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Gleusdorf
Gemeinde Untermerzbach hofft auf Neuanfang: Welche Pläne der neue Investor für Schloss Gleusdorf hat
Das historische Anwesen, das zuletzt ein Pflegeheim beherbergte, hat seit rund einem Jahr einen neuen Eigentümer. Bald könnte wieder Leben einziehen in das Schloss.
Schloss Gleusdorf im Landkreis Haßberge hat seit rund einem Jahr einen neuen Eigentümer.
Foto: Lukas Reinhardt | Schloss Gleusdorf im Landkreis Haßberge hat seit rund einem Jahr einen neuen Eigentümer.
Helmut Will
 und  Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 08.03.2024 02:50 Uhr

Lange wurde gerätselt, was mit Schloss Gleusdorf im Landkreis Haßberge passieren soll. Vor rund einem Jahr hatte das historische Anwesen, das zuletzt ein Pflegeheim beherbergte, den Eigentümer gewechselt. Nun zeichnen sich erste Pläne für eine neue Nutzung des einstigen Adelssitzes an der Itz ab. Mit Blick auf die skandalträchtige jüngere Geschichte des Schlosses hofft die Gemeinde Untermerzbach auf einen Neuanfang. Ein Blick auf die wichtigsten Fragen – und Antworten.

Welche Idee gibt es für die Nutzung des Schlosses?

Unter dem ambitionierten Titel "Revitalisierung und Erweiterung des historischen Schlosskomplexes" soll auf dem Anwesen eine Einrichtung für betreutes Wohnen, oder auch Service-Wohnen, für Seniorinnen und Senioren entstehen. Das geht aus einem Antrag des neuen Eigentümers beim Landratsamt Haßberge hervor, mit dem sich inzwischen auch die Gemeinde Untermerzbach befasst.

Insgesamt 34 Wohneinheiten sind demnach für das Anwesen vorgesehen. 21 Einheiten seien bereits im Bestand vorhanden, 13 weitere in einem Anbau mit einer Fläche von etwa 150 Quadratmetern an der Nordseite des Schlosses geplant.

Wer steckt hinter den Plänen für Schloss Gleusdorf?

Seit vergangenem Jahr gehört das Schloss einem neuen Investor. Im Frühjahr 2023 hatte die bisherige Eigentümerin das Anwesen an die "Activa Deutschland GmbH" mit Sitz in Düsseldorf verkauft. Viel ist über das Unternehmen nicht bekannt. Ein Blick in das Handelsregister zeigt, dass "die Entwicklung und Projektierung von Immobilien" zum Kerngeschäft der Gesellschaft zählt. 

Sofern die Behörden den Plänen zustimmen, soll die "Visit Ambulante Pflege GmbH" mit Sitz im Bamberg die Trägerschaft für das Service-Wohnen übernehmen. Das bestätigt das Unternehmen, das zur "Visit Gruppe" gehört, auf Nachfrage gegenüber dieser Redaktion. Die "Visit Gruppe" betreibt eigenen Angaben zufolge bereits mehrere Einrichtungen für Service-Wohnen, unter anderem in Bamberg, Scheßlitz und Coburg.

Wie sehen die Pläne für das Service-Wohnen konkret aus?

Auf dem Anwesen am Rande von Gleusdorf könnten laut der Geschäftsführung von Visit Eigentumswohnungen mit einer Größe zwischen 30 und 80 Quadratmetern entstehen. Auch ein Raum für kleine Feste sowie ein "Senioren-Club" mit Bistro oder Café, Biobliothek oder Sport- und Hobbyraum könnten Teil des Vorhabens sein. Lebensmittel könnten die Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort über einen Automaten beziehen. 

Auch Sport könnte Teil des Angebots beim Service-Wohnen in Schloss Gleusdorf sein. 
Foto: Jens Büttner, dpa (Symbolbild) | Auch Sport könnte Teil des Angebots beim Service-Wohnen in Schloss Gleusdorf sein. 

Grundsätzlich richte sich der Leistungsumfang beim Service-Wohnen nach den individuellen Bedürfnissen und Wünschen der Menschen, heißt es auf Nachfrage weiter. Dabei gehe es etwa um Angebote für Kultur und Freizeit, um körperliche und geistige Aktivitäten, aber auch um Pflege- und Betreuungsleistungen. 

Wie bewertet der Sozialverband VdK Service-Wohnen?

Der Sozialverband VdK Bayern sieht das Konzept, das den Plänen für Schloss Gleusdorf zugrunde liegt, als Bereicherung, formuliert allerdings auch deutliche Kritik. Leistungen müssten nach Abschluss eines Miet- oder Kaufvertrages von den Bewohnern und Bewohnerinnen meist hinzugekauft werden. Nur wenige Menschen könnten sich dieses Konzept leisten. Angesichts steigender Kosten gelte das wohl auch für die Zukunft, so der VdK.

Das größere Problem aber sieht der Sozialverband an einer anderen Stelle: Weder betreutes Wohnen noch Service-Wohnen seien geschützte Begriffe. Beide Angebote, so der Kern der Kritik, seien nicht an Qualitätsstandards oder sonstige Verpflichtungen gebunden. Das gelte es zu ändern, fordert der VdK.

Bei der Visit-Gruppe sieht man beim Blick auf die Qualität keine Probleme. Das Unternehmen setze im Bereich Pflege und Betreuung – dazu zähle auch das Service-Wohnen – auf sogenannte nationale Expertenstandards. Diese würden jährlich vom Medizinischen Dienst überprüft.  

Was sagt das Landratsamt zum Vorhaben des Investors?

Der Antrag des Investors liegt nun zur Bewertung bei den entsprechenden Fachstellen im Landratsamt. Einerseits stehe das Einvernehmen der Standortgemeinde Untermerzbach noch aus, heißt es vonseiten der Kreisbehörde. Andererseits könne erst nach Vorliegen aller entscheidungsrelevanten Informationen über die Bauvoranfrage entschieden werden. 

Das aber scheint noch nicht der Fall zu sein. So habe die Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) – früher Heimaufsicht genannt – vom Antragsteller weitere Unterlagen über das Vorhaben angefordert. Auch um zu prüfen, was genau unter "Service-Wohnen" zu verstehen sei. Bisher, so die Behörde, seien hierzu noch keine Unterlagen eingegangen.

Wie sieht die Gemeinde Untermerzbach die Pläne?

Angesichts der nun vorliegenden Pläne besuchte der Bauausschuss der Gemeinde Untermerzbach Ende Februar Schloss Gleusdorf. Bürgermeister Helmut Dietz (SPD) warb dabei für das Vorhaben des Düsseldorfer Investors. Er empfahl dem Gremium, die Bauvoranfrage zu befürworten, um das Schloss mit dem betreuten Wohnen wieder einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Die Mitglieder des Grundstück- und Bauausschusses folgten dem Vorschlag des Untermerzbacher Bürgermeisters. Sie gaben ihr Einverständnis für die geplante Baumaßnahme. Der Gemeinderat muss sich mit dieser Angelegenheit allerdings ebenfalls noch befassen.

Warum ist ein Neuanfang für Schloss Gleusdorf nötig?

Die Zustimmung des Untermerzbacher Bauausschusses könnte laut Bürgermeister Helmut Dietz ein erster Schritt hin zu einem lange ersehnten Neuanfang des Schlosses sein. Die Pflegeeinrichtung, die inzwischen Geschichte ist, war vor einigen Jahren wegen verschiedener Skandale in die Schlagzeilen geraten.

Die Staatsanwaltschaft hatte damals gegen die Geschäftsführerin, einen Pflegedienstleiter und einen Arzt ermittelt, unter anderem wegen Totschlags durch Unterlassung und Misshandlung von Schutzbefohlenen. Im späteren Prozess im März 2020 sprach das Landgericht Bamberg alle drei Angeklagten von den Vorwürfen frei.

Hinzu kam, dass die Pflegeeinrichtung in Folge interner Verwerfungen im August 2021 wegen Personalmangels geschlossen und die Bewohnerinnen und Bewohner verlegt werden musste. Im April 2022 meldete der Träger der Einrichtung schließlich Insolvenz an. Seither war es still geworden um das historische Schloss.

 
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