
Für kreative Menschen klingt die Vorstellung, hauptberuflich als Künstlerin oder Künstler tätig zu sein, zwar verlockend. Viele scheuen den Schritt dann aber. Gerade das Umfeld schürt oft die Zweifel: Kann man davon überhaupt leben? Was das angeht, hatte Lisa Wölfel Glück: "Es gab immer Leute, die an mich geglaubt haben", sagt die Künstlerin.
Geboren wurde sie 1988 in Schweinfurt, aufgewachsen ist sie in Haßfurt, wo ihr Vater die Buchhandlung Glückstein führt. Dass sie als Buchhändlerstochter in einer kulturell sehr interessierten Familie aufgewachsen ist, habe sicher auch zu ihrem Werdegang beigetragen. Nach einem Studium der freien Malerei in Nürnberg zog sie nach Leipzig, wo sie einer sehr aktiven Künstlerszene angehört.
Grundstein auf dem musischen Gymnasium
Dass sich ihr Leben in diese Richtung entwickelt hat, mag auch ein Verdienst des Grundschullehrers Jörg Krug gewesen sein. "Der hat gesagt: Das Kind muss aufs musische Gymnasium", erzählt Lisa Wölfel. Und nachdem sie einmal vor Ort war, um sich ihre mögliche neue Schule selbst anzuschauen, stand auch für Lisa Wölfel schnell fest, dass das E.T.A. Hoffmann-Gymnasium in Bamberg genau das richtige für sie sein würde.
Auch das habe sie geprägt, da es dort viel "Platz für kreative Leute" gegeben habe. So war nach Abitur klar: "Ich wollte Kunst oder Schauspiel studieren." Zwar habe sie dann doch kurzzeitig versucht, etwas "Bodenständiges" zu studieren. "Aber im WG-Zimmer habe ich dann meine Bewerbungsmappe gemacht", erzählt sie. Mit dieser wurde sie dann auch zum Studium der Malerei angenommen.
Ein Künstler muss ein guter Organisator sein
"Das eigentliche Künstlersein kommt nach dem Studium", sagt Wölfel. Und dabei kommt es nicht nur darauf an, kreativ zu sein und Kunstwerke zu schaffen. Dazu kommen viele organisatorische Aufgaben, schließlich müssen sich die Schöpfer von Kunstwerken auch darum kümmern, dass ihre Werke in Ausstellungen zu sehen sind – nur so besteht auch die Chance, etwas zu verkaufen und von der Kunst leben zu können.
Das ist dann auch mit einer großen Unsicherheit verbunden. Für die selbstständige Künstlerin geht es von Bildverkauf zu Bildverkauf. "Ich weiß nicht, was ich nächsten Monat verdiene", sagt Lisa Wölfel. Viele, die mit ihr studiert haben, seien heute nicht mehr als Künstler tätig – zumindest nicht hauptberuflich.
Keine Ausstellungen – keine Bildverkäufe
Dennoch empfindet sie dieses Leben als lebenswert und vermittelt im Gespräch den Eindruck, dass sie das, was sie macht, mit Begeisterung macht – auch wenn das letzte Jahr kein leichtes war für selbstständige Kunstschaffende. Da aufgrund der Pandemie keine Ausstellungen stattfinden konnten, gab es auch kaum Gelegenheiten, Kunstwerke zu verkaufen. Wie soll ein Kunde auf ein Bild aufmerksam werden, wenn es nirgendwo zu sehen ist? Eine andere Möglichkeit, mit der Künstlerinnen und Künstler Geld verdienen können, war durch Corona stark eingeschränkt: Malerei-Kurse konnten ebenfalls nicht stattfinden.

Geholfen hat ihr über diese Zeit besonders ein Denkzeit-Stipendium. Mit diesem förderte die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen in der Corona-Zeit Künstlerinnen und Künstler, die in der Zeit ohne Einnahmen und Ausstellungen über mehrere Monate an einem großen Projekt arbeiten wollten.
Umso stressiger wird es jetzt allerdings für Lisa Wölfel, wenn alles wieder anläuft, denn nun finden diverse Ausstellungen, die die letzten Monate über verschoben werden mussten, geballt und gleichzeitig statt, so dass sie nun innerhalb von sehr kurzer Zeit gleich vier Ausstellungen organisieren muss.
Kontakt in die alte Heimat bleibt bestehen
Dass sie nach dem Ende ihres Studiums in Nürnberg ihren Lebensmittelpunkt nach Leipzig verlagert hat, habe mehrere Gründe, berichtet Lisa Wölfel. Nachdem sie die Zeit von 2009 bis 2017 in Nürnberg verbracht hatte, habe sie ihren Horizont erweitern und eine neue Stadt kennenlernen wollen. "Ich bin halt ein neugieriger Mensch", sagt sie. "Ich wollte keinen Stillstand." Dazu kommt, dass es gerade in Leipzig viel Zuzug von Künstlern gebe. Und gerade wer selbst neu an einem Ort ist, lerne dort auch schnell neue Leute kennen.

Dennoch hat Lisa Wölfel den Kontakt zu ihrer alten Heimat Haßfurt nicht verloren, und auch nicht zur Kunstszene im Landkreis Haßberge. So stellt sie regelmäßig in der Galerie im Saal in Eschenau aus und spricht sehr begeistert über Eleonore Schmidts-Stumpf und Egon Stumpf, die diese 1999 gegründet haben. 2015, als Wölfel noch im Studium war, wurde das Ehepaar Stumpf erstmals auf sie Aufmerksam, nachdem die Künstlerin einen Förderpreis der Nürnberger Nachrichten gewonnen hatte.
"2016 hatte ich meine erste Ausstellung dort. Seitdem arbeiten wir zusammen", erzählt sie. Vor allem gefalle ihr, dass das Eleonore und Egon Stumpf mit großer Leidenschaft bei der Sache seien, was die Kunst angeht. Eine besondere Gelegenheit boten ihr die beiden im Jahr 2020, als Lisa Wölfel selbst Kollegen einladen durfte. Was die Besucher der Ausstellungen im Haßbergkreis angeht, äußert sich die Künstlerin sehr positiv: "Es gibt dort viele kunstinteressierte Leute."
Auferstehung im Haßfurter Bibelkeller
In Haßfurt gibt es ein Bild von ihr dauerhaft zu sehen: Als Auftragsarbeit hat sie die Auferstehungswand im Bibelkeller gestaltet. Dabei, so erzählt sie, habe ihr besonders gefallen, dass die Auftraggeber ihr viel Freiheit bei der Gestaltung gelassen hätten. Und noch etwas habe ihr imponiert: Obwohl es sich um ein religiöses Motiv handelte, das sie für eine religiöse Einrichtung malen sollte, habe niemand gefragt, wie sie eigentlich selbst zu Kirche, Glaube und Religion steht.

Sogar das Landratsamt in ihrer ehemaligen Heimat ist auf Lisa Wölfel aufmerksam geworden. Die Behörde hat ein Bild der Künstlerin angekauft, ein Termin für die offizielle Übergabe steht allerdings noch aus. Horst Hofmann, Geschäftsleiter des Landratsamtes, bezeichnet Wölfel als "herausragende Künstlerin aus unserer Region" und betont, er freue sich über der Erwerb.
Wein aus der Nürnberger Altstadt
Und was sind Lisa Wölfels aktuelle Projekte? Ab dieser Woche sind Bilder von ihr in einer Ausstellung in der Galerie Irrgang in Leipzig zu sehen. An einem weiteren Projekt arbeitet sie gerade im Rahmen des Programms "Artists in Residence", das Künstlerinnen und Künstlern Wohnungen zur Verfügung stellt, so dass sie für einige Zeit in einer anderen Stadt als ihrem eigentlichen Wohnort leben und dort an einem größeren Projekt arbeiten können.

So arbeitet sie derzeit in Nürnberg mit dem Weinfachberater und studierten Philosophen Patrik Fritz zusammen. Der hat seit 2017 mitten in der Nürnberger Altstadt einen kleinen Garten, in dem er Wein anbaut, der in diesem Jahr erstmals präsentiert wird; Lisa Wölfel gestaltet dazu die Etiketten. Dafür soll es Verkostungen geben, bei denen die Künstlerin Teilnehmer porträtiert. Die Porträts, die dabei entstehen, sollen dann die Etiketten zieren. Sehr unterschiedliche Menschen sollen dann auf den verschiedenen Flaschen zu sehen sein. Mit dem Kabarettisten und Schauspieler Matthias Egersdörfer steht schon fest, dass mindestens ein prominentes Gesicht dabei sein wird.