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Gipsabbau war nur eine Episode
Während der Raum Hofheim in den kommenden Jahren zur Bergbauregion werden könnte, endete die Gipsförderung bei Westheim in den 1960er Jahren früher als gedacht. Die Vorkommen in der Region sind seit langem bekannt – und wurden genutzt. Bei Eichelsdorf gab's Gipsmühlen schon vor über 100 Jahren.
Da ging's hart zur Sache: Die Brecheranlage brachte die ungleichen Felsbrocken auf den Rost eines Hammerwerkes und zerschlug sie.
| Da ging's hart zur Sache: Die Brecheranlage brachte die ungleichen Felsbrocken auf den Rost eines Hammerwerkes und zerschlug sie.
Von Ludwig Leisentritt
 |  aktualisiert: 14.08.2012 12:04 Uhr

In Eltmann kein Erdöl und in Westheim zu wenig Gips, das waren die Enttäuschungen der 1960er Jahre. Denn 1959/60 bohrte eine Firma in Eltmann vergeblich nach Öl und 1967 musste in Westheim nach nur sechs Jahren die Gipsförderung aufgegeben werden. Seit dem Jahr 2009 wird nun im Raum Hofheim über die Möglichkeit eines Gipsabbaues diskutiert. Noch ist nicht sicher, ob der Hofheimer Raum demnächst eine Bergbauregion wird, obwohl die Umgebung reich an Gipsvorkommen zu sein scheint. Neu ist die Erkenntnis indes nicht, denn bereits im Jahr 1802 werden in Eichelsdorf Gipsbrüche und Gipsmüller erwähnt und 1824 heißt es in einer Beschreibung des Untermainkreises: „Gyps bricht man bei Hofheim und Oberlauringen.“

Im Jahr 1861 konstatierte der Hofheimer Amtsarzt Dr. Michael Eugen Goy: „Am meisten ergiebig ist der Gyps in dem zwischen Hofheim und Eichelsdorf befindlichen Gypsbruch.“ Vor 100 Jahren waren hinter Eichelsdorf noch Gipsmühlen in Betrieb. Das gewonnene Mahlgut wurde damals jedoch hauptsächlich von den Bauern als Dünger auf nasse Felder und Wiesen verwendet.

Infolge ausgelaugter Gipsnester im oberen und unteren Gipskeuper kam es einige Male zu Erdeinbrüchen, wie dies zum Beispiel 1926 bei Junkersdorf geschehen ist. Es war dies innerhalb von zwei Jahrzehnten in der Nähe der Ostheimer Höhe der dritte derartige Einbruch. Wie es damals hieß, sei dies in solchen Gebieten eine ziemlich häufige Erscheinung, und auch in jüngster Zeit kam es wiederholt zu derartigen Erdbewegungen.

Große Erfahrungen mit dem Abbau von Gips sammelte man auch im Raum Westheim-Donnersdorf. Im Sommer 1959 hatte auf Betreiben des Westheimer Bürgermeisters Oswald Beckert die Firma Knauf aus Iphofen in der Flurabteilung „Eichelberg“ mit den Bohrungen nach Gips begonnen. Im Flurdreieck Eschenau-Oberschwappach-Westheim wurde ein Gipsvorkommen vermutet, das mehreren Generationen Beschäftigung und Gewinn in Aussicht stellte. Neu war die Entdeckung des weißen Goldes auch hier nicht, denn schon 200 Jahre früher waren die „Gypssteine“ und das Gipsbrechen und -brennen bei Westheim bekannt, wovon auch der Flurname „Gipsgraben“ kündet.

Beim Pflügen am Eichelberg waren immer wieder Gipssteine zutage gefördert worden. Damals brachte man die Fundstücke korbweise auf den Markt und entdeckte das weiße Gold als eine willkommene Einnahmequelle. Abnehmer waren vor allem Glasbläser die den Gips als Beimischung für die Glasschmelze benötigten. Es entstand sogar ein kleines Gipsereigewerbe. Kilian und Nikolaus Engel firmierten noch 1926 – Letzterer noch in den 50er Jahren – als Gipser. In den Nachbarorten war für diese Westheimer – ähnlich wie in Zeil – der Scherzname „Ipser“ gebräuchlich. Am Fuße des Eichelberges wurden in einer Brennhütte die Gipssteine in einem Holzfeuer gebrannt. Das Produkt fand vor allem für Estrichbeläge in den Dachböden landwirtschaftlicher Anwesen Verwendung. Solche Böden galten als ideal für die Aufschüttung des gedroschenen Getreides.

Die ersten Arbeiten am Gipsberg in Westheim dienten lediglich für eine Analyse der Gipsfelsen. Bei den Probebohrungen stieß man in einer Tiefe von bis zu neun Metern auf Gipslagerstätten. Man schätzte das Gipsvorkommen auf sechs Millionen Tonnen und bei einer Ausweitung in Richtung Oberschwappach sogar auf 18 bis 20 Millionen Tonnen. So ging man davon aus, dass in diesem Gebiet die Firma mindestens 100 Jahre Gips abbauen könnte. In der Umgebung hofften die Gemeinden auf zahlreiche dauerhafte Arbeitsplätze, und Westheim rechnete damit, notwendige öffentliche Bauvorhaben und Maßnahmen der Infrastruktur verwirklichen zu können.

Im November 1961 wurde im Bereich der Gemeindeflur zwischen der Straße nach Eschenau und Oberschwappach mit der Gipsförderung begonnen. Zu Beginn lag das gipshaltige Gestein knapp unter der Ackeroberfläche. Doch bald wuchsen die Abraumberge, deren ausgebeuteter Boden nach etwa fünf Jahren wieder der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden sollte. Mit Hilfe von Sprengungen wurden auch Schächte und Stollen angelegt, um eine Ausbeute auch unter Tage vornehmen zu können.

1962 förderte man mit zehn Arbeitern aus Westheim täglich etwa 300 Tonnen Rohgips. Zum Einsatz kamen auch 200 PS starke Raupenfahrzeuge. Von Anfang an war geplant, den zutage geförderten Gips von Knetzgau aus auf dem Wasserweg zu verfrachten. Das Unternehmen Knauf begann daher mit der Errichtung einer 80 Meter langen Verladerampe bei Knetzgau. Doch die verkehrenden Motorschiffe konnten anfangs wegen der noch nicht vollendeten Staustufe nur mit geringerer Last beladen werden. Alle zwei Tage sollte ein Schiff Main abwärts fahren.

Gerade der Abtransport des Materials auf dem Wasserweg nach Iphofen, und später nach Frankfurt, machte den Betrieb in Westheim rentabel. Alles deutete auf ein zukunftsträchtiges Unternehmen hin, das sogar während des gesamten Jahres seine Arbeitskräfte zu beschäftigen versprach. Im Sommer sollte der Gips über Tage und im Winter ein Stollen in den Eichelberg den Abbau unter Tage ermöglichen. Nebenbei stellte der Schiffsverkehr eine rege Geschäftstätigkeit in Aussicht.

Der Gipsabbau endete im Jahr 1966 frühzeitiger, als man es voraussah. Der Grund war, dass die Gipsschichten immer mehr in die Tiefe verliefen. Zuletzt war der Abraum über den gipshaltigen Lagen immer höher und der Abbau daher unwirtschaftlich geworden. Schließlich war der geplante Untertageabbau wegen des löcherigen und hohlen Gebirges nicht durchzuführen. Die in Westheim Beschäftigten wurden nach Königshofen abgeordnet, wo die Firma Knauf gerade die größte Bandstraße für Gipsplatten in Europa startete. Ab 1967 setzte die Firma den Gipsabbau im nahen Donnersdorf fort. Bis nach etwa 20 Jahren auch hier die Gipsförderung eingestellt werden musste. Dem Vernehmen nach soll dort zuletzt das Grundwasser Schwierigkeiten bereitet haben.

1969 übernahm eine Landmaschinenhandlung die Gebäude und die Anlagen des Gipswerkes Knauf in Westheim. Heute befindet sich dort der Entsorgungsbetrieb Persch.

Rund um den Gips I

Die Ipser Der Hausname Ipser für eine Zeiler Familie Namens Ankenbrand geht auf die Beschäftigung mehrerer Generationen als Gipser zurück. Ältere Zeiler kennen diesen Namen noch. Der Ursprung reicht über 200 Jahre zurück. 1796 war Johann Ankenbrand von Lisberg nach Zeil übergesiedelt. Seine Heiratserlaubnis mit der Einheimischen Barbara Ammon erhielt er nicht zuletzt deshalb, weil er offenbar mit der Herstellung von Estrich-Gipsböden einem in Zeil willkommenen Gewerbe nachging. Vermutlich hatte er vorher nach ortsnahen Gipsvorkommen gesucht. Von seiner Profession war er so überzeugt, dass er sich erlauben konnte, gegenüber den Zeiler Ratsherren forsch aufzutreten. Vor Abstimmung über seine Bürgeraufnahme höhnte er in den Wirtshäusern: „Die sehenden Ratsherren habe ich auf meiner Seite, ich möchte aber, dass für mich auch die blinden stimmen.“

Figuren Die in der Zeiler St. Michaelskirche in den Wandnischen platzierten lebensgroßen Statuen von Thomas Wagner sind aus Lindenholz geschnitzt. Einem Laien mögen sie jedoch als Gipsfiguren erscheinen. Einer damaligen Mode entsprechend wurde die Oberfläche solcher Statuen oft dünn mit Gips beschichtet, polierweiß übermalt und mit Gold verziert.

Rund um den Gips II

Stuckarbeiten

In den Barock-Zeiten des 18. Jahrhunderts war der Bedarf an Gips für die Stuckarbeiten in Kirchen und Schlössern groß. In den Zeiler Rechnungen von 1760/61 taucht auch der gipsreiche Ort Zell am Ebersberg als Lieferant auf. Der dortige Caspar Lauterweck lieferte für die Stuckarbeiten in der St.-Michael-Kirche fast 70 Zentner Gips. Für das Gipsgraben wurde Peter Lang aus Prappach entlohnt und für das Stoßen des Gipses der Zeiler Hans Ziehr. Bezahlt werden musste auch die Überfahrt über den Main. Schließlich kaufte man bei der Witwe Koch das Holz zum Gipsbrennen. Den Zeller Gips verwendete man 1784 auch bei der Renovierung der Haßfurter Ritterkapelle. Gut für den Wein

Winzer schätzen gips- und kalkreiche, warme Böden, auf denen neben Edelobst auch Weinreben gut gedeihen. Es heißt, Gipskeuperböden, die am Tag viel Wärme aufnehmen und nachts wieder abgeben, brächten vorzügliche markige und herzhafte Weine hervor. Bergleute Die heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute. Ende 1962 stellten sich die Westheimer Werksangehörigen mit ihren Frauen im Knauf-Werk Seinsheim unter ihren Schutz. Die Stollen in Westheim reichten damals bereits rund 40 Meter tief in den Berg.

Aufgelöst: Nach der Stilllegung wurde das Gipswerk abgebrochen.
Foto: Archiv Ludwig Leisentritt | Aufgelöst: Nach der Stilllegung wurde das Gipswerk abgebrochen.
Anschaulich: So zeichnete ein Schullehrer im Jahr 1962 die Arbeitsweise des Westheimer Gipswerkes.
| Anschaulich: So zeichnete ein Schullehrer im Jahr 1962 die Arbeitsweise des Westheimer Gipswerkes.
 
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