
Sonntagabend, 18.30 Uhr, spätestens jetzt steht fest: Steffen Vogel, Landtagsabgeordneter der CSU aus der Gemeinde Theres und unterfränkischer Bezirksvorsitzender seiner Partei, gehört zu den Wahlsiegern des Abends. Doch der 49-Jährige blickt mit zwiegespaltenen Gefühlen auf die ersten Hochrechnungen zur Europawahl in Bayern:
"Ich bin äußerst zufrieden, dass wir es aller Wahrscheinlichkeit nach geschafft haben, dass Unterfranken in Europa wieder mit einem Abgeordneten vertreten ist", sagt Vogel zur Redaktion. Dass seinem Parteifreund Stefan Köhler (Aschaffenburg) tatsächlich der Sprung ins EU-Parlament gelingt, was Vogel zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher wissen kann, führt er auch ein Stück weit auf sein Engagement als Bezirksvorsitzender zurück.
Andererseits: Mit dem Abschneiden seiner Christsozialen und der Union insgesamt ist Wahlsieger Vogel alles andere als glücklich. Zunächst sieht es so aus, als werde die CSU bayernweit bei um die 38 Prozent landen. "Das kann nicht unser Anspruch sein", meint Vogel. Das Ziel war eine "Vier vorne dran". Am Ende sind es doch 39,7 Prozent, knapp unter der 40-er Marke. Den CSU-Mann wurmt es, dass sein Lager nicht von der Unzufriedenheit mit der Ampel profitiert hat. Sondern stattdessen die AfD und andere wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Noch liegen kaum Ergebnisse aus dem Landkreis Haßberge vor, doch Vogel ahnt, dass die selbsternannte Alternative für Deutschland auch in seinem Heimatkreis deutlich zulegen wird.
AfD sorgt für Rechtsruck im Landkreis Haßberge
Und so kommt es dann auch. Eine Stunde später, 19.30 Uhr, hat sich das Bild zementiert, das sich schon in Ermershausen als erste vollständig ausgezählte Gemeinde im Landkreis Haßberge gezeigt hat: Hinter der CSU, die hier weit über der 40-Prozent-Marke liegt, wird die AfD die zweitstärkste Kraft. 140 von 152 Gebieten sind nun ausgezählt, mit rund 17 Prozent kommen die Rechtspopulisten auf fast so viele Stimmen wie die Ampelparteien – SPD, Grüne und FDP – zusammen. Das ist deutlich über dem Bayernschnitt von rund 11,5 Prozent. Und zeigt: Im Landkreis Haßberge gibt es einen Rechtsruck.

Die Skandale um den Landtagsabgeordneten Daniel Halemba, der Direktkandidat seiner Partei für den Wahlkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld war, haben die AfD-Wählerinnen und Wähler offenbar nicht abgeschreckt; auch nicht die Vorwürfe gegen Maximilian Krah und Petr Bystron, die beiden Spitzenkandidaten zur Europawahl. Letzterer hatte als erster AfD-Spitzenpolitiker überhaupt dem Landkreis Haßberge im Mai einen Besuch zu Wahlkampfzwecken abgestattet und dabei offenbar alte und neue Anhängerinnen und Anhänger mobilisieren können.
Hohe Wahlbeteiligung von 68,0 Prozent
Sonntagabend, 20.15 Uhr. Die Stimmzettel im Landkreis Haßberge sind alle ausgezählt, zuletzt hatte es offenbar nur noch in einem Wahllokal in der Gemeinde Knetzgau "gehakt". Nun steht zunächst einmal fest, dass die Wahlbeteiligung mit 68,0 Prozent deutlich höher war als bei der letzten Europawahl 2019; damals lag sie im Landkreis Haßberge bei 60,9 Prozent. Die Wahl hat den Menschen im Haßbergkreis allem Anschein nach viel bedeutet.

Das vorläufige Ergebnis weist für den Wahlsieger CSU 45,5 Prozent aus, nur 0,4 Punkte weniger als fünf Jahre zuvor und deutlich besser als im Landesdurchschnitt. Für die Grünen im Haßbergkreis hingegen wird die Europawahl zum Desaster: Sie halbieren ihr Ergebnis von 2019 auf nun 6,5 Prozent. Die SPD verliert zwei Prozentpunkte und endet bei 8,2 Prozent, die FDP verharrt auf 2,8 Prozent. Damit schneiden die Ampelparteien im Landkreis Haßberge jede für sich alleine und alle zusammengenommen noch einmal deutlich schlechter ab als im Freistaat und bundesweit.
Die AfD hingegen legt um 7,1 Punkte zu auf schließlich 16,5 Prozent. Und die Freien Wähler können ihr Ergebnis um einen Zähler auf 6,9 Prozent verbessern. Das BSW landet in den Haßbergen auf Anhieb auf 3,3 Prozentpunkten. Und zu den Parteien und Gruppierungen, die die Ein-Prozent-Marke überschreiten, gehören die ÖDP (1,8), Die Partei (1,3), Volt (1,2) und die Linke (1,1).

68.457 Frauen und Männer waren im Landkreis Haßberge bei der Europawahl wahlberechtigt, 46.551 von ihnen haben ihr Stimmrecht genutzt. Allerdings meldet das Landratsamt Haßberge 135 ungültige Wahlzettel.