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Zeil
Historischer Rückblick: Als der Ölschock 1973 den Haßbergkreis traf – und die Menschen das Auto stehen lassen mussten
Die Suche nach und die Sorge um Öl trieb die Menschen um. Autofahren durfte an den autofreien Sonntagen nur der, der eine Ausnahmebescheinigung hatte.
Die Sonntagsfahrverbote wurden wegen der anhaltenden Ölkrise angeordnet. Bundesstraßen und Autobahnen wurden damals zu übergroßen Gehsteigen (Archivbild).
Foto: Michael Moesch, dpa | Die Sonntagsfahrverbote wurden wegen der anhaltenden Ölkrise angeordnet. Bundesstraßen und Autobahnen wurden damals zu übergroßen Gehsteigen (Archivbild).
Ludwig Leisentritt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:23 Uhr

Die Verknappung des Erdöls durch die arabischen Staaten stürzte vor genau 50 Jahren die Industrienationen in die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Mit einem Schlag war der Lebensnerv der meisten Industrieländer getroffen. Die deutsche Bundesregierung reagierte am 25. November 1973 gemeinsam mit anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft mit einem Autofahrverbot an vier Sonntagen.

Am 27. November 1973 schrieb das Landratsamt Haßberge an sämtliche Städte, Gemeinden und Schulverbände, dass die Produktions- und Lieferbeschränkungen der erdölproduzierenden arabischen Staaten zu Schwierigkeiten bei der Versorgung führten. Das Amt forderte dazu auf, unverzüglich den bestehenden Bedarf an Erdölprodukten festzustellen und noch am nächsten Tag dem Landratsamt zu melden. Zwei Tage später kündigte das Amt an, dass man damit rechnen müsse, dass bei der Versorgung mit Rohöl und Mineralöl-Produkten in nächster Zeit Kürzungen von 15 bis 20 Prozent eintreten würden.

Darauf wollte das Landratsamt Dienstfahrten mit Autos nur noch zulassen, wenn aus zwingenden Gründen die öffentlichen Verkehrsmittel nicht genutzt werden könnten. Der damalige Zeiler Bürgermeister Rudolf Winkler stellte nur für sechs Autobesitzer der Stadt eine Ausnahmegenehmigung aus. An die Bevölkerung erging der Aufruf, alle Möglichkeiten der Zusammenlegung von Dienstfahrten auszunutzen. Die Bundesregierung erließ damals eine Geschwindigkeitsbegrenzung: maximal 100 Stundenkilometer auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen.

Kühle und dunkle Räume durch Sparmaßnahmen

Die Heizungen in den Diensträumen mussten während der Arbeitszeit heruntergedreht werden. Und in zeitweilig nicht genutzten Räumen, Hausgängen und Treppenhäusern sollten die Temperaturen auf ein Minimum herabgesetzt werden. Auch die Beleuchtung sollte sparsam verwendet werden und die Nutzung von elektrischen Heiz- und Kochgeräte war tabu.

Sonntagsfahrverbot: Am 25. November 1973 kontrollieren Polizisten bei Köln die wenigen Autos, die unterwegs sind. Haben die Fahrer wirklich alle eine Ausnahmebescheinigung?
Foto: Roland Scheidemann, dpa | Sonntagsfahrverbot: Am 25. November 1973 kontrollieren Polizisten bei Köln die wenigen Autos, die unterwegs sind. Haben die Fahrer wirklich alle eine Ausnahmebescheinigung?

Um Kraftstoff zu sparen, wurden die Bediensteten auch aufgefordert, ihren privaten Energieverbrauch der angespannten Versorgungslage anzupassen. Das Landratsamt empfahl die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder die Bildung von Fahrgemeinschaften. Durch gleichmäßiges Fahren, Verzicht aufs Überholen und Vermeidung von Leerlauf, sollte Kraftstoff eingespart werden.

Nutzung des ÖPNV als gutes Beispiel

Die Behörden befürchteten, dass bei einer Fortdauer des Sonntagsfahrverbotes Kritik an der Ausnahmeerteilung für öffentliche Bedienstete geübt werden würde. Man empfahl daher diesem Personenkreis, mit gutem Beispiel voranzugehen und öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Die Stadt Zeil stellte Ausnahmebescheinigungen an die beiden örtlichen Bestattungsunternehmen Schorr und Hetterich aus. Außerdem erhielten die Gastronomen Göller, Streit (Sennhütte) und Jacobson (Hotel Kolb) Ausnahmebescheinigungen. Sie beschränkten sich im Wesentlichen darauf, Personal in Schonungen, Ziegelanger und Limbach abzuholen und wieder zurückzubringen. Eine weitere Sondergenehmigung erhielt die Gärtnerei Burger, um mit ihren Lkw Christbäume zum Weihnachtsmarkt auf den Marktplatz zu befördern.

Hohe Umsatzeinbußen in den Gaststätten

Nach zwei Wochen Sonntagsfahrverbot befragte das Haßfurter Landratsamt die Kommunen zu den Auswirkungen der mangelnden Energieversorgung in einzelnen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft. Insbesondere im Bereich des Fremdenverkehrs gab es Umsatzeinbußen. So verzeichneten die Gaststätten Göller und Streit einen Umsatzrückgang von 60 Prozent, das Hotel Kolb von 50 Prozent.

Die Zuckerfabrik Franken stand wegen der Versorgung mit schwerem Heizöl mit den höchsten Stellen in Verbindung. Man ging davon aus, dass die Versorgung bis zum Ende der Kampagne sichergestellt werden könne. Eine Produktionseinschränkung bei anderen Zeiler Firmen war wegen Rohstoffmangels nicht festgestellt worden.

Am 2. Dezember 1973 gab es zum zweiten Mal ein sonntägliches Fahrverbot. So blieben auch an diesem Tag die Autobahnen leer, wie hier bei Duisburg.
Foto: Horst Ossinger, dpa | Am 2. Dezember 1973 gab es zum zweiten Mal ein sonntägliches Fahrverbot. So blieben auch an diesem Tag die Autobahnen leer, wie hier bei Duisburg.

Die autofreien Sonntage waren in ganz Deutschland eine Attraktion. Die Menschen begaben sich auf die sonst so viel befahrenen Straßen und Autobahnen. Auch die Bundesstraße zwischen Eltmann, Zeil und Haßfurt war bevölkert wie auf einem Jahrmarkt.

Hunderte Meter tief in den Erdboden: Ölbohrungen in Eltmann

1959 hatten so manche Personen gehofft, dass bei Eltmann Öl gefunden würde. Ganz in der Nähe der heutigen Autobahnauffahrt, östlich des alten SC-Sportplatzes, versuchte die Bohrfirma "Gewerkschaft Brigitta Hannover" nach Öl zu bohren.  In 1400 Meter Tiefe wollte man fündig werden. Mitte Dezember dieses Jahres stand auf dem Grundstück Bendel der Bohrturm. Die Bohrstelle war von Geologen sorgfältig ausgesucht worden. Insgesamt waren bei der Versuchsbohrung 20 Mann beschäftigt. Der Stadtrat mit Bürgermeister Schömig an der Spitze verfolgte das Unternehmen hoffnungsvoll.

Zu Beginn des Jahres 1960 waren die Bohrungen bereits auf eine Tiefe von 950 Metern vorgedrungen. Erdöl fand man keines. Das Motto beim traditionellen Faschingsball des TV 1866 Eltmann war dann auch: "Auf den Ölfeldern von Eltmann." Die Einladungskarten kündigten an, dass sich in der "Bier- und Ölraffinerie Drei Kronen" bekannte Öl- und sonstige Götzen ein Stelldichein geben werden. Neben Ibn Saud, zu der Zeit König von Saudi-Arabien, wurden auch Öl-Mogul Rockefeller und Aristoteles Onassis, der unter anderem mit dem Öltransport per Schiff zu seinem Reichtum kam, angekündigt.

Der Bohrturm bei Eltmann war nur eine Episode.
Foto: Heiner Schneier | Der Bohrturm bei Eltmann war nur eine Episode.

Doch schon Anfang März räumte die Bohrfirma ihre Geräte wieder ab. Der Erfolg blieb aus. Ein positives Bohrergebnis hätte für den Raum Eltmann und den Landkreis weitreichende Folgen gehabt. In einigen Teilen der Republik, wie im Emsland, in der Lüneburger Heide, in Holstein, Nordbaden und im Alpenvorland, gibt es – wenn auch in relativ geringem Ausmaß – Erdölvorkommen.

Die Geologen der Bohrfirma werden wohl gewusst haben, warum sie 1959/60 ausgerechnet bei Eltmann Erdöl vermuteten. Dem Vernehmen nach wurden für dieses Projekt auch beträchtliche Zuschüsse bewilligt. Vermutlich war dies der letzte Versuch, zwischen Bad Kissingen und Nürnberg nach Öl zu suchen. 

Schon 1948 ging die Nachricht durch die Presse, dass bei Oberscheinfeld (Lkr. Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim) Erdöl gefunden worden sei. Die ganze Gegend wurde von einem Öl-Fieber erfasst. Im Geiste sahen viele bereits die Ölfördertürme aus dem Boden wachsen. Doch es stellte sich heraus, dass das gefundene Öl ein Industrieerzeugnis und kein natürliches Erdöl war.

Anfang der 50er Jahre beschäftigte sich der bekannte Geologe Professor von Freyberg aus Erlangen mit der "Erdölhöffigkeit" im Steigerwaldgebiet. 1932 hatte bereits der bekannte Erdölfachmann Professor Bentz aus Hannover die Möglichkeit der Ölführung in Unterfranken untersucht.

Im Grunde schloss dieser Experte schon damals weitgehend aus, dass in dem von ihm untersuchten Gebiet Gräfendorf-Bad Kissingen-Mellrichstadt Aussicht auf Ölvorkommen bestehe. Man hoffte jedoch auf eine stärkere Gesteinsentwicklung in einem gegen den Steigerwald hin sich anschließenden Spezialbecken.

Es schien möglich, dass unter dem mächtigen Muschelkalk und Buntsandstein Zechstein mit Bitumenführung liegen könnte. Zu diesem Zeitpunkt war das ganze Gebiet zwischen Rhön und Nürnberg bei den Geologen noch völlig unbekannt.

Nachgewiesen sind allerdings Steinkohlenvorkommen am Fuße der Haßberge bei Leinach und Sulzfeld. Die Würzburger Regierung veranlasste schon 1738, in diesem Bereich den Abbau vorzunehmen. Die Grube mit dem Namen "Anfang mit Gott" wies jedoch nur ein Steinkohleflöz von etwa 30 Zentimeter Stärke auf. Die Abbauwürdigkeit war auf die Dauer zu gering. Noch einmal förderte man bei Stadtlauringen um 1820 das schwarze Gold zutage. Diese Kohle wurde insbesondere von den Schmieden bevorzugt verwendet.

Erfolgreicher war dagegen der Abbau von Kohle im oberfränkischen Stockheim. Als mit dem Bau der Eisenbahn der Transport der billiger zu fördernder Kohle möglich war, schwand das Interesse an den bescheidenen Kohlevorkommen in den hiesigen Gefilden.

Lkw fuhren mit Holzvergasern

Die ältere Generation kann sich noch an die Zeit erinnern, als man Autos auch mit Holz in Bewegung setzen konnte. Als während des letzten Krieges, und auch noch danach, der Sprit knapp war, fuhren im Landkreis die wenigen noch vorhandenen Lkw zumeist als sogenannte Holzvergaser. In den 70er Jahren war dies jedoch kein Weg mehr, die Ölkrise zu bewältigen.

Die ersten Automobile tankten in Zeil in der Apotheke Speth. Die Familie Speth
hat die Kanne bis heute aufbewahrt.
Foto: Ludwig Leisentritt | Die ersten Automobile tankten in Zeil in der Apotheke Speth. Die Familie Speth hat die Kanne bis heute aufbewahrt.

Öl spielt erst in neuerer Zeit eine herausragende Rolle. Die Menschen im 19. Jahrhundert benötigten lediglich kleine Mengen Petroleum für die Beleuchtung. Zum Schmieren der Feuerspritzen und der Kirchturmuhren verwendeten die Kommunen, wie zum Beispiel Ziel, zumeist Klauenfett vom Metzger. Als 1886 das Automobil erfunden wurde, sagte Kaiser Wilhelm: "In fünf Jahren wird keiner mehr vom Automobil reden. Ich setze aufs Pferd."

Doch der Kaiser irrte sich. Nach der Jahrhundertwende durchfuhren erstmals Benzindroschken die Region. Tankstellen gab es damals noch nicht. In Zeil mussten sich die "Automobilisten" in der an der Durchgangsstraße liegenden Apotheke Speth mit Treibstoff versorgen. Noch 1950 waren im Bereich des heutigen Landkreises nur rund 500 Personenwagen registriert. Im Jahr der Ölkrise waren es bereits 18.800. Und laut der jährlich erscheinenden Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes waren es im Landkreis Haßberge am 1. Januar dieses Jahres 59.661 zugelassene Personenkraftwagen. 

Plötzlich fuhren die Kutschen mit Benzin...
Foto: Familie Hußlein, Eltmann | Plötzlich fuhren die Kutschen mit Benzin...

Mit der Motorisierung wurde Öl zum Schrittmacher einer neuen Zeit. Die durch die Ölkrise ausgelöste weltweite Rezession führte zu Anstrengungen, vom arabischen Öl-Tropf loszukommen. Die Förderung alternativer Energiearten, aber auch die Favorisierung der Kernenergie und damit auch der Bau des Kernkraftwerkes in Grafenrheinfeld, waren nur einige der Konsequenzen aus der Energiekrise vor 50 Jahren.

Als die Menschen dem Öl-Fieber verfielen

Die Vorstellung, in unseren Fluren Erdöl zu finden, war damals gar nicht so abwegig. In den 50er Jahren grub ein Zeiler Landwirt im Bereich des heutigen stadtnahen Kreisels an der Haßfurter Straße ein Loch, um einen Baum zu pflanzen. Während der Mittagszeit, in der sich der fleißige Mann nach Hause begab, goss ein Spaßvogel Altöl in die Mulde. Als der Bauer zurückkam, war er völlig außer sich. Er dachte wirklich, er sei auf Öl gestoßen und wäre jetzt ein reicher Mann.
Quelle: Ludwig Leisentritt
 
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