Erst saß er für FDP/Freie Bürger am Haßfurter Ratstisch, dann für die Wählergemeinschaft (WG). Man könnte spötteln, dass es Hachem Farmand, seit der Stadtratssitzung an diesem Mittwoch offiziell parteilos, trotz seines fortgeschrittenen Alters noch gelingen mag, alle unter dem Rathausdach versammelten Fraktionen durchzuprobieren. Bis dann endlich die richtige dabei ist, zumindest die für die jeweilige Phase seines kommunalpolitischen Schaffens adäquate. Im Sinne der "Lebensabschnittspartei oder -gruppierung".
Aber Scherz beiseite: Farmands Entscheidung, der WG den Rücken zu kehren, lässt an der Lokalpolitik interessierte Kreisstadtbürgerinnen und -bürger durchaus die Stirn runzeln. Stimmt da etwas nicht innerhalb der Mehrheitsfraktion im Stadtrat - und möglicherweise im Gremium insgesamt?
Es gab ja erstaunliche Wechsel in der jüngeren Vergangenheit: CSU-Hoffnungsträger Michael Spies "konvertierte" 2019 zur WG, CSU-Urgestein Norbert Geier folgte ihm ein Jahr später. Willibald Geuppert, bis Mittwoch einziger parteiloser Stadtrat, hatte früher das WG-Trikot an, war einst sogar deren Vorsitzender.
Eigentlich soll doch das Parteibuch eh keine große Rolle spielen
Kann es also sein, dass hier wie dort die Strukturen verkrustet sind? Dass also amibitionierte Stadträtinnen und Stadträte das Gefühl haben, sich schon in den eigenen Reihen nicht so einbringen zu können, wie sie es gerne würden? Oder anders herum: Gelingt es CSU und WG nicht, allzu ehrgeizige Mitglieder einzufangen, so dass diese schließlich ausreißen? Eigentlich heißt es ja, das Parteibuch spiele gerade in der Kommunalpolitik keine große Rolle und dürfe es auch nicht; das macht die vielen Überläufe in Haßfurt umso erstaunlicher.
Dagegen ist Günther Werners Schritt von 2013, aus der SPD auszutreten, und für die WG als Bürgermeister zu kandidieren, verständlich: Er wollte nun mal Rathauschef werden. Aber in der Haßfurter Sozialdemokratie war für ihn am Kandidaten auf Lebenszeit Stephan Schneider kein Vorbeikommen.
Weniger verständlich, wenngleich demokratisch legitimiert: Dass heute alle drei Bürgermeister der WG angehören, weil Norbert Geier seinen Stellvertreterposten von der CSU mitgenommen hat. Hachem Farmand führt das als einen der Gründe an, warum er seiner politischen Heimat den Rücken kehrt. Es ist eine Konstellation, die vielen Menschen in Haßfurt nicht behagt und die in der lokalpolitischen Landschaft vielleicht mehr Schaden anrichtet, als es die drei Bürgermeister und ihre Fraktion jemals zugeben würden.
Und schließlich ist da noch Farmands Kritik, die großen Projekte in der Kreisstadt gingen nicht voran. Stillstand, das ist in der Tat ein Gefühl, das viele Haßfurterinnen und Haßfurter beschleicht, wenn sie daran denken, was sich in ihrer Stadt tut und tun müsste. Es geht zu wenig vorwärts in Haßfurt, lautet der Vorwurf an Rathaus und Stadtrat.
Um dieser Depression entgegenzutreten, wäre ein "Pack'mers wieder-Signal" des Haßfurter Stadtrats angesagt. Gemeinsam die Ärmel hochgekrempelt und auf geht's, quer über alle Fraktionen hinweg: Frischer Wind ist allemale besser als Fraktionswechsel.