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Haßfurt
Erstmals Stolpersteine im Landkreis Haßberge verlegt: Erinnerungen an eine Haßfurter Familie
Die Gedenkinstallation in der Haßfurter Hauptstraße erinnert an das Schicksal der jüdischen Familie Rosenthal. Eindrücke von der Verlegung.
Am Pfingstmontag wurden in Haßfurt vor dem ehemaligen Wohnhaus der jüdischen Familie Rosenthal Stolpersteine verlegt.
Foto: Martina Müller | Am Pfingstmontag wurden in Haßfurt vor dem ehemaligen Wohnhaus der jüdischen Familie Rosenthal Stolpersteine verlegt.
Christian Licha
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:45 Uhr

Andernorts gibt es sie schon lange, und jetzt auch im Landkreis Haßberge, genauer, in Haßfurt: Stolpersteine. Sie sollen an die Schicksale der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, deportiert oder ermordet wurden. Am Pfingstmontag erfolgte die Verlegung der Stolpersteine vor dem Anwesen in der Hauptstraße 23.

Die Stolpersteine sollen dort an das jüdische Ehepaar Rosenthal erinnern, das ebenso wie drei seiner fünf Kinder ermordet wurde. Nur den ältesten Geschwistern Hermann und Friedel gelang damals die Flucht vor den Nazis nach England beziehungsweise Palästina.

Verschiedene Beiträge anlässlich der Verlegung der Stolpersteine in Haßfurt

"Haßfurter wurden ermordet, weil ein größenwahnsinniges Regime in Deutschland eine ganze Religionsgemeinschaft ausrotten wollte", sagte Dr. Alex Klubertanz, der Vorsitzende des Vereins Stolpersteine Haßberge, der die Gedenkinstallation in­i­ti­ie­rt hatte. Rabbinerin Antje Yael Deusel aus Bamberg sprach das Kaddisch, eines der wichtigsten Gebete im Judentum.

Bei den sieben Stolpersteinen handelt es sich um quadratische Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten.
Foto: Martina Müller | Bei den sieben Stolpersteinen handelt es sich um quadratische Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten.

Eine Schülerin und drei Schüler des Haßfurter Regiomontanus-Gymnasiums, die sich in einem P-Seminar ebenfalls dem Thema gewidmet und die Vergangenheit aufgearbeitet hatten, trugen Einzelheiten aus dem Leben der Familie Rosenthal vor.

Selma Rosenthal kam demnach, als eine geborene Lonnerstädter, 1885 in Haßfurt zur die Welt. Ihr Ehemann Jonas stammte aus Baden bei Wien, wo er 1879 geboren worden war. Er arbeitete als Kaufmann und Handelsagent. 1938 wurde er mit Berufsverbot belegt, in der Pogromnacht misshandelt und zeitweise in Haft genommen.

Das Ehepaar und seine Kinder Cäcilie, Karoline und Therese, die damals 20, 19 und 13 Jahre alt waren, wurden am 25. April 1942 von Würzburg aus nach Ostpolen ins Ghetto Krasniczyn deportiert. In einem der dortigen Vernichtungslager wurden die Familie und mehr als 800 weitere Insassinnen und Insassen des Zuges direkt nach ihrer Ankunft ermordet.

Hermann Rosenthal und seine Schwester Friedel überlebten den Holocaust

Nur zwei Kinder von Selma und Jonas Rosenthal überlebten den Holocaust. Hermann, der einzige Sohn und im  Jahr 1914 der Erstgeborene der Familie, ging in Haßfurt zur Realschule und wurde später Lehrer. Er wurde im Zusammenhang mit der Pogromnacht verhaftet und zwei Monate im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert.

Nach seiner Entlassung gelang ihm die Flucht nach England, wo er 1988 starb. Den Krieg erlebte er als britischer Unteroffizier zum Teil in Deutschland, wo er ab 1945 nach seinen Eltern und Geschwistern suchte, die da jedoch bereits ermordet worden waren.

Seine Schwester Friedel wurde 1915 geboren und war ebenfalls Schülerin der Haßfurter Realschule. Bereits 1936 emigrierte sie alleine, im Alter von 21 Jahren, nach Palästina. Dort änderte sie ihren Familiennamen in Schulamith und heiratete. 2012 verstarb Friedel im Kreise zahlreicher Nachkommen.

Angehörige der Familie Rosenthal reisten aus England an

Ganz besonders freuten sich die Unterstützerinnen und Unterstützer des Vereins Stolpersteine Haßberge, dass es gelungen war, Nachkommen der Haßfurter Familie Rosenthal ausfindig zu machen. Zusammen mit seiner Ehefrau Bina und weiteren Angehörigen war aus England extra Hermann Rosenthals Sohn Meir angereist.

Bina Rosenthal (links), Schwiegertochter von Hermann Rosenthal, sprach für die Familie. Kim Davey, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Stolpersteine Haßberge, übersetzte die Rede.
Foto: Martina Müller | Bina Rosenthal (links), Schwiegertochter von Hermann Rosenthal, sprach für die Familie. Kim Davey, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Stolpersteine Haßberge, übersetzte die Rede.

Seine Ehefrau Bina hielt in Englisch eine Ansprache, die von der stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins, Kim Davey, ins Deutsche übersetzt wurde: "Lasst das Stolperstein-Projekt eine Quelle der Zufriedenheit für unsere Vorfahren im Himmel sein und eine Erinnerung für uns und weitere Generationen, dass niemals mehr solch Versagen wie in der Vergangenheit wieder passieren wird."

Eine Herzensangelegenheit war es für Bina Rosenthal auch, an die bereits verstorbene Cordula Kappner zu erinnern. Die ehemalige Leiterin des Bibliotheks- und Informationszentrums Haßfurt (BIZ) hatte es sich zu ihrer Lebensaufgabe gemacht, Erinnerungen an jüdische Familien im Haßbergkreis zu sammeln. "Damals nahm Cordula Kappner auch Kontakt zu unserer Tante Friedel auf und besuchte sie in Israel", berichtete Bina Rosenthal.

Künstler Gunter Demnig verlegte die Stolpersteine in Haßfurt persönlich

Bürgermeister Günther Werner (WG) freute sich, den Künstler Gunter Demnig aus der Stadt Alsfeld im mittelhessischen Vogelsbergkreis persönlich in der Kreisstadt begrüßen zu können. Der unter anderem mit den Verdienstorden einiger Bundesländer ausgezeichnete 75-Jährige hatte im Jahr 1992 das Projekt Stolpersteine ins Leben gerufen.

Gunter Demnig, der Künstler, der hinter der Idee der Stolpersteine steht, verlegte diese in Haßfurt persönlich.
Foto: Martina Müller | Gunter Demnig, der Künstler, der hinter der Idee der Stolpersteine steht, verlegte diese in Haßfurt persönlich.

Die Verlegung in der Hauptstraße übernahm Gunter Demnig persönlich. Bei den sieben Stolpersteinen handelt es sich um quadratische Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten, die von Hand mittels Hammer und Schlagbuchstaben mit eingeschlagenen Lettern beschriftet wurden und von einem angegossenen Betonwürfel getragen werden.

Abgerundet wurde das Gedenken mit passenden Gitarrenklängen des Zeiler Musikers Klaus Neubert und seiner Kollegin Regine Brand an ihrer Viola. Weiterhin erinnerten die Schauspielerin Maike Jansen und der Schauspieler Stefan Ferencz aus Hofheim, die sonst mit ihrem mobilen Theater "Pohyb's und Konsorten" durch die Lande reisen, an die Familie.

Die Schauspielerin Maike Jansen und der Schauspieler Stefan Ferencz führten die Besucherinnen und Besucher in der Rolle von Friedel und Hermann Rosenthal durch einige fiktive Szenen.
Foto: Martina Müller | Die Schauspielerin Maike Jansen und der Schauspieler Stefan Ferencz führten die Besucherinnen und Besucher in der Rolle von Friedel und Hermann Rosenthal durch einige fiktive Szenen.

Das deutsch-slowakische Theaterduo verwandelte sich in einer fiktiven Begegnung in das Geschwisterpaar Hermann und Friedel. Das Ganze war als Spaziergang gestaltet, dem die rund 200 Gäste durch die Haßfurter Altstadtgassen bis zur Promenade folgten. Die ehemalige Synagoge in der Schlesinger Straße sowie auch das Denkmal zur Erinnerung an die Judenverfolgung waren unter anderem Stationen dieser Reise in die Vergangenheit.

 
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  • fabian-koenig@t-online.de
    Eine richtige und so wichtige Aktion! Wir können die Toten nicht mehr lebendig machen - die Toten bleiben tot, und mit ihnen auch ihre fiktiven Nachkommen, die nie geboren wurden. Das Mindeste ist, ihrer zu gedenken und sie niemals dem Vergessen anheim zu geben. Ich bin froh und dankbar, dass es Menschen gibt, die sich dies zur Aufgabe machen. Und hoffentlich wird auch das Werk von Gunter Demnig einst fortgeführt werden, bis auch dem letzten Opfer des Terrorregimes ein Stolperstein verlegt wird.
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  • micher11390705
    Hoffentlich stolpert man nicht wirklich über die Steine denn stolperstellen gibt es genug in der Stadt.
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