Wer will es ihm verübeln? Dass Dr. Raphael Kupietz die Gelegenheit nutzt, Werbung zu machen, ist mehr als verständlich. Etwa wenn der davon spricht, dass in der Geburtshilfe in Haßfurt alles dafür getan wird, dass sich die Frauen wohlfühlen. Aber man nimmt ihm auch ab, dass er dahintersteht, dass er „immer wieder neu die Freude empfindet: das Kind ist da“. Schätzungsweise 8000 Geburten hat er in seinen bislang knapp 40 Berufsjahren miterlebt. Besagte Freude ist dem heute 64-Jährigen nach eigenem Bekunden nicht verloren gegangen. „Immer wieder das Glück der Familien zu sehen, das macht Spaß“, sagt der Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Haus Haßfurt der Haßbergkliniken.
Die Königin der Medizin
Dabei hatte Kupietz ursprünglich Kardiochirurg werden wollen. Während eines Praktikums in der Gynäkologie jedoch begeisterte ihn die Geburtshilfe. „Sie hat mir gezeigt, dass man in dem Beruf unglaublich viel Freude haben kann.“ Der Mediziner wird fast philosophisch: „Die Frauenheilkunde ist die Königin der Medizin, aber das Herz der Königin schlägt im Kreißsaal.“
Als Kupietz ein junger Arzt war, brachten viele Frauen ihre Kinder noch zu Hause zur Welt. Der Anteil der Totgeburten sei da höher gewesen und es habe mehr Komplikationen gegeben, berichtet Kupietz. Der Kreißsaal brachte mehr medizinische Möglichkeiten und eine gewisse Sicherheit mit sich. „Aber man hat den psychosomatischen Aspekt vergessen“, erläutert Raphael Kupietz: „Die Frauen kannten das Personal nicht, sie waren während der Geburt allein und durften auch im Wochenbett keinen Besuch bekommen.“
Eine familiäre Atmosphäre zu schaffen, ohne auf medizinische Absicherung zu verzichten, war ihm ein großes Anliegen an seinen verschiedenen Wirkungsorten. Tatsächlich wirken die beiden Kreißsäle hier im Haus Haßfurt eher wie ein Wohnzimmer, die Gebärstühle fast wie Entspannungssessel. Die medizinischen Gerätschaften sind dezent verborgen, aber im Bedarfsfall schnell griffbereit. Dass sich die Frauen im Voraus alles anschauen und sich informieren können, ist heute ebenso Standard wie die Möglichkeit, dass der Kindsvater oder eine andere vertraute Person bei der Geburt dabei sein kann. Apropos: Kommt es vor, dass Männer umfallen? „Hin und wieder passiert das, aber eher selten“, sagt der Mediziner. „Oft weinen sie nach der Geburt mit der Mama.“
Nicht bei jeder Geburt ist Kupietz dabei. Aber wenn es Komplikationen oder etwas Besonderes gibt, werden er oder vertretungsweise der Oberarzt gerufen. Wie oft das vorkommt, hängt auch von der Berufserfahrung des diensthabenden Assistenzarztes ab. Bei der Art der Geburt werden die Wünsche der Frauen berücksichtigt. Werdende Mütter, die zum ersten Mal entbinden oder bei der Geburt des ersten Kindes große Probleme hatten, bevorzugen oft einen Kaiserschnitt. Was aber nicht heißt, dass die Frauen gar nichts mitkriegen: in 99 Prozent der Fälle bekommen sie lediglich eine Rückenmarksbetäubung – und das Kind direkt nach der Entbindung zu sehen.
An eine Situation, in der sich eine Mutter überfordert fühlte, kann der Mediziner sich nicht erinnern. Manchmal kämen Frauen hormonell bedingt mit der Situation nach der Geburt nicht zurecht. Mit einem Östrogenpflaster lasse sich da Abhilfe schaffen. Dennoch: neben vielen Glücksmomenten sind auch Raphael Kupietz und die anderen Gynäkologen am Haus Haßfurt hin und wieder mit Fehl- oder gar Totgeburten konfrontiert. Die betroffenen Frauen werden intensiv betreut, medizinisch und seelsorgerlich. Und wie geht es Kupietz selbst, wenn ein Kind tot geboren wird? „Es begleitet einen schon noch ein paar Tage“, räumt der Mediziner und gläubige Katholik ein. Aber er macht auch deutlich: Als Arzt muss man lernen, mit dem Leid der Patienten umzugehen, sonst reibt man sich auf. „Dabei kann die Maßgabe, von sich wegzusehen, hilfreich sein: Es geht darum, in dem Moment die Frau zu unterstützen und nicht sich selbst.“
Das springende Frühchen
Die Wahrscheinlichkeit für wirkliche Risikogeburten ist im Haus Haßfurt von vornherein nicht sehr hoch: Wenn zu erwarten ist, dass das Kind vor der 36. Schwangerschaftswoche kommt oder unter 2500 Gramm wiegt, muss die Entbindung in einer Klinik mit angeschlossenem Kinderkrankenhaus erfolgen.
Aus seiner Zeit in Bamberg kann sich Raphael Kupietz an ein Frühchen erinnern, das mit weniger als 500 Gramm zur Welt kam. Noch immer bekommt der Mediziner Gänsehaut, wenn er vom Wiedersehen ein Jahr später erzählt. Der damalige Oberarzt hatte ihn zu sich gebeten, ohne etwas zu verraten. Da sei eine Mutter mit einem Kind hereingekommen, das schon laufen konnte: das Frühchen hatte sich prima entwickelt. „Das kleinste Kind, dass ich erlebt habe, und dann ist es mir auf die Hände gesprungen“, erzählt Kupietz.