
Er könnte der Energiewende einen deutlichen Schub geben: natürlicher Wasserstoff. Der Geologe Dr. Jürgen Grötsch forscht am Geo-Zentrum Nordbayern der Uni Erlangen-Nürnberg dazu. In Bodenluft-Messungen haben er und sein Team hohe Konzentrationen des nachhaltigen Energieträgers entdeckt.
Von 1991 bis 2022 war Grötsch als Geologe bei Royal Dutch Shell tätig und unter anderem mit der Untersuchung des geologischen Untergrunds durch Bohrungen und seismischen Daten befasst. Im Interview erklärt der Experte für Geo-Energie Wissenschaftler, wie Städte und Gemeinden in Nordbayern perspektivisch von natürlichem Wasserstoff profitieren könnten. Und er erklärt, warum bisher niemand nach dieser günstigen und umweltfreundlichen Energiequelle gesucht hat.
Dr. Jürgen Grötsch: Die geologischen Gegebenheiten in Nordbayern bieten sehr gute Voraussetzungen, um natürlichen Wasserstoff zu finden. Wir vermuten, dass sich hier ultrabasische Gesteine im Untergrund befinden. Das sind dichte und schwere Gesteine, die Eisen- und Magnesium-Silikate enthalten. Außerdem gibt es Granitvorkommen, etwa unter den Haßbergen. Beide Gesteinskomplexe können Wasserstoff generieren. Das heißt aber nicht, dass Nordbayern das einzige Gebiet in Deutschland ist, wo weißer Wasserstoff zu erwarten ist. Auch in Rift-Gebieten wie dem Oberrheingraben haben unsere Kollegen vom Frauenhofer IEG jetzt ähnliche Messungen vorgenommen.

Grötsch: Bisher haben wir unter anderem einen Bereich in den Haßbergen untersucht. Interessant sind auch andere Gebiete in Nordbayern, der Oberpfalz und Teile Niederbayerns. Es handelt sich um ein Gebiet von mehreren tausend Quadratkilometern, in dem wir Wasserstoff in Bodenluft-Messungen gefunden haben oder vermuten.
Grötsch: Nach unseren bisherigen Erkenntnissen kann Wasserstoff unter verschiedensten geologischen Gegebenheiten entstehen. Ich nenne hier die am besten untersuchte, die Serpentinisierung. Hier oxidiert im Zusammenspiel mit Wasser Eisen und in der Folge wird natürlicher Wasserstoff freigesetzt.
Grötsch: Wir vermuten, dass diese Vorkommen relativ groß sind. Die Frage ist jedoch, wie viel Wasserstoff können wir eigentlich aus dem Boden holen, also wie viel können wir letztendlich davon produzieren? Dazu entwickeln wir momentan Konzepte, zusammen mit Kollegen auch aus dem Ingenieurbereich.
Grötsch: Die weltweit einzige Produktionsanlage arbeitet seit mehr als zwölf Jahren erfolgreich im afrikanischen Mali. Unser Ziel ist es nun, die zweite Produktionsanlage zu installieren. Hoffentlich im fränkischen Raum und möglichst in Zusammenarbeit mit einer Stadt oder Gemeinde in Nordbayern.
Grötsch: Nein, Fracking ist hier nicht notwendig. Der Wasserstoff soll in unserem Konzept im Verbund mit geothermischer Energie gefördert und dann an der Oberfläche abgeschieden werden. Die Bohrtiefe ist mit etwa 1000 bis 1500 Metern im Vergleich zu Öl und Gasbohrungen relativ gering. Das vereinfacht vieles.
Grötsch: Wir planen, mit unseren Studenten das Gebiet großräumig weiter zu untersuchen. Daneben möchten wir auch mit Städten und Gemeinden ins Gespräch kommen, um potenzielle Entwicklungspartner für unser Pilotprojekt zu gewinnen. Die Förderung von natürlichem Wasserstoff kann für lokale Industrien oder öffentliche Gebäudekomplexe von großem Interesse sein, denn natürlicher Wasserstoff im Verbund mit geothermischer Energie kann kostengünstig, zuverlässig und nachhaltig sein. Unser Ziel ist, saubere Energie für lokale Verbraucher zu erzeugen.
Grötsch: Wir sind gerade dabei, mit Unterstützung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ein Start-up auszugründen. Es soll die eigentliche Projektentwicklung in die Hand nehmen und mit Kommunen oder Stadtwerken eng zusammenarbeiten.
Grötsch: Wir sind am Anfang, aber unter optimalen Bedingungen könnte die Pilotanlage in fünf Jahren stehen.
Grötsch: Das kann man im Augenblick nicht sagen. Aber sie hätten mit einer solchen Lösung Vorteile wie einen Zugewinn an Energiesicherheit, die Unabhängigkeit von Preisschwankungen auf dem globalen Energiemarkt und eine fast CO₂-neutrale Energieversorgung, also ideal für die notwendige Wärmeplanung der Städte und Gemeinden.
Grötsch: Mit natürlichem Wasserstoff kann man Wärme und Strom erzeugen oder ihn für die Mobilität einsetzen, beispielsweise für eine Wasserstofftankstelle.
Grötsch: Nein, aber wir hätten damit, neben Wind und Solar, eine weitere nachhaltige Komponente für das zukünftige Energiesystem. Mit dezentralen Anlagen zur Gewinnung von natürlichem Wasserstoff könnten wir die Abhängigkeit von ausländischen Energielieferungen verringern.
Grötsch: In der Salzmine Leopoldshall bei Staßfurt in Sachsen-Anhalt hat Ernst Erdmann von 1910 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum ersten Mal natürlichen Wasserstoff gewonnen. Geringe Mengen zwar, aber kontinuierlich. Dann kamen Öl und Gas und niemand hat sich mehr um Wasserstoff gekümmert. Diese fossilen Brennstoffe waren viele Jahrzehnte billig und in großen Mengen verfügbar. Forscher hatten früher auch nicht die modernen Messgeräte, die wir seit ein paar Jahren nutzen. Diese Sensoren arbeiten mit Satelliten zusammen und können auch direkt im Gelände Wasserstoff anzeigen. Eine alte Weisheit der Rohstoffwirtschaft besagt, dass man nur etwas findet, wenn man danach sucht. Und je mehr man investiert, desto mehr findet man.
Grötsch: Im Prinzip ist weißer Wasserstoff bei sachgemäßem Gebrauch einer der umweltfreundlichsten Energieträger. Natürlich wird am Anfang Energie für zum Beispiel den Bohrturm benötigt. Wenn die Anlage aber einmal läuft, sind die Emissionen minimal.
Grötsch: In den USA sind die Landbesitzer auch Eigentümer der Rohstoffe, die unter der Erde gefunden werden. In Deutschland fallen Erdgas, Erdöl, Kohle oder metallische Rohstoffe unter das deutsche Bergbaugesetz. Darin steht, dass diese Rohstoffe dem Staat gehören. Dieser kann zur Suche und Förderung Lizenzen vergeben. Wasserstoff ist bisher leider nicht im deutschen Bergbaugesetz aufgeführt. Wir brauchen deshalb dringend die Unterstützung der Politik, damit das Bergbaugesetz angepasst wird.
Grötsch: Wir würden uns freuen, wenn Kommunen und Stadtwerke unseren Mitarbeitern und Studenten des Geo-Zentrums Nordbayern zur Seite stehen würden, etwa bei der unbürokratischen Bewilligung von Bodenluft- und anderen Messungen in den gemeindlichen Flur- und Waldgrundstücken. Sie können damit einen wichtigen Beitrag zum schnelleren Fortgang unserer Forschung leisten. Ich würde eine solche Hilfe sehr begrüßen.
Zunächst wäre die Verwendung klimaneutral, da der weiße Wasserstoff eine Verbindung mit dem Luftsauerstoff eingeht und neben Energie bzw. Wärme nur H2O ausstößt.
Zu klären wäre, wie aufwändig der Abbau ist. H2 ist sehr flüchtig und kann leicht in die Atmosphäre entweichen (leichter als Luft) und könnte dann den Treibhauseffekt negativ beeinflussen. Werden beim Abbau vielleicht auch Begleitgase wie Methan freigesetzt? Auch die Transportlogistik ist alles andere als einfach.
Die Abbaumethoden ähneln dem Fracking, was neben dem Risiko von Bodenverwerfungen auch einen hohen Wasserverbrauch bedeutet. Gerade letzteres könnte schnell zum Problem werden. Der Streit ums Wasser ist ja längst entbrannt.
Dann vielleicht doch lieber die Windkraft ausbauen und grünen Wasserstoff erzeugen?
Alles hat eben seine zwei Seiten.
nur mir als Dummi stellen sich ein paar Fragen:
1) mit welcher Fördermenge (pro Zeiteinheit) ist zu rechnen?
2) welcher Aufwand muss dazu betrieben werden/ mehr Energie reinstecken als rausholen?
Kommt mir alles sehr nebulös vor (s. auch https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/488/ein-schwabe-fuer-mali-6921.html), nachdem mir der Blick auf den Kalender sagt, dass heute noch nicht der 1. April ist und erinnert mich irgendwie an die Geschichte mit der kalten Kernfusion vor vielen, vielen Jahren...
Aber was es nicht alles gibt. Das dürfte aber wie die Kernfusion noch etwas in der weiteren Zukunft liegen.
https://www.n-tv.de/wissen/Weisser-Wasserstoff-Geologen-rechnen-mit-riesigen-Vorkommen-article25507988.html