Es sind gerade wirtschaftlich turbulente Zeiten. Personalmangel ist das beherrschende Thema – im Handwerk, in der Industrie, bei den Dienstleistern, in der Gastro-Branche. Das bestätigt sowohl Thorsten Hildmann von der Handwerkskammer Unterfranken in Bad Neustadt als auch Wirtschaftsförderer Michael Brehm vom Landratsamt Haßberge. Nahezu täglich liest und hört man darüber hinaus von Geschäftsschließungen und Insolvenzen.
Dennoch hat sich Melanie Schuhmann von der turbulenten wirtschaftlichen Lage nicht abschrecken lassen und sich einen Traum erfüllt: Anfang Oktober eröffnete sie ihren eigenen Friseursalon in Pfarrweisach. Sie firmiert unter dem Namen "Schnittlager am Bauhof". Zugegeben: Schnittlager findet man in erster Linie in der Welt der Kugellager. Im Fall von Schuhmann ist es ein Kunstwort: aus dem Wort Haar-"Schnitt" und dem ehemaligen BayWa-"Lager", in dem der Salon untergebracht ist. Nebenan sind die großen Hallen des Bauhofs. Deshalb: "Schnittlager am Bauhof"
Als angestellte Friseurin einen Stundenlohn von zwölf Euro erhalten
"Meine Familie war die treibende Kraft, den Schritt vom Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit zu wagen", sagt Schuhmann bei einem Pressetermin. Sie berichtet, dass sie jetzt über 30 Jahre in ihrem Beruf tätig sei. Gelernt hat sie in Ebern, danach war sie 25 Jahre in einem Salon tätig. "Als Fachkraft mit dem Stundenlohn von zwölf Euro abgestempelt zu werden, das war einfach zu viel des Guten", resümiert sie enttäuscht.
Als die Entscheidung für den Weg in die Selbständigkeit gefallen war, sei es ratzfatz gegangen. Schnell sei sie auf der Suche nach einem geeigneten Raum mithilfe von Bürgermeister Markus Oppelt (CSU) fündig geworden. Er bot ihr im ehemaligen BayWa-Lagerhaus, in dem die Familie Oppelt das Obergeschoss bewohnt, das Erdgeschoss an, den ehemaligen Lagerraum. "Dann war es klar: Wir machen es!", blickt die Friseurin stolz zurück.
Anfang August ging es mit den Umbauarbeiten los, bis Ende September war dank der Mithilfe von Bekannten der Salon fertig, wie Schuhmann berichtet. Auf 140 Quadratmetern präsentiert sich nun ein helles Ambiente mit drei Kundenplätzen, einem Boden aus Lärchenholz und apricotfarbenen Wänden. "Ich wollte Wohlfühloasen schaffen, nicht nur Haare schneiden", erklärt sie. Ihr Mann Oliver sei während der Arbeiten für die Organisation zuständig gewesen und halte ihr nun auch nach der Eröffnung den Rücken frei.
Und die Finanzen? 30.000 Euro hat sie bis jetzt für die Ausstattung ausgeben müssen, wie Schuhmann berichtet. 1800 Euro gebe es von der Agentur für Arbeit als Gründungszuschuss, verteilt auf sechs Monate. Zurzeit arbeite sie allein und sei damit "sehr zufrieden". Ihren Kundenstamm aus ihrer Angestellten-Zeit habe sie im Rücken. "Auf die kann ich mich verlassen." Seit der Eröffnung habe sie auch bereits neue Kundinnen und Kunden dazu bekommen. Und ihr größter Wunsch sei in Erfüllung gegangen: "Ich wollte auf alle Fälle in der Gemeinde Pfarrweisach bleiben."
Steigende Tendenz zur Selbstständigkeit, aber offenbar nicht im Haßbergkreis
Große Unterstützung habe sie während der Planungsphase von der Handwerkskammer Unterfranken und Thorsten Hildmann erfahren, sagt Schuhmann. Er sehe eine steigende Tendenz zur Selbständigkeit im Bereich der Handwerkskammer, berichtet Hildmann. Bei den Mitgliedsbetrieben gebe es deshalb einen "positiven Überschuss" in Unterfranken, gleich ob im Vollerwerb oder Nebenerwerb.
Anders sieht es Wirtschaftsförderer Michael Brehm: Im Haßbergkreis gebe es "seit Jahren ein niedriges Niveau an Existenzgründern". Auch lange vor Corona sei das so gewesen. Deshalb habe man auch die Existenzgründer-Seminare, die Interessierten kostenlos angeboten wurden, "eingestampft". Es hätten sich immer ein halbes Dutzend oder mehr angemeldet, doch zu den Veranstaltungen gekommen seien am Ende "nur ein oder zwei Interessenten".
Und bei den Friseurinnen und Friseuren selbst? Hier sieht Oliver Merkl, Obermeister der Friseur-Innung Haßberge, eine rückläufige Betriebsgründung. In seinem Betrieb in Haßfurt stünden neun Angestellte in Lohn und Brot, damit sei er der größte Betrieb im Haßbergkreis. "Normalerweise arbeiten ein oder zwei Fachkräfte in einem Salon", sagt er. Merkl führt ein anderes Thema an: die Ausbildung. Hier merkt er resignierend an, dass viele Betriebe keine Lehrlinge mehr ausbilden würden, "weil es sich einfach nicht mehr rechnet". Es habe auch in den vergangenen Jahren weniger Bewerberinnen und Bewerber für den Beruf gegeben.