
Vielen Menschen in Unterfranken wird der 9. Juli 2021 noch lange in schlimmer Erinnerung bleiben. An diesem Tag führten Starkregenfälle vielerorts zu Überschwemmungen. Gewässer traten über die Ufer, Ortsstraßen standen unter Wasser, Keller liefen voll. Auch Kommunen im Landkreis Haßberge waren schwer betroffen, die Bürgermeister verwendeten damals im Gespräch mit der Redaktion Worte wie "Katastrophe" oder "Jahrhunderthochwasser".
Die Nachwirkungen beschäftigen bis heute vielerorts die Rathäuser sowie die Stadt- und Gemeinderäte: Die Kommunen wollen ihren Hochwasserschutz verbessern, um zu verhindern, dass sich Ereignisse wie im Sommer 2021 wiederholen. Doch welche Maßnahmen sind die richtigen? Und woher soll das Geld dafür kommen? In der Gemeinde Knetzgau und ihren Ortsteilen ist das ein großes Thema. Dort war im Sommer 2021 vor allem das Wasser, das vom Knetzberg herunterkam, ein Problem.
Keine Planung ohne ein "positives Signal der Gemeinde"
So kam der Hochwasserschutz auch kürzlich wieder in der Gemeinderatssitzung zur Sprache – wenn auch nur kurz. Auf der Tagesordnung hatte das Thema nicht gestanden, doch Nina Köberich (Grüne) verwies unter dem Punkt "Sonstiges" auf die Initiative "boden:ständig" der bayerischen Verwaltung für ländliche Entwicklung und legte der Gemeinde nahe, mit deren Hilfe den Hochwasserschutz zu verbessern.

Im Gespräch mit der Redaktion verweist Köberich später auf die "Interessengemeinschaft Hochwasserschutz Gemeinde Knetzgau". Deren Mitglieder seien auf boden:ständig aufmerksam geworden. Die Planung möglicher Hochwasserschutzmaßnahmen übernehme dabei das Amt für ländliche Entwicklung. Das sei "eine super Entlastung für die Kommunen", sagte Köberich in der Gemeinderatssitzung. Aber: Bevor die Planung richtig beginnen könne, brauche es "ein positives Signal der Gemeinde".
Bürgermeister will sich nicht zu Dingen äußern, die noch nicht spruchreif sind
"Ich möchte da nicht zu viele Hoffnungen wecken", entgegnete Bürgermeister Stefan Paulus (CWG/SPD) auf Köberichs Ausführungen. Er betonte, im Rathaus werde bereits an Möglichkeiten zur Verbesserung des Hochwasserschutzes gearbeitet. "Wir werden zum Jahreswechsel was vorstellen", versprach er. Weiter ging er nicht auf das Thema ein – weder in der Sitzung noch später im Gespräch mit der Redaktion, denn er wolle sich nicht zu Dingen äußern, die noch nicht spruchreif sind. Die Bevölkerung werde zu gegebener Zeit in Bürgerversammlungen und Gemeinderatssitzungen informiert.
Doch so lange will die Interessengemeinschaft (IG) Hochwasserschutz nicht warten und kündigt für die kommende Woche eine Infoveranstaltung für die Bevölkerung an – auch mit Verweis darauf, dass es beim diesjährigen Hochwasser nur durch die schnelle Reaktion der Feuerwehr gelungen sei, schlimmere Folgen zu verhindern.
Interessengemeinschaft fordert ein "konstruktives Miteinander"
Die IG hatte sich Anfang 2023 gegründet. Um die "Mammutaufgabe" des Hochwasserschutzes anzugehen, "müssen Bevölkerung und Verwaltung an einem Strang ziehen", hieß es damals in ihrer ersten Pressemitteilung. "Hier ist ein konstruktives Miteinander gefragt."

Trotz dieser versöhnlichen Formulierungen in offiziellen Verlautbarungen schwingt in Gesprächen mit Mitgliedern und Unterstützern der IG oft eine gewisse Skepsis gegenüber dem Bürgermeister und der Verwaltung mit. Zu lange sei zu wenig passiert und Paulus informiere nicht oft genug über den Stand der Planung, so die Kritik, die manche offen äußern, während sie bei anderen nur zwischen den Zeilen mitschwingt. Mit einer Bürgerversammlung zum Thema war es der Gemeinde im März 2023 gelungen, zwischenzeitlich ein wenig Druck herauszunehmen, doch mittlerweile ist die Kritik wieder lauter geworden.
Ein Zusammenschluss von Menschen, die vor Ort Probleme lösen wollen
Doch was verbirgt sich hinter der Initive "boden:ständig", in die manche in Knetzgau und den Ortsteilen nun so große Hoffnungen setzen? Die Initiative bezeichnet sich auf ihrer Website als "Praxisplattform für Boden- und Gewässerschutz". In deren Projekten engagierten sich "Menschen, die vor Ort selber konkret an der Lösung eines Problems arbeiten". Matthias Schwemmlein von der IG Hochwasserschutz verweist auch darauf, dass für boden:ständig-Projekte meist 75 bis 85 Prozent Förderung durch das Landwirtschaftsministerium möglich seien.
Das große Ziel: Das Wasser soll nicht auf einmal in den Kanal laufen
Schwemmlein berichtet, die Interessengemeinschaft habe bereits Kontakt zu boden:ständig hergestellt. Erste Gespräche hätten ergeben, dass die Initiative durchaus bei der Verbesserung der Situation in den Knetzgauer Ortsteilen helfen könne. Um allerdings in die konkrete Planung zu gehen, brauche es eine Beauftragung durch die Gemeinde.

"Der Wasserrückhalt steht im Vordergrund", beschreibt Schwemmlein, um welche Art von Maßnahmen es gehe. Eine Möglichkeit sei die Wiederherstellung natürlicher Bachläufe mit mehr Windungen, als sie viele begradigte Gewässer derzeit haben. Ziel sei vor allem, dass nicht das gesamte Wasser auf einmal in den Kanal läuft, was – wie 2021 – zum Überlaufen des Kanals führen würde.
Gut für niederschwellige Maßnahmen, aber kein Allheilmittel
Einer, der bereits auf boden:ständig gesetzt hat, um in der eigenen Kommune den Hochwasserschutz zu verbessern, ist der Thereser Bürgermeister Matthias Schneider (CSU). Und er kann in diesem Zusammenhang durchaus von positiven Erfahrungen berichten: "Das ist ein wunderbares Instrument für niederschwellige Maßnahmen", sagt Schneider im Gespräch mit der Redaktion. Gleichzeitig warnt er aber davor, zu große Hoffnungen in die Initiative zu setzen.
Sobald es um Gewässer Dritter Ordnung – also etwas größere Bäche – geht, kämen die Möglichkeiten von boden:ständig an ihre Grenzen, da die Maßnahmen dann oft größer seien als die mögliche Förderung. In solchen Fällen seien oft die Fördermöglichkeiten durch das Wasserwirtschaftsamt besser geeignet.
Eine komplexe Thematik, die Zeit braucht
Schneiders Ausführungen und auch die Internetseiten verschiedener Ämter und Ministerien machen vor allem eines deutlich: Die Planung und Finanzierung von Hochwasserschutz ist eine hochkomplexe Thematik, sodass Gemeinden genau abwägen müssen, mit welchen Anbietern und welchen Fördertöpfen sie am ehesten einen effektiven und für sie erschwinglichen Schutz bekommen. So zeigt der Thereser Bürgermeister auch Verständnis dafür, dass sein Knetzgauer Amtskollege in diesem langwierigen Prozess Zeit brauche.
Und noch etwas gibt Schneider zu bedenken: Im Hochwasserschutz hänge vieles davon ab, wie viel Wasser die Böden aufnehmen können. Und das hänge nicht nur an Ämtern und Fördermitteln, sondern auch an den Menschen vor Ort. "Wenn es uns nicht gelingt, die Landwirte zu überzeugen, in der Bodenbearbeitung mitzuziehen, sind uns die Hände gebunden."
Die Informationsveranstaltung der IG Hochwasserschutz findet am Donnerstag, 27. Juni, um 19 Uhr im Pfarrsaal Knetzgau statt.