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Kreis Haßberge
Der zweite Lockdown: Das sagen Betroffene im Kreis Haßberge
Gastronomie- und Kulturbetriebe müssen wieder schließen. Sind die Maßnahmen verhältnismäßig? Und werden die Unternehmen eine weitere Zwangspause überstehen?
Der Gaststätteninhaber Tim Neumann trägt einen Mund-Nasen-Schutzmaske mit der Aufschrift 'Lächeln hilft'. Trotz guter Hygiene-Konzepte müssen Deutschlands Gaststätten im November geschlossen bleiben.
Foto: René Ruprecht | Der Gaststätteninhaber Tim Neumann trägt einen Mund-Nasen-Schutzmaske mit der Aufschrift "Lächeln hilft". Trotz guter Hygiene-Konzepte müssen Deutschlands Gaststätten im November geschlossen bleiben.
Peter Schmieder
 und  René Ruprecht
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:04 Uhr

Als Reaktion auf die steigenden Corona-Fallzahlen müssen Gaststätten, Kinos, Theater, Fitnessstudios und andere Einrichtungen wieder schließen. Auch im Landkreis Haßberge stellt der zweite Lockdown zahlreiche Betriebe vor eine neue Herausforderung. Einige Betroffene haben mit dieser Redaktion über ihre Situation gesprochen – und erzählt, was sie von den neuen Regeln halten.

"Ich kann die aktuellen Bestimmungen nicht ganz nachvollziehen, da diese recht unterschiedlich sind", sagt Tim Neumann von Neumanns Restaurant und Catering in Haßfurt. "Ich sehe die Hotspots eher im privaten Bereich und nicht in der Gastronomie, die dadurch wieder auf Null runtergefahren wird."

Hoffnung auf grüne Weihnachten

Mit drei Kindern werde die Situation auch privat zur Herausforderung. Das habe sich schon im ersten Lockdown im Frühjahr gezeigt: "Wir Eltern haben natürlich versucht, den Laden durch To-Go einigermaßen am Laufen zu halten. Die Kinder acht Stunden mit auf die Arbeit zu nehmen, ist äußerst schwierig."

Tim Neumann findet die Schließung der Gastronomie 'nicht ganz nachvollziehbar'.
Foto: René Ruprecht | Tim Neumann findet die Schließung der Gastronomie "nicht ganz nachvollziehbar".

Um wenigstens die Grundkosten zu decken, wollen die Neumanns nun wieder auf das To-Go-Geschäft setzen. "Das langfristigere Problem sehe ich eher im Event- und Cateringbereich, weil hier viele Stundungen gemacht wurden, die demnächst fällig werden", fürchtet Tim Neumann. "Meine Hoffnung ist, dass wir zum Weihnachtsgeschäft wieder auf Grün sind, damit wir zumindest den kleineren Bereich noch abdecken können." Er versuche, Wege zu finden, beispielsweise will er größere Räume anmieten. Bei seinen Ideen sei ihm auch die Stadtverwaltung entgegen gekommen, doch ob das unter den aktuellen Bedingungen umsetzbar sei, wisse man noch nicht.

Die Suche nach einem Impfstoff gegen Corona betrachtet er mit Skepsis: "Bisher hieß es immer, dass erst drei bis fünf Jahre getestet werden muss, und jetzt soll nach eineinhalb Jahren der Impfstoff entwickelt werden. Da bin ich ehrlich gesagt nicht so der Fan davon, mich dann impfen zu lassen." Zudem sei nicht klar, ob dann überhaupt Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung stehe. "Ich denke, dass wir die Maske erst 2022 oder 2023 wieder los werden."

Deshalb würden auch die Veranstaltungen abflachen, meint Neumann. "Um in der Branche zu überleben, wird man sich verändern und anpassen müssen." Dennoch gibt er sich optimistisch: "Durch jede Krise kommt man schon irgendwie durch. Man muss immer das Positive sehen und einen Ausweg suchen. Jammern bringt einen nicht weiter."

Verfassungswidrige Anordnung?

Kinobetreiber Bruno Schneyer aus Zeil kritisiert vor allem die Art, wie die neuen Regeln zustande gekommen sind. Einerseits finde er die neuen Beschränkungen sinnvoll, denn "irgendwie musste die Politik spätestens jetzt auf den rasanten Anstieg der Fallzahlen reagieren". Andererseits sieht er für derart persönlichkeitseinschränkende Anordnungen keine verfassungsrechtliche Legitimation.

Vier Wochen Pause müssen auch Kinobetreiber Bruno Schneyer (rechts) und sein Mitarbeiter Rainer Winkel machen.
Foto: René Ruprecht | Vier Wochen Pause müssen auch Kinobetreiber Bruno Schneyer (rechts) und sein Mitarbeiter Rainer Winkel machen.

"Somit wären die neuen Anordnungen verfassungswidrig. Ein gefährliches Spiel!" kommentiert Schneyer. "Einerseits erwartet die Politik vom Bürger – dem eigentlichen Souverän einer Demokratie – dass er die Gesetze korrekt befolgt, anderseits versäumt man seit Monaten, für die rechtlichen Grundlagen zu sorgen, sich selbst zu solch drastischen Anordnungen zu legitimieren."

Für das Kino empfinde Schneyer den neuerlichen Lockdown als unverhältnismäßig. "Der mündige Bürger kann und will selbst entscheiden, welchen Risiken er sich in seinem Leben aussetzt." Politikern, Virologen, und Medien wirft der Kinobetreiber vor, Bürger zu verängstigen und für unmündig zu erklären.

Keine einzige Infektion im Kino

Er verweist auch auf die strikte Einhaltung der Hygiene-Regeln im Kino: Maskenpflicht und Abstandsregeln werden kontrolliert, es gibt Desinfektionsmittelspender, Kontaktdaten werden erfasst und der Kinosaal werde dauerbelüftet. "Es gibt deutschlandweit keinen einzigen bekannten Fall einer Infektion im Kino." So sagt Schneyer: "Ich bin ein positiv denkender Mensch und würde gerne anderes sagen können. Geht leider nicht. Schade!"

Bühnenkünstler Oti Schmelzer findet die Schließung des kompletten Kulturbetriebs unverhältnismäßig.
Foto: René Ruprecht | Bühnenkünstler Oti Schmelzer findet die Schließung des kompletten Kulturbetriebs unverhältnismäßig.

Der Humorist und Winzer Oti Schmelzer aus Oberschwappach ist unter anderem durch seine Auftritt bei Fastnacht in Franken bekannt. Er betont, weder in der Gastro-, Kino-, Medien noch in der Kulturbranche kenn er jemanden, der das Virus leugnet. "Es gibt sehr gute Hygienekonzepte, die locker vergleichbar sind mit Supermärkten und Baumärkten, wo es mit Abstand weitergeht." Von dem vierwöchigen Lockdown sei er schockiert. Den Verantwortlichen wirft er Beratungsresistenz vor, denn weder die politische Oposition, noch die 1,5 Millionen Betroffenen seien gefragt worden. Zuschüsse für die Kunstschaffenden bezeichnet er als "Schutzhülle für das schlechte Gewissen einer unverhältnissmässigen Pandemieverwaltung".

So erklärt Schmelzer, an der Stelle der verantwortlichen Politiker würde er sagen: "Da ich vom Volk gewählt wurde, werde ich auf keinen Fall stur an einem Konzept festhalten und alles nochmal hinterfragen, eventuell Fehler eingestehen. Denn wenn nachher alles platt ist, gibt es kein zurück!"

"Fitnessstudios sind systemrelevant"

Petra Lurz aus Sylbach ist Inhaberin des "Fitnessland Schweinfurt" und Übungsleiterin für Herz- und Rehasport. Dass auch Fitnessstudios geschlossen werden, sei für sie nicht nachvollziehbar. Denn hier gehe es nicht nur um Vergnügen, sondern auch um die Gesundheit. "Je fitter man ist, desto besser arbeitet das Immunsystem, argumentieren viele Ärzte. In gesundheitsorientierten Fitnessanlagen wird sehr viel für ein gesundes Immunsystem beigetragen", betont sie.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Petra Lurz während eines Beratungsgesprächs in ihrem Fitnessstudio im Januar, als noch niemand an Coronakrise oder Maskenpflicht dachte.
Foto: René Ruprecht | Ein Bild aus besseren Zeiten: Petra Lurz während eines Beratungsgesprächs in ihrem Fitnessstudio im Januar, als noch niemand an Coronakrise oder Maskenpflicht dachte.

Es gehe nicht nur um die körperliche Fitness, auch das seelische Gleichgewicht sei sehr wichtig. "Im Gehirn wirkt Sport wie eine schwache Droge und ,Happymaker'. Die als Glückhormone bekannten Botenstoffe Serotonin und Dopamin werden ausgeschüttet, Stress wird abgebaut und Angst gedämpft, Depressionen vermieden." Zudem gebe es moderne Lüftungsanlagen, krankenhausähnliche Hygienekonzepte und ein lückenloses Check-In-System zur Rückverfolgung von Infektionsketten. Fitnessanlagen seien laut Robert-Koch-Institut nicht dafür verantwortlich, dass Covid-19 stärker verbreitet wird. Viele Menschen litten unter Rückenschmerzen und Bluthochdruck und erführen eine Linderung ihre Probleme durch regelmäßiges Training. "Fitnessstudios sind absolut systemrelevant und notwendig für die Gesundheit", betont Lurz.

 
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