Am 4. August bekam Landrat Wilhelm Schneider (CSU) mehrere tausend Unterschriften überreicht, denn in Ebern liefen gleich drei Petitionen zum gleichen Thema: Die Pläne des Landkreises Haßberge zur Zukunft der Haßberg-Kliniken. Jetzt folgte ein Brief des Aktionskreises "Rettet unser Krankenhaus" an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, Ministerpräsident Markus Söder sowie zahlreiche andere Politiker.
Bürgerinitiative fordert eine Verschiebung
In dem Schreiben fordert die Bürgerinitiative eine Verschiebung der geplanten "Aufgabe der stationären Chirurgie am Haus Ebern". Weiter heißt es, es sollten Gespräche mit benachbarten Gebietskörperschaften stattfinden, um eine finanzielle und organisatorische Zusammenarbeit zu erreichen. Der Brief trägt die Unterschriften der Initiatoren aller drei Petitionen.
Das Kommunalunternehmen Haßberg-Kliniken hat mit Haßfurt und Ebern zwei Standorte, doch viele Eberner befürchten, sie könnten "ihr" Krankenhaus bald verlieren. Landrat und Klinikvorstand planen eine Umstrukturierung der Kliniken, Kritiker werfen ihnen vor, dabei den Standort Ebern zu vernachlässigen und so auf längere Sicht dessen Schließung zu provozieren. In einer Stellungnahme macht Wolfgang Zirbik, einer der Petenten, seine Position deutlich.
"Haßfurt-First-Politik" auf Kosten Eberns?
Dem Landrat wirft Zirbik eine "Haßfurt-First-Politik" vor, also eine Bevorzugung der Kreisstadt gegenüber dem übrigen Landkreis. Dem widerspricht Wilhelm Schneider. Die Landkreispolitik habe immer den gesamten Landkreis im Blick. So nennt er große Investitionen wie Schulsanierung und Schwimmbadneubauten, für die der Landkreis in den letzten Jahren große Summen in Ebern investiert hat. "Es ist schade, dass die Diskussion zwischen Ebern und Haßfurt immer wieder aufkeimt. Fakt ist: Ebern wird vom Landkreis nicht stiefmütterlich behandelt, sondern in der Entwicklung bestmöglich unterstützt."
Bei den Haßberg-Kliniken ist geplant, die stationäre Chirurgie in Ebern zu schließen. Dafür wollen Landkreis und Klinikleitung Pflegeplätze am Krankenhaus schaffen. Die Idee dahinter: Gerade Pflegebedürftige benötigen viel medizinische Versorgung, warum also nicht beides an einem Ort haben? "Tatsache ist, dass die stationäre Chirurgie weniger Bedarf hat; dagegen haben wir bei der Übergangs- und Kurzzeitpflege einen hohen Bedarf", begründet der Landrat dieses Vorgehen.
Können Medizin und Pflege unter einem Dach funktionieren?
Doch die Kritiker sehen im Abzug der stationären Chirurgie eine Teilschließung. Wolfgang Zirbik zitiert Klaus Emmerich, Klinikvorstand im Ruhestand aus Sulzbach-Rosenberg und Initiator einer der beiden anderen Petitionen. Emmerich sei überzeugt, dass Medizin und Kurzzeitpflege gemeinsam in einem Haus nur schwer funktionieren: "Es sind zwei völlig unterschiedliche Einrichtungen, die beide als getrennte und mit eigenständigen Führungsstrukturen und Abrechnungsverfahren versehene Abteilungen zu sehen sind." Eine Zukunft habe das geplante Mischkonzept nur, wenn es den Status als Modellprojekt erhält.
Landrat Schneider betont, es sei auch das Ziel des Landkreises, den Status eines Modellvorhabens zu erhalten. Wolfgang Zirbik hingegen sieht die Chancen darauf als sehr gering an: Die Fördertöpfe seien überzeichnet, eine Förderung komme also frühestens ab 2022 in Betracht – wenn überhaupt.
Mitfinanziert über die Kreisumlage
Zirbik spricht außerdem das Defizit des Krankenhauses an, ebenso wie Fördergelder, die das Unternehmen erhält. Von den fünf Millionen Euro Defizit der Haßberg-Kliniken entfallen nach seinen Angaben 3,8 Millionen auf das Haus Haßfurt und 1,2 Millionen auf das Haus Ebern. Zirbik erwähnt außerdem eine Förderung von 16 Millionen Euro vom Freistaat Bayern für Baumaßnahmen im Haßfurter Krankenhaus, betont aber, die Arbeiten würden insgesamt mehr als 25 Millionen kosten. "Und hier greift die Haßfurt-First-Politik des Kreistages", schreibt Zirbik. Denn die Differenz würden auch Bürger aus anderen Teilen des Landkreises über die Kreisumlage bezahlen und damit die Kreisstadt mitfinanzieren.
Zirbik und andere fordern auch, das Krankenhaus Ebern müsse die Notfallstufe 1 erreichen. Diese gilt als Mindeststandard, um eine Versorgung von Notfallpatienten sicherstellen zu können. Landrat und Klinikleitung argumentieren, dass dies in Ebern finanziell nicht zu leisten sei. Kritiker betonen dagegen, gerade Krankenhäusern ohne Notfallstufe könnte bald die Schließung drohen.
Ein Krankenhaus mit zwei Standorten?
Insgesamt zeigt sich in dem Streit, dass beide Seiten unterschiedliche Auffassungen haben, um was es sich bei den Haßberg-Kliniken handelt. Aus Sicht des Landkreises ist das Kommunalunternehmen ein Krankenhaus mit zwei Standorten. Das würde bedeuten, das nicht alles, was ein Krankenhaus braucht, unbedingt in beiden Häusern vorhanden sein muss. Die Kritiker wollen die Haßberg-Kliniken dagegen als zwei Krankenhäuser mit einem gemeinsamen Betreiber verstanden wissen. In diesem Fall müssten beide Standorte voll ausgestattet sein.
Zirbik kritisiert in seiner Stellungnahme besonders aus Ebern stammende Kreisrätinnen und Kreisräte, darunter auch Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD), die die Krankenhauspläne mittragen. Hennemann hatte sich bereits mehrfach öffentlich zu den den Plänen zur Umstrukturierung bekannt: Es sei wichtig, den Klinikstandort bedarfsgerecht auszurichten, statt weiterzumachen, "bis es gar nicht mehr zu finanzieren ist".
Kritik an den Abgeordneten Bär und Vogel
Kritik äußert Zirbik auch an MdB Dorothee Bär und MdL Steffen Vogel (beide CSU), die sowohl im Kreistag sitzen als auch als Abgeordnete den Landkreis Haßberge vertreten. Ihnen wirft er vor, das Ende kleiner Krankenhäuser billigend in Kauf zu nehmen, wo sie doch die Gelegenheit hätten, Erleichterungen für diese zu erreichen.
Steffen Vogel war aufgrund seines Urlaubs nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Dorothee Bär entgegnet der Kritik, die Bundestagsfraktion von CDU/CSU setze sich sehr wohl für eine "bedarfsgerechte und flachendeckende Grund- und Regelversorgung in der Krankenhausplanung und insbesondere in der Krankenhausfinanzierung" ein. "Anfang 2020 hatte ich bereits unseren gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion nach Ebern eingeladen, um mit den Bürgerinnen und Bürgern über die künftige regionale Krankenhausversorgung sowie die Perspektiven für unser Krankhaus in Ebern zu sprechen."