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Hofheim
"DenkOrt Deportationen" für Opfer des NS-Regimes: Warum Hofheim einen Rucksack bekommt und keinen Koffer
Am Freitag wird am ehemaligen Hofheimer Bahnhof ein Gepäckstück in Gedenken an von den Nazis deportierte Menschen enthüllt. Die Hintergründe.
Der Hofheimer Rucksack am 'DenkOrt Deportationen' vor dem Würzburger Hauptbahnhof. Sein Pendant wird nun am Freitag offiziell in Hofheim enthüllt.
Foto: Rebecca Vogt | Der Hofheimer Rucksack am "DenkOrt Deportationen" vor dem Würzburger Hauptbahnhof. Sein Pendant wird nun am Freitag offiziell in Hofheim enthüllt.
Rebecca Vogt
 |  aktualisiert: 17.06.2024 02:38 Uhr

Ein Rucksack und kein Koffer ist es, der am Freitag in Hofheim enthüllt wird. Als Denkmal soll dieser künftig am ehemaligen Bahnhof an die von den Nationalsozialisten deportierten jüdischen Bürgerinnen und Bürger Hofheims erinnern. Die Enthüllung des steinernen Gepäckstücks erfolgt im Rahmen einer Feierstunde, die um 14 Uhr auf dem Marktplatz beginnt und am früheren Bahnhofsgelände endet, wie Dr. Alex Klubertanz vom Verein "Stolpersteine Haßberge" erklärt. Zusätzlich sei aktuell noch eine Stele mit einem Erklärtext in Arbeit.

Teil der Gedenkstätte "DenkOrt Deportationen" in Würzburg

Der Rucksack, der nun in Kürze seinen Platz in Hofheim einnehmen wird, ist Teil des Projekts "DenkOrt Deportationen". Die gleichnamige Gedenkstätte ist vor dem Hauptbahnhof in Würzburg zu finden. Sie wurde im Juni 2020 eröffnet, wie der zugehörige Verein im Internet informiert. Knapp 90, größtenteils steinerne Gepäckstücke reihen sich inzwischen am "DenkOrt" aneinander. Koffer, Rucksäcke, zusammengerollte Decken. Ihre Pendants sind in vielen unterfränkischen Kommunen zu finden.

Im Landkreis Haßberge erinnert zum Beispiel bereits in Westheim ein Koffer an die Jüdinnen und Juden, die von den Nazis einst aus dem Ort deportiert wurden.
Foto: Martin Sage | Im Landkreis Haßberge erinnert zum Beispiel bereits in Westheim ein Koffer an die Jüdinnen und Juden, die von den Nazis einst aus dem Ort deportiert wurden.

"Die Gepäckstücke stellen das zentrale Element des unterfränkischen 'DenkOrts' in Würzburg dar. Sie verbinden ihn mit den Kommunen, aus denen die deportierten Menschen stammten", erklärt der Verein auf der Website des Projekts. Aus dem Landkreis Haßberge haben sich unter anderem Ermershausen, Haßfurt mit Zeil und Kleinsteinach beteiligt. Auch der Hofheimer Rucksack ist dort schon zu finden. Er trägt ein Schild mit der Inschrift "Hofheim in Ufr. mit Lendershausen".

Düsteres Kapitel der deutschen und der Hofheimer Geschichte

"Die Deportationen sind Teil unserer Geschichte", sagt Bürgermeister Alexander Bergmann (CSU) mit Blick auf die Enthüllung des Rucksack-Pendants in Hofheim. Durch die Standorte der Konzentrationslager könne der Eindruck entstehen, dass alles "irgendwo weit weg" passiert sei. "Aber es hat auch hier Menschen getroffen, die zuvor ganz normal am Leben teilgenommen haben."

Angesichts dieses "düsteren Kapitels" der deutschen, aber auch der Hofheimer Geschichte habe sich der Stadtrat entschieden, an dem Projekt teilzunehmen. Den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken, gehöre ebenso dazu wie das Gedenken an die gefallenen Soldaten. Der Rucksack solle erinnern, aber in der aktuellen Zeit gleichzeitig auch mahnen.

Zur Enthüllung am Freitag haben sich unter anderem Landrat Wilhelm Schneider (CSU) und Vertreter beider Kirchen angekündigt, wie Bergmann berichtet. Auch die Bevölkerung sei herzlich eingeladen. "Es wäre schön, wenn interessierte Bürger kommen und dem Ganzen beiwohnen", um so der Veranstaltung einen würdevollen Rahmen zu geben.

Der Hofheimer Rucksack ist aus Burgpreppacher Sandstein

Gefertigt hat den Rucksack und sein Pendant Johannes Faber, Inhaber des Steinmetzbetriebs "Koch & Lenhardt" mit Sitz in Goßmannsdorf. Der Würzburger Verein hinter dem "DenkOrt Deportationen" und der damalige Hofheimer Bürgermeister Wolfgang Borst (CSU) seien auf ihn wegen des Gepäckstücks zugekommen, berichtet Faber.

Ein grobes Konzept für die Ausgestaltung, zum Beispiel die Größe, sei vorgegeben worden. "Und, da schon viele Koffer gemacht hatten, hieß es: Eventuell einen Rucksack", erklärt der Steinmetz. Die Gepäckstücke der Gedenkstätte sollten schließlich bunt gemischt sein. Daher erhält Hofheim nun also einen Rucksack.

Rund zwei Wochen habe er für beide Gepäckstücke gebraucht, sagt Faber. Die Rucksäcke bestehen aus einem heimischen Stein, dem Burgpreppacher Sandstein. Es sei schön, dass regionale Steine verwendet würden und durch die unterschiedlichen Farben jedes Gepäckstück der Gedenkstätte ein wenig anders aussehe, befindet der Steinmetz.

Asphaltkalligrafie auf Gehsteigen der Bahnhofstraße zu sehen

Anlässlich der Enthüllung des Rucksacks in Hofheim werden am Freitag auch Gehsteige in der Bahnhofstraße zu einem Kunstwerk. Die seit 2020 in Hofheim ansässige Kalligrafin und Schriftkünstlerin Melina Müller wird Namen ehemaliger jüdischer Bürgerinnen und Bürger Hofheims dort aufbringen. Mithilfe einer Richtschnur, Rügener Kreide und einem breiten Pinsel kalligrafiere sie diese auf den gereinigten Gehsteigen frei Hand, erklärt Müller.

Die Vorentwürfe der Hofheimer Kalligrafin Melina Müller zeigen einige der jüdischen Familiennamen in der Schriftart 'Schwabacher Fraktur'.
Foto: Melina Müller | Die Vorentwürfe der Hofheimer Kalligrafin Melina Müller zeigen einige der jüdischen Familiennamen in der Schriftart "Schwabacher Fraktur".

Als Schriftart habe sie für die Familiennamen die "Schwabacher Fraktur" und für die Vornamen die "Humanistische Kursive" gewählt, berichtet die Künstlerin. Für das Aufbringen der Namen auf den Gehsteigen seien am Donnerstag fünf bis sieben Stunden eingeplant. Die Asphaltbeschriftung sei nur von kurzer Dauer, der Regen werde sie wieder davonspülen. Sie passe aber zum Gedanken der Stolpersteine, welche für Opfer des NS-Regimes als kleine Gedenktafeln verlegt werden.

Von diesen soll Hofheim erstmals Ende September sechs Stück erhalten, wie der Verein "Stolpersteine Haßberge" bereits angekündigt hat. Die Enthüllung des Rucksacks am Freitag ist also in diesem Jahr nur die erste von zwei größeren Veranstaltungen in der Stadt, mit denen an das Schicksal der jüdischen Bürgerinnen und Bürger erinnert wird.

 
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  • Norbert Meyer
    Gibt es das für die von den USA (8 Mill.) umgebrachten (ges.Indian Holocaust,Ethnozid, 100 Mill.)
    oder deportierten Indianer in USA u. Kanada auch?Haben die USA den Indianern das geraubte Land usw. zurückgegeben?Unter US-Präsident Andrew Jackson u. seinem Nachfolger wurde fast die gesamte amerikanische Urbevölkerung nach Westen vertrieben. Der „Indian Removal Act“,das Indianerumsiedlungsgesetz von 1830, war der Startschuss für diese ethnische Säuberung.
    Gilt Erinnerung nur für Juden?Bei meinen Reisen nach USA habe ich noch keine "Stolpersteine",Rucksäcke
    o.ä. entdeckt,was auf den US-Mord an den Indianern hinweist.
    Quelle:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Indian_Removal_Act
    https://www.schaarschmidt.it/images/stories/Mohawk/Amerika_Holocaust.pdf
    U. Schaarschmidt, München, Indian Holocaust zur UNO/ EU Genozid Debatte
    Ward Churchill, Prof. of American Indian studies with the Department of Ethnic studies
    https://www.tagesanzeiger.ch/wie-amerika-die-welt-der-indianer-zerstoerte-732241674915
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  • Michael Lorz
    Warum sollten wir uns das nicht vorbildmäßige Verhalten anderer Länder zum Vorbild nehmen? Ein jedes Land hat seine Geschichte zu tragen, und es ist wenig zielführend, die Geschichtsaufarbeitung anderer Länder und Nationen mit der unseren zu vergleichen. Nur weil die USA etwas nicht machen, heißt es nicht, dass Deutschland es ihnen gleich tun muss...
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