Dass es ein leiser Abschied war, hat nicht nur mit der Corona-Pandemie zu tun, die persönliche Begegnungen stark einschränkt. Dr. Raphael Kupietz, fast zwölf Jahre lang Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe, wollte bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst bei den Haßberg-Kliniken jetzt zum 1. Juni keinen großen Bahnhof. Nicht das übliche Pressefoto mit dem Klinikvorstand und dem Landrat als Vorsitzendem des Verwaltungsrats. Und nicht die in diesem Rahmen eigentlich selbstverständlichen Dankesworte. Das verwundert.
Bloß keine Abschiedsfeier
"Eine Feier kommt für mich nicht in Frage", sagte der 67-Jährige dieser Tage zur Redaktion. Kupietz wirkt sehr zurückhaltend, aber Bescheidenheit ist nicht der Grund, warum er ohne Brimborium in den Ruhestand übergetreten ist. Eher Enttäuschung über seinen Arbeitgeber. Aber auch hier gibt sich Kupietz wortkarg.
Seine Begründung liefert er mit nur vier Wörtern: "Ich wollte nicht gehen." Kupietz hätte gerne noch einige Zeit weitergearbeitet, mindestens bis Jahresende. Chefärzte dürfen ihren Job bis zum 72. Lebensjahr ausüben. Viele Patientinnen hätten fest darauf vertraut, dass er sie noch operiere - ganz abgesehen von seiner noch immer ungeminderten Leidenschaft für den Beruf. Schon im vergangenen Jahr hätten sich die Haßberg-Kliniken gerne von ihm getrennt. Seine designierte Nachfolgerin sagte dann aber kurzfristig ab. Da wurde er wieder gebraucht, bis er dann per E-Mail von seinem Nachfolger erfahren habe.
Kupietz mag das Hin und Her um seine Vertragsverlängerungen - zuletzt soll es gar um Monate oder Wochen gegangen sein - als ungerecht und erniedrigend empfunden haben. Nicht nur, weil seine hohe fachliche Qualifikation anerkannt und unbestritten ist. Und sich seine "Gyn" bis heute bei Frauen in der Region großer Beliebtheit erfreut.
Maßgeblich zum Erhalt der Abteilung beigetragen
Sondern, weil er selbst maßgeblich dazu beigetragen hat, dass es die Geburtsabteilung am Krankenhaus Haßfurt überhaupt noch gibt. Im Mai 2017 hatte der Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken angesichts des Millionendefizits des Kommunalunternehmens beschlossen, die Abteilung aufzulösen. Der Chefarzt selbst soll im Urlaub per WhatsApp davon erfahren haben.
Dass Gebärende auch in Zukunft noch nach Haßfurt gehen können, lag damals am massiven Widerstand in der Bevölkerung, auch die Hebammen kämpften medienwirksam gegen die Schließung. Kaum bekannt ist hingegen, dass Raphael Kupietz quasi hinter den Kulissen eigene Kontakte bis hin zur damaligen Gesundheitsministerin Melanie Huml nutzte, um auf die Ausweglosigkeit der kleinen Geburtenabteilungen aufmerksam zu machen, die ohne Hilfe unmöglich rentabel arbeiten können. Als der Freistaat dann aufgrund der Haßfurter Erfahrungen das „Zukunftsprogramm Geburtshilfe“ auflegte, wurde das vor allem dem Stimmkreisabgeordneten Steffen Vogel zugeschrieben - auch deshalb, weil sich Kupietz selbst nie dazu äußerte.
Wieder deutlich mehr Geburten in Haßfurt
Geknüpft ist die Millionenförderung aus München daran, dass mindestens die Hälfte aller Haßberglerinnen, die ein Baby bekommen, zur Geburt nach Haßfurt gehen. Die Voraussetzungen erfüllen die Haßberg-Kliniken inzwischen alle Male, zudem ist hier die Zahl der Geburten seit der Diskussion um die "Gyn" wieder deutlich gestiegen auf zuletzt 429 (2020).
Eigentlich eine Erfolgsgeschichte für den Mann an ihrer Spitze und seine Mitstreiter. Und so dankt Dr. Kupietz auch allen Wegbegleitern, ob es seine Ärzte sind, das Pflegepersonal, die Hebammen und alle sonstigen Angestellten in seinem Umfeld. Auch an die Zeit mit dem vormaligen Klinikvorstand Stephan Kolck denkt der Chefarzt a. D. gerne zurück, mit dem zusammen er die Geburtshilfe modern ausgerichtet habe. Nur den jetzigen Vorstand will der Arzt, der Zehntausende Geburten betreut hat, mit keinem Wort erwähnen.