Günther Lipp hat ein besonderes Hobby. Er ist leidenschaftlicher Heraldiker: Der 83-Jährige kennt sich bestens mit Wappen aus. Seit 70 Jahren beschäftigt sich der Frickendorfer nicht nur mit der Lehre und den Regeln der Heraldik, sondern auch mit der Bedeutung und der Herkunft verschiedener Wappen aus der Region. Einige von ihnen sind mehrere Jahrhunderte alt, andere erst 40 oder 50 Jahre. Für viele Gemeinden im Haßbergkreis, sogar für Kommunen in ganz Bayern und auch in Thüringen, hat der ehemalige Kreisheimatpfleger die kommunalen Wappen selbst entworfen.
Doch Wappen ist nicht gleich Wappen: Laut Lipp gibt es fünf Regeln der Heraldik, die ein gutes Wappen ausmachen. Erstens: Es muss einmalig sein. Zweitens: Der Inhalt muss stimmen. Ein Wappen aus dem Haßbergkreis sollte beispielsweise keine Möwe im Wappen abbilden, wenn es den Vogel in der Region gar nicht gibt. Drittens: Ein Wappen muss originell sein. Viertens: Es muss den heraldischen Regeln, beispielsweise was Farbe und Anordnung angeht, entsprechen. Gelbe Elemente stellen etwa nicht tatsächlich die Farbe Gelb dar, sondern Gold. Und weiße Elemente stehen für die Farbe Silber. Fünftens: Das Wappen muss einfach sein, und eher weniger Elemente enthalten, als mehr. Getreu dem Sprichwort "Weniger ist mehr".
Im Gespräch mit der Redaktion erklärt Lipp die Bedeutung von sechs Wappen aus dem Haßbergkreis. Und auch, und was diese so besonders macht.
1. Ermershausen - das jüngste Wappen
Ermershausen gehörte nach der Gebietsreform zu Maroldsweisach. 1994 wurde die Gemeinde wieder selbstständig – hatte laut Lipp allerdings noch kein Wappen. Der damalige Bürgermeister Adolf Höhn bat den Heraldiker deshalb um ein Wappen. Das Wappen ist also das jüngste aller Stadt- und Gemeindewappen im ganzen Haßbergkreis. Nach außen sollte demonstriert werden, dass die Ermershäuserinnen und Ermershäuser für ihre Freiheit, die Eigenständigkeit, gekämpft haben. Deshalb ist in der Mitte des Wappens die Kirchenglocke, die Lipp zufolge im Ort auch Freiheitsglocke genannt wird, abgebildet.
Die schwarze Farbe der Glocke entstammt der schwarzen Henne aus dem Wappen der Henneberger - einer mächtigen Adelsfamilie, die noch vor den Hutten die Oberherrschaft über Ermershausen hatte. Der Hintergrund bildet das Huttenwappen ab, da Ermershausen laut dem Heraldiker ein Huttendorf ist. Die Hutten führten in Rot zwei goldene Schrägbalken.
2. Untermerzbach - das ungewöhnlichste Wappen
Auch das Untermerzbacher Wappen hat Günther Lipp entworfen, im Jahr 1980. Im Wappen sollten Symbole verwendet werden, die im Ort bekannt sind. Schnell fiel die Wahl deshalb auf die beiden Schlangen, die am Eingangsportal der Obermerzbacher Kirche – laut Lipp eine der ältesten Kirchen im Haßbergkreis – prangen. Über die Bedeutung der Schlangen wurde viel gerätselt, sagt Lipp. Auf der einen Seite könnte das Reptil für eine scheußliche Giftschlange stehen, erklärt er. Auf der anderen Seite aber auch für die Heilung – ähnlich wie die Schlange, die sich um den Äskulapstab wickelt, und heute für den ärztlichen Stand steht.
Das silberne Kreuz oberhalb der Schlangen ist doppeldeutig: Auf der einen Seite steht es für den Salesianer-Orden, der damals in Untermerzbach eine Salesianer-Hochschule betrieb, erklärt Lipp. Auf der anderen Seite passt es thematisch auch zur Schlange und der Kirche in Obermerzbach. Der grüne Hintergrund des Wappens symbolisiert die Wiesen, Wälder und die Landwirtschaft im Itzgrund. Der silberne Wellenbalken im unteren Teil des Wappens steht für den Merzbach. Sowohl die Farbkomibination als auch das Reptil im Wappen ist ungewöhnlich, sagt Lipp.
3. Gädheim - das originellste Wappen
Das Gädheimer Wappen von 1980 ist ein sehr originelles, eingängiges Wappen, erklärt Lipp. Das Wappen vereint drei verschiedene Blattarten: Das Kastanienblatt, welches den unteren Raum ausfüllt, steht für die imposanten Kastanien in Greßhausen. Sie sind laut Lipp ein Naturdenkmal.
Das Eichenblatt lässt sich auf einen Flurnamen von Gädheim zurückführen – den Eichhügel. Und das Lindenblatt steht Lipp zufolge für die geschützte Linde in Ottendorf. Die Blätter sollen den Zusammenhalt der drei Dörfer als Gemeinde symbolisieren. Die Farben Silber und Rot stehen für die Verbindung der Gemeinde zum ehemaligen Hochstift Würzburg.
4. Rauhenebrach - das Wappen der Berufe
Das Rauhenebracher Wappen von Lipp gibt es seit 1982. Auf der linken Seite zeigt es einen Krönel – ein Werkzeug, mit dem früher Stein bearbeitet und aufgeraut worden ist. Das Werkzeug weist auf den ersten Teil des Gemeindenamens hin. Die beiden Wellenbalken im unteren Teil des Wappens stehen für den Fluss Rauhe Ebrach und weisen ebenfalls auf den Ortsnamen hin.
Auf der rechten Seite des Wappens ist eine Holzschaufel zu sehen – diese wurden früher in der waldreichen Region angefertigt. Die Farben Silber und Rot stehen für das ehemalige Hochstift Würzburg, die Farben Schwarz und Gold für das Kloster Ebrach – da beide in der Vergangenheit im Gemeindegebiet Herrschaftsbefugnisse ausübten. Eigentlich, erklärt Lipp, sind auf dem Wappen zu viele Elemente abgebildet. Weil der Krönel und die Schaufel aber eine ähnliche Form haben, kommt wieder Symmetrie und Ruhe ins Wappen.
5. Haßfurt - das redsamste Wappen
Das Haßfurter Wappen stammt laut Günther Lipp aus dem Jahr 1544. Im Hintergrund ist die alte rot-silberne Fahne des ehemaligen Hochstifts Würzburg zu sehen. Darauf abgebildet ist ein goldener Hase. In der Heraldik spricht man nicht davon, dass der Hase nach links schaut, sondern nach vorne, erklärt Lipp.
Das rührt daher, dass das Wappentier auf dem Schild eines Ritters, trug er es in der linken Hand, nach vorne sah – also in Richtung des Feindes. Beim Haßfurter Wappen handelt es sich um ein redendes Wappen, da das Symbol des Hasen auf den Namen der Stadt verweist, erklärt Lipp. Heraldisch gesehen ist das Wappen allerdings nicht richtig, so der Experte, da die beiden Farben Gold und Silber laut den Regeln der Wappenlehre nicht übereinander gelegt werden sollten.
6. Ebern - das Wappen mit dem Stammtischmythos
Die älteste Darstellung des Eberner Wappens findet sich in der Marienkapelle und stammt aus dem Jahr 1518. Es zeigt die vordere Hälfte eines Ebers – und ist dadurch ebenfalls ein redendes Wappen. In der Wildschweinstadt kennt wohl jeder die Geschichte, wie das Wappen entstanden sein soll: Ein Jäger schoss auf einen Eber. Der lief mit letzter Kraft weiter - bis er die Gemarkung der Gemeinde Seßlach erreichte. Dort fiel er um. Der vordere Teil der Sau soll auf dem Gebiet von Ebern gelegen haben, der hintere Teil auf dem von Seßlach.
Laut Lipp handelt es sich dabei um einen "unausrottbaren Stammtischmythos." Und der hat dem Heraldiker zufolge in der Vergangenheit immer mal wieder für Ärger gesorgt - und zwar dann, wenn die Gemeinde Seßlach gefragt worden ist, warum sie kein Wildschweinhinterteil im Wappen hat. Denn das Wappen von Seßlach zeigt den Heiligen Johannes, der auf einer Truhe sitzt.
Die Brücke unterhalb des Ebers ist laut Lipp erst seit 200 Jahren im Wappen zu sehen. Sie soll die Sandsteinbrücke und wohl auch den Flutsteg darstellen, die von Ebern über die Baunach nach Sandhof führt. Heute hat das Wappen die Farben Gold und Schwarz. In den älteren Darstellungen war der Eber silberfarben und der Hintergrund rot – und er stand aufrecht, anstatt waagerecht zu liegen.