
Florian Schuler aus Gädheim hat Kopfschmerzen. Nicht wortwörtlich, sondern im übertragenen Sinne. Der Bauer, der seine Landwirtschaft und Tierhaltung 2017 von konventionell auf Bio umgestellt hat, weiß aktuell nicht, wie es für ihn und seinen Betrieb weitergeht. Grund dafür ist eine Verordnung der EU-Kommission, die seit Anfang dieses Jahres in Deutschland greift. Und nicht nur dem 37-Jährigen, sondern auch weiteren Berufskolleginnen und -kollegen in der Region ordentlich Kopfzerbrechen bereitet.
Vereinfacht gesagt regelt die Verordnung, dass die Landwirte ihren Pflanzenfressern, also den Rindern, Schafen und Ziegen, nun je nach Jahreszeit verpflichtend den Zugang zu einer Weidefläche gewähren müssen. Und das führt bei so einigen Ökobetrieben im Haßbergkreis zu Problemen. Denn nicht jeder von ihnen kann seine Tiere so einfach auf die grüne Wiese schicken – und damit die Öko-Verordnung umsetzen. Einigen fränkischen Biobauern und -bäuerinnen droht nun der Schritt zurück zur konventionellen Landwirtschaft.
Nicht jeder hat eine Weidefläche direkt hinter dem Hof
"Man hat in den letzten Jahrzehnten dem Verbraucher suggeriert, dass eine Bio-Kuh immer auf der Weide steht. Dem ist aber nicht so, gerade bei uns in Franken", erklärt Schuler. Ein Grund dafür sei beispielsweise die fränkische Realteilung. "Über Generationen wurden bei den Bauern landwirtschaftliche Flächen vererbt. Nicht jeder Erbe bekam aber ein ganzes Feld, sondern nur einen Teil davon." Die Flächen wurden somit immer kleiner und zerstückelter. Nicht jeder Biobetrieb habe heute also eine geeignete Weidefläche, die dann auch noch direkt hinter dem Hof liegt.

Kritik an der Verordnung kommt derzeit auch vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), der in einer Pressemitteilung Vertrauensschutz für Biomilchbetriebe statt ausnahmslosen Zwangsausstieg fordert. Viele Biomilcherzeuger stünden vor unüberwindbaren Problemen, heißt es darin. "Für mindestens ein Viertel der Biomilcherzeuger in Süddeutschland bedeutet diese Weideverpflichtung das Aus ihrer Biomilcherzeugung", prognostiziert BDM-Vorstand Manfred Gilch.
"Die Bio-Ausbauziele – auf EU- und Deutschland-Ebene 25 Prozent Ökoflächenanteil bis 2030, für Bayern 30 Prozent, rücken in unerreichbare Ferne", heißt es auf der Website des Bayerischen Bauernverbands (BBV) zum Thema. Betriebe, die ihre Flächen jahrzehntelang ökologisch bewirtschaftet haben, würden nun nicht nur den Bio-Milchpreisaufschlag, sondern auch die Öko-Flächenprämie verlieren, da sie die Weidehaltung nicht einhalten könnten. Der Ökolandbau werde um mehr als ein Jahrzehnt zurückgeworfen.
Beide Verbände nennen vor allem infrastrukturelle Gründe als Problem. Das ist auch in Schulers Fall so. "Strukturelle Gegebenheiten, wie hier bei uns im fränkischen Raum, wurden missachtet", ärgert er sich. Zwar hätte der dreifache Vater Flächen in einiger Entfernung zum Hof zur Verfügung. Beispielsweise unterhalb der Ortschaft im Maintal oder knapp einen Kilometer vom Betrieb entfernt in Richtung Schweinfurt.
Die Kuh durchs Dorf treiben? Nicht in Gädheim
Doch wie kämen die Kühe jeden Morgen dorthin? Und wie jeden Abend wieder zurück in den Stall? "Ist es für mich zumutbar, meine Kühe durchs Dorf zu treiben, unter der B26 und der Eisenbahnlinie hindurch, in der Hoffnung, dass keine von ihnen auf die Straße geht, damit ich sie unten im Maintal weiden lasse?" Nein, findet der Landwirt.

Im Frühjahr, sobald es die Witterung zulässt, müsste Schuler seine Kühe auf die Weide schicken. Oder besser gesagt die Weideflächen. Der Landwirt bräuchte getrennte Areale für Kühe, die gemolken werden, Kälber, und Tiere, die gerade keine Milch geben. Es wären mehrere Hektar Land, die er noch umzäunen müsste – was Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich mit sich bringen würde. Auch wären weitere Arbeitskräfte nötig, die sich um den Viehtrieb kümmern und sicherstellen, dass mit der Weidehaltung alles passt, ist er überzeugt. Wie er es dreht und wendet, Schuler kann nur den Kopf schütteln.
Unklarheit bei Witterungsverhältnissen, Krankheiten und trächtigen Tieren
"Ich bin nicht per se gegen die Weidehaltung", das stellt der Landwirt im Gespräch mit der Redaktion immer wieder klar. Er findet jedoch, dass es eine Regelung brauche, die Sinn ergibt, wirtschaftlich tragbar ist, dem Tierwohl nützt. Und die individuell auf den Betrieb, und auf das, was dort möglich sei, ausgerichtet sein müsste.
Die Verordnung, die Schuler und seiner Kollegenschaft nun im Nacken sitzt, schreibe zwar so einiges vor – beispielsweise, wann Kühe aufgrund der Witterung nicht auf die Weide müssten. Doch wann ist so eine Weide zu trocken, wann ist der Boden zu nass? Auch hier fehlen Schuler klare Regularien.

Ausnahmen seien zwar möglich. "Beispielsweise bei Seuchengefahr, wenn amtlich angeordnet wird, dass die Tiere im Stall bleiben müssen", erklärt Schuler. Auch kranke Tiere und die, die kurz vor der Geburt stehen, müssten nicht auf die Weide. Wie lange die Ausnahmen gelten, das sei nicht klar definiert. "Reden wir hier von zwei Tagen vorher und nachher oder von acht Tagen?", fragt sich der 37-Jährige. Es ist eine von vielen Fragen, die sich der Landwirt derzeit stellt.
Verunsicherung auch bei den Schmitts in Limbach
Auch am anderen Ende des Maintals, knapp 30 Kilometer flussaufwärts, fehlen dem Ehepaar Luitgard und Manfred Schmitt klare Antworten, die regeln, wie es für ihren Öko-Betrieb weitergeht. 1984 hat Schmitt den Hof von seinen Eltern übernommen, im Jahr darauf stellte er den Betrieb um, seit 1986 ist er bei Bioland.

Rund 45 Tiere stehen hier, am Ortsrand von Limbach, in einem Außenklimastall. Sie sind hier zu allen Jahreszeiten der Witterung ausgesetzt, können sich in die Sonne oder den Regen stellen oder unter einem Dach bleiben. Doch durch die Vorgaben könnte die Herde bald erstmal auf die Hälfte schrumpfen. Das Problem: Die 22 Jungkühe, die die beiden dort in mehreren Gruppen halten, müssten von nun an, ebenso wie die älteren Milchkühe, vom Frühjahr bis zum Herbst auf die Weide. Nur dann bleibt der Betrieb weiterhin Bio. Doch dafür haben die Schmitts nicht ausreichend Platz.
Weg mit dem Nachwuchs also? Das brächte Folgen für die Kreislaufwirtschaft auf dem Hof mit sich, erklärt der 69-Jährige. Denn die Menge an Weide, Futter und Mist sei genau auf Mutterkuh und Jungvieh ausgelegt, auf die konkrete Anzahl der Kühe. "Ich verstehe es nicht. Wir haben ein funktionierendes, gutes System." Die Regelung sei nicht schlecht gemeint, aber schlecht umgesetzt. Die neuen Vorgaben "sind für uns ein Schlag ins Gesicht", sagt der Landwirt.
Limbacher Bauern hoffen auf Ausnahmeregelung
Die beiden hoffen nun auf eine Ausnahmeregelung für den fränkischen Raum und auf eine Übergangsfrist. In diesem Jahr müssen die Landwirte das Weidekonzept vorlegen, ab 2026 muss es realisiert sein. In wenigen Jahren wollen sie ihren Hof jedoch dem Sohn übergeben, berichtet die 63-Jährige. Auch darum wollen die beiden jetzt keine grundlegenden Änderungen vornehmen oder große Investitionen tätigen. Er soll entscheiden, wie es weitergeht. Und ob er künftig überhaupt noch Tiere hält. "Es ändert sich alle paar Jahre was, die Planungssicherheit ist nicht mehr gegeben", merkt sie an.

Die neuen Bio-Richtlinien wirken sich zudem auch auf den Geldbeutel der Ökolandwirte aus. Wer die Richtlinien nicht mehr umsetzen kann, dem fehlen künftig die Bio-Fördergelder aus dem bayerischen Kulturlandschaftsprogramm, also dem "KULAP". Und wer dagegen verstößt, dem drohen nicht nur Sanktionen, sondern im Wiederholungsfall auch die Rückzahlung bereits erhaltener Subventionen.
Viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie es mit ihren Betrieben weitergeht, haben die Schmitts und auch Schuler nicht mehr. Bis Mitte Mai müssen sie ihrem zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) mitteilen, ob sie Biobauern bleiben – oder sie ihren Betrieb sanktionsfrei auf konventionelle Landwirtschaft umstellen.
Ist jetzt Schluss mit Bio? Für die Limbacher Bauern ist das undenkbar. "Dass wir jetzt nach 40 Jahren aus Bio rausfliegen sollen, das ist doch Irrsinn", ärgert sich Schmitt. Und auch Schuler möchte nicht zur konventionellen Landwirtschaft zurückkehren. "Aus wirtschaftlicher Sicht wird es die Option sein, die wir vielleicht wählen müssen", sagt Schuler dazu. "Überzeugt bin ich davon nicht."
Die Grenzertragsböden werden sich erholen und wo bisher nur mit viel Dünger aufgepäppelte Monokulturen wuchsen wird die Artenvielfalt wuchern.
Klar, Futter braucht auch der Mensch, aber Ihr Argument mit der Artenvielfalt taugt halt gar nicht.
Auf Deutschen Äckern gibt es nirgendwo Monokultur.
Dominierend (und gar nicht anders möglich für Flächen, für die Prämien ausgezahlt werden) sind Fruchtfolgen. Per Definition das genaue Gegenteil von Monokultur.
Dann gibt es noch Dauerkulturen (Wein, Hopfen) oder eben Grünland(Futterflächen für Vieh). Nichts davon ist Monokultur.
Aber wenn wir hier weniger erzeugen (weil das als gut für Klima und Umwelt dargestellt wird), werden die fehlenden Erzeugnisse aber dennoch gebraucht werden.
Folglich müssen sie irgendwo anders stattdessen erzeugt werden. ZUSÄTZLICH zur bereits vorhandenen Erzeugung dort.
Dazu werden neue Plantagen (häufig Monokultur) geschaffen, wo heute noch Ur- und Regenwald "im Weg" steht.
Dummerweise ist das höchst klimaschädlich und vernichtet den mit Abstand Artenreichsten Lebensraum überhaupt.
Dazu müssen die Produkte noch über den Ozean zu uns.
Unterm Strich gut für Arten und Klima ?
Nö.
dass die EU Politik für (riesen)große Strukturen macht - auch im Bio-Sektor.
Die Kapitalgesellschaften, die zu Wendezeiten für'n Appel und'n Ei die LPG's übernommen haben, sind jetzt fein raus, die Familienbetriebe, die schon immer sehen mussten wo sie blieben werden endgültig abgehängt. Und wieder engt sich der Kreis der Leute, die überhaupt noch Geld in der Landwirtschaft verdienen, um einen Tacken ein, und wieder kann man auf die fiesen Grünen schimpfen, obwohl die bei der EU im Endeffekt nichts zu sagen haben. Aber um sie als Sündenbock hinzustellen, während man seiner Klientel die Knete zuschanzt, dafür taugen sie bei den Konservativen. Kein Wunder, wenn sich die Normalbürger/innen immer mehr auf den Arm genommen fühlen und "Protest" wählen - aber das macht, wie man im Bundestag bereits gesehen hat, den Konservativen auch nicht wirklich was. Man wird sich schon arrangieren - Hauptsache die Kasse stimmt...
Oder?
Kommt noch gelegentlich vor, aber der Normalfall ist das schon seit vielen Jahren nicht mehr.
Mit Abstand die meisten Rinder werden in Laufställen gehalten. Anbindehaltung wird kaum noch betrieben. Am ehesten noch die sogenannte Kombihaltung, wo die Tiere zum Beispiel in der Alpenregion den Sommer über auf den Bergen sind und im Winter zurück in den (alten) Stall kommen müssen (Schnee und so). Betriebsgrößen, Bauvorschriften, beengte Lagen, fehlende Wirtschaftlichkeit usw stehen dem Umbau zu Laufställen im Wege.
Neue Anbindeställe werden aber nicht mehr gebaut. Das läuft also ohnehin aus.
Sowohl in Bio, als auch in Konvi.
Na ja. "Zum Stichtag 1. März 2020 wurden in Bayern noch 14.090 Anbindehalter ermittelt, das sind 56,3 Prozent bezogen auf die Gesamtzahl der ermittelten Milcherzeugerbetriebe."
In % der Tiere sieht es ganz anders aus.
Und zudem ist 2020 nun schon 5 Jahre her
"Eine neue Forsa-Umfrage im Auftrag der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kommt nun zu dem Ergebnis, dass das vielen Menschen nicht schnell genug geht. Auf die Frage unter 1.002 Personen, wie sie eine Erlaubnis der Anbindehaltung für weitere zehn Jahre finden, antworteten 84 %, dass sie es für falsch halten. 11 % hielten es für richtig, 5 % machten keine Angabe oder waren unschlüssig"
https://www.topagrar.com/rind/news/bueger-wollen-schnelles-verbot-der-anbindehaltung-d-20008497.html
Und ich verrate Ihnen etwas: Nahezu 100% der Anbindehalter hätten lieber einen anderen Stall.
Aber aus genannten Gründen ist für die zumeist der Laufstall oder die Ganzjahresweide keine erreichbare Alternative.
Kommt das Verbot, gehen all die Tiere direkt zum Schlachter.
Das lässt sich noch rechtfertigen, wenn dann jemand anderes im Dorf mit einem anderen Stall die Flächen (zum Beispiel Almen) weiterbewirtschaftet.
Fatal wird´s, wenn es den nicht gibt und deshalb das Grünland aus der Nutzung fällt.
Da hat noch keiner eine schlüssige Lösung für.
Außer dass man die Kulturlandschaft veröden lässt und die fehlende Milch nebst Rindfleisch dann halt aus Südamerika kommt.
In der Forsa Umfrage wurde halt nicht mit abgefragt, ob den Befragten die Folgen des Verbots lieber wären. Dann wäre das ganz anders ausgegangen.
Die werden dann auf Bundesebene für Deutschland "übersetzt", aber die tatsächliche Umsetzung verantwortet das Bundesland. Oder warum, glauben Sie, leisten wir uns den Luxus eines eigenen bayerischen Landwirtschaftsministeriums? Damit die nette Frau Kaniber immer gut frisiert in die Kamera lächeln kann, wenn es was umsonst gibt? Sicher nicht.
Beschweren Sie sich doch mal bei denen!
im EU-Parlament haben die Konservativen die Mehrheit und lassen sich von den Grünen erzählen, was in den zu verabschiedenden Vorlagen drinzustehen hat?
Ich bin ziemlich überzeugt, dass in sagen wir 50 Jahren ungefähr 80 - 90% der Europäer/innen bei einer entsprechenden Umfrage angeben werden, unsere(!) Generation hätte viel(!) zu wenig für den Schutz der Lebensgrundlagen und somit bezahlbare Lebenshaltungskosten unternommen.
Leakage Effekt.
Längst nicht alles, was oberflächlich grün erscheint, ist es in der Gesamtauswirkung auch.
Die Alternative ist ein Unterbietungswettkampf der EU-Länder bei den Umwelt- und Verbraucherschutz-Standards? Da ist mir die aktuelle EU - zwar nicht perfekt - aber lieber. Und auch der Wirtschaft sind beim Export gemeinsame Standards lieber als jede Individuallösung eines EU-Landes.
Nicht Man hat das den Verbrauchern suggeriert, das waren schon die verschiedenen Verbände der Biobauern.
Jetzt gibt es halt endlich verbindliche Vorschriften zur Bio Tierhaltung und das ist gut so. Bisher konnte ja sogar Anbindehaltung "Bio" sein.
https://www.geo.de/natur/tierwelt/so-viel-verbotene-haltungsform-steckt-in-bio-joghurt-34849654.html
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Dass man in seiner Werbung das Positive hervor hebt, ist ganz normal. Daraus erschließt sich keine Pflicht, dass dies in allen Fällen genau so und nicht anders sein muss (überlegen Sie mal, wie viele Reklamationen und Schadensersatzansprüche es gegen Persil gäbe, weil die Wäsche mit schwierigen Flecken eben doch nicht so strahlend weiß wird).
Entscheidend sind die Regularien. Die sind öffentlich einsehbar, die Einhaltung wird regelmäßig in den Betrieben abgeprüft. Und da stand nichts drin, dass Weidehaltung verpflichtend wäre.
Nun wird das erzwungen und Erzeuger, die das nicht umsetzen können, womöglich erst vor wenigen Jahren im guten Glauben Millionen in tip top Tiergerechte Ställe investiert und alles richtig gemacht haben, werden nun eiskalt abserviert.
"Bio" sollte auch für "fair" stehen.