Metern. Diese Fläche nutzt die Künstlerin auch voll aus, so dass ihre Arbeit mit viel Bewegung verbunden ist.
Das kommentiert auch Harriet Zilch, die Leiterin der Kunsthalle Nürnberg, die Lisa Wölfel ebenfalls für ein Porträt dieser Serie Modell stand. Richtig bei der Arbeit zuschauen konnte Zilch der Künstlerin zwar nicht, da sie auf dem Bild von der Seite zu sehen ist, aber: "Ich habe natürlich gesehen, wie viel Bewegung und wie viel Action neben mir war und wie körperbetont auch gearbeitet worden ist."

Die Originale der "clos noris"-Porträts sollen voraussichtlich Ende des Jahres in einer Ausstellung zu sehen sein, in deren Rahmen dann auch eine Versteigerung der Weinflaschen mit den besonderen Etiketten stattfindet. Als Auktionator hat dafür bereits Matthias Egersdörfer zugesagt.
Von Hongkong bis Haßfurt: Wo Lisa Wölfels Werke zu sehen sind
Lisa Wölfel wuchs in Haßfurt auf. Nach einem Studium der Malerei in Nürnberg zog sie nach Leipzig, wo sie heute lebt und arbeitet – zumindest wenn sie nicht gerade ein Projekt an einem anderen Ort hat, wie die Porträtserie in Nürnberg. Eine große internationale Karrierechance ergab sich für die Künstlerin kürzlich durch die Gelegenheit, bei der "Art Central" in Hongkong auszustellen.
Doch auch in Franken sind ihre Werke immer wieder zu sehen, unter anderem ab Mai bei der Ausstellung "Locked out – Hier ist der Raum" in der St. Egidien Kirche Nürnberg oder bei der geplanten Ausstellung "Frauen.Taten.Werke" im Diözesanmuseum Bamberg. Im Frühjahr 2024 sollen Bilder von ihr dann auch wieder im Landkreis Haßberge zu sehen sein: Dann stellt sie zusammen mit ihrem Partner Michael Eppler im Rahmen der Reihe "Künstlerpaare" im Schloss Oberschwappach aus.
Und Lisa Wölfel empfiehlt gegenüber dieser Redaktion noch einen Ort im Landkreis Haßberge, an dem es immer wieder Werke von ihr zu sehen gibt: "In der Buchhandlung meines Vaters findet man übrigens auch meistens das ein oder andere Bild."
Wer sich die Dokumentation auf YouTube ansehen möchte, findet diese unter dem Suchbegriff "Fränkischer Satz – Die Renaissance des Weinbaus unter der Burg". Es gibt zwei Teile. Die Künstlerin Lisa Wölfel ist im zweiten Teil zu sehen.