Grüner Wasserstoff soll unsere Autos antreiben, unsere Häuser beheizen und unsere Industrie dekarbonisieren. Die Bundesregierung hat im Juni 2020 die Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen, um den grünen Wasserstoff marktfähig zu machen. Er ist die Hoffnung der Energiewende. Quer durch Deutschland arbeiten Industrie und Wissenschaft mit Hochdruck daran, das Land "Wasserstoff-ready" zu machen.
Shell will die größte grüne Wasserstoff-Anlage in Europa bauen, Daimler den Wasserstoff-Lkw in Serie herstellen und Thyssenkrupp 2026 die erste Wasserstoff-Anlage zur Stahlerzeugung in Betrieb nehmen. Wie auch kleine und mittelständische Unternehmen "H2-ready" werden, das sollte der Energy-Talk aufzeigen, zu dem die Wirtschaftsförderung von Stadt und Landkreis Schweinfurt in das Alte Eichamt eingeladen hatten.
Vernetzung ist der erste Schritt
Der Saal ist voll. Das Interesse an Wasserstoff als Energieträger ist groß. Nicht nur bei den Unternehmen, auch bei den Kommunen. Wie kann man an dem "grünen Gold" teilhaben? Wo kann man das Wundergas einsetzen? Welche Förderinstrumente gibt es? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der gut zweistündigen Vortragsveranstaltung, die sich mit Netzwerken beim anschließenden Buffet fortsetzt.
Genau das ist die Intention des Abends: Vernetzung. "Das ist der erste Schritt", sagt Thomas Eichenseher. Er ist als Wasserstoff-Multiplikator im Auftrag der Landesagentur für Energie und Klimaschutz landesweit für die Klimaschutzoffensive der Bayerischen Staatsregierung im Einsatz.
Schweinfurt steht noch ganz am Anfang. Es muss sich erst einmal ein Akteursnetzwerk aufbauen, sagt Eichenseher. Das heißt: Es gilt, regionale Interessenten zu finden, die sich zusammenschließen und mit Akteuren in umliegenden Regionen Erfahrungen austauschen.
Die gibt es bereits: die Stadt Alzenau zum Beispiel. Sie trägt sich mit dem Gedanken, eine Wasserstofftankstelle aufzubauen. Schweinfurt könnte sich bezüglich einer H2-Pipeline mit der Kommune vernetzen. Oder die Aschaffenburger Versorgungs-GmbH: Sie betreibt H2-Müllsammelfahrzeuge und Brennstoffzellenbusse. Oder die Stadtwerke Haßberge: Mit einem wasserstoffbetriebenen Blockheizkraftwerk sind sie Vorreiter in der Region.
Nicht einfach heimgehen und sagen "schön war's", sondern ein regelmäßiges Austauschformat etablieren. Einen "Runden Tisch Wasserstoff Schweinfurt" zum Beispiel, schlägt Eichenseher vor. Hier wird dann ein Business-Plan entwickelt, um weitere Partner, Investoren ins Boot holen zu können.
Es fehlt die Infrastruktur
Es gibt nur ein Problem: Grüner Wasserstoff steht kaum zur Verfügung. Er muss erst unter Energieeinsatz gewonnen werden. Dazu aber fehlt die Infrastruktur. Und klar ist auch, das gibt Eichenseher auf Nachfrage zu: "Der Großteil des grün erzeugten Wasserstoffs muss aus dem Ausland kommen", weil Deutschland gar nicht so viel grünen Strom zur Verfügung hat, um die benötigten Wasserstoffmengen produzieren zu können. Allein die Industrie brauche unglaublich viel Energie, ein einziges Stahlwerk so viel wie die Stadt München, sagt Eichenseher. Ergo: Deutschland wird auch mit dem Erdöl des 21. Jahrhunderts weiter vom Ausland abhängig bleiben.
Und dann stellt sich noch die Frage, wie der grüne Wasserstoff zum Verbraucher kommt. Eichenseher sieht keine Gefahren, das komprimierte Gas in Tanks oder Pipelines zu transportieren. Es ist nicht giftig und leichter als Luft, entweicht also nach oben. Wasserstoff könne wie jeder andere Energieträger behandelt werden.
"Die Technik war schon mal da, sie ist nur in Vergessenheit geraten", erinnert Professor Winfried Wilke von der TH Würzburg-Schweinfurt an das Stadtgas, das ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch Kohlevergasung hergestellt und zum Betreiben von Gasherden über ein städtisches Leitungsnetz in die Wohnungen geschickt wurde. Diese alten Gasleitungen gebe es noch. Wie weit die neuen Erdgasleitungen H2-tauglich sind, das gilt es noch zu untersuchen.
Die Wertschöpfung bleibt vor Ort
"Es wird sich was tun", sagt Michael Hauck von der H-TEC Systems GmbH mit Sitz in Augsburg, die Elektrolyseure, ein wichtiges technologisches Bauteil, für die grüne Wasserstofferzeugung entwickelt. Nicht nur bei den Großen, sondern vor allem im Kleinen, dezentral, im lokalen Umfeld. So könnten Stadtwerke mit eigenen Wind- und Solarparks Wasserstoff erzeugen und nicht nur ihre eigenen Verkehrsmittel H2-ready machen, sondern auch örtliche Logistikunternehmen mit ins Boot holen oder gar öffentliche Wasserstoff-Tankstellen betreiben. "Es ist Raum für alle und für alles da."
Der Vorteil der Wasserstoffnutzung auf lokaler Ebene: Die Wertschöpfung bleibt vor Ort, die Wege sind kurz, "und wir können gleich anfangen", sagt Hauck. Ein 1-Megawatt-Elektrolyseur zum Beispiel produziere täglich 450 Kilogramm hochreinen Wasserstoff. Damit könne man 90 Autos betanken, rechnet Hauck vor. Und die Kosten? Die gibt er mit 10 Euro pro Kilogramm Wasserstoff an.
Bereits heute laufen Blockheizkraftwerke mit reinem Wasserstoff
Die in Schweinfurt ansässige SenerTec GmbH, inzwischen Tochter der 2G Energietechnik GmbH, will sich auch H2-ready machen. Sie vertreibt und wartet unter anderem das Mini-Blockheizkraftwerk (BHKW) Dachs. Nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt der Dachs Strom und koppelt die entstehende Wärme als Heizenergie aus. Geräte der neuen Generation können bereits mit Erdgas betrieben werden, dem bis zu 20 Prozent Wasserstoff beigemischt sind.
Die H2-BHKW-Technologie werde bei der Energiewende eine Schlüsselrolle spielen, davon sind der Geschäftsführer des SenerTec-Centers Alexander Stark und der Vertriebsmitarbeiter Dominik Ziegler, der 2G Energietechnik GmbH, überzeugt. Bereits heute laufen BHKWs der 2G Energietechnik GmbH mit reinem Wasserstoff. Zum Beispiel bei Siemens in Dubai oder bei Toyota in Japan.
Auch wenn es am Ende noch viele offene Fragen gibt, ziehen die Wirtschaftsförderer von Stadt und Landkreis Schweinfurt, Johanna Faustmann und Frank Deubner, ein positives Fazit: "Unser Ziel ist es, die Vernetzung voranzutreiben, um den Einsatz von Wasserstoff hier möglich zu machen." Schweinfurt sei bereits auf einem guten Weg. Es gebe interessierte örtliche Firmen und neben dem Wasserstoff-Studiengang auch Weiterbildungsmöglichkeiten für Unternehmen an der TH Würzburg-Schweinfurt zum Thema nachhaltige Wasserstofftechnik.
Allen Akteuren viel Erfolg bei der Umsetzung