Einmal pro Monat treffen sich die Jägerinnen und Jäger in Haßfurt zu einem Stammtischgespräch. Die jüngste Zusammenkunft war für die Gemeinschaft indes ein besonderer Tag: Elf Männer und Frauen erhielten da nach erfolgreicher Prüfung ihren Jagdschein. Damit reihen sie sich in die über 400.000 Menschen ein, die in Deutschland die Lizenz zur Jagd erworben haben. Der Jagdschein sei beliebter denn je, war beim Stammtisch zu erfahren. Um 36 Porzent ist die Anzahl der Jägerinnen und Jäger laut Deutschem Jagdverband (DJV) in den letzten 30 Jahren angestiegen.
Und das, obwohl sich der Weg zur Erlangung als zeitaufwendig, anstrengend und kostspielig erweist: 5000 Euro fallen, so die Aussage in Haßfurt, schon an. Und das erforderliche Fachwissen ist umfangreich: Waffenrecht, Wildtierkunde, Jagd-, Tierschutz- und Naturschutzrecht, Hege und Wildkrankheiten, Land- und Waldbau. Und das Hundewesen. Freiwillige Option sei weiterhin, das Jagdhorn zu beherrschen. Die Durchfallquote lag laut DJV bei 25 Prozent.
Im Landkreis Haßberge gehen die Uhren anders: Es gibt aktuell 879 und damit doppelt so viele Jagdscheine wie im bundesdeutschen Durchschnitt. Die Durchfallquote sei traditionell gering, im abgelaufenen Kurs haben elf von zwölf Auszubildenden die Prüfung bestanden, vermeldet Ausbildungsleiter Andreas Schlereth (37). Er blickt in die Runde: "Fünfzehn Fachleute sind im Ausbildungskader eingebunden." Die Schützlinge kämen aus allen Gesellschaftsschichten, "da sitzt der Professor neben dem Bauarbeiter", die Altersspanne sei gewaltig, von 15 bis 65 Jahre. Und was den Frauenanteil betrifft: Der steigt mächtig an. Laut Schlereths Vorgänger Hermann Langguth lag er 1995 bei fünf Prozent, "im vergangenen Kurs bei 40."
Das Landratsamt Haßberge nennt Zahlen: Aktuell gibt es im Landkreis Haßberge 879 Jagdscheine, verteilt auf 775 Jäger und 104 Jägerinnen. 2014 waren circa 755 Jäger und 75 Jägerinnen, also insgesamt 830 Scheine registriert.
Schülerin Ute Krämer ist 67 Jahre alt. "Ich werde nie mit einer Waffe losziehen". Und doch zeigt sie sich interessiert bis in die Haarspitzen: "Die Ausbildung öffnet meinen Blick, ich bekomme ein Wissen vermittelt, was spielt wie zusammen, was ergänzt sich." Ein Jäger sei nicht nur zum Schießen da: "Er geht raus, schaut die Natur an." Warum sie den Jagdschein mache? Sie möchte Falknerin werden.
Nicht das Schießen steht im Fokus
Nicht das Schießen, wird in den Gesprächen immer deutlicher, steht im Focus der Angesprochenen, sondern der Dialog mit der Natur, die Hege des Reviers und auch die Dienstleistung an den Menschen: So bei Oliver Weiß aus Kreuztal: Seit seiner Kindheit habe ihn das interessiert, und daher sei auch die theoretische Prüfung für ihn recht leicht gewesen: "Aber Du brauchst auch gute Lehrende: Die Prüferin bescheinigte mir eine ausgezeichnete Ausbildung", sagt der 44- jährige Industriemeister.
Hierzu meint Langguth: "Wir wollen Revierjäger ausbilden, nicht Herbstjäger, die nur zum Schießen bei Drückjagden anrücken. Er war vor dreißig Jahren der erste Ausbildungsleiter in Haßfurt. Obwohl der abzuarbeitende Grundkatalog feststehe, seien die Ausbildungsinhalte stets anzupassen: Lebensraum schwindet, der Freizeitdruck nimmt zu, heute stehe der Jagdfokus auf Reh und Sau, früher auch Rebhuhn, Hase, Fasan.
Der Klimawandel hat auch die Jagd verändert
Klimabedingt seien die Mainauen heute ein Schlaraffenland für die Gänse. Und dann der Waschbär: Der fresse die Bodenbrüter und wenn er in eine Wohnung komme, hinterlasse er ein Chaos. Mit Lebendfallen rückten die Jagenden dem Waschbären zu Leibe, bevor dann in freier Natur der Schuss fällt. Der große Beutegreifer sei allerdings der Wolf, seine Entwicklung müsse man abwarten.
Schlereth brennt für das Jagdwesen, "wird eins mit der Natur, rausgenommen aus der Zeit." sein Revier in Wülflingen ist ihm ein kleines Paradies. Er betreibt Heckenpflege, Insekten siedeln sich an, "tierische Eiweißnahrung". Er redet mit den Landwirten, damit sie ernten, "wenn das Gelege draußen ist", und bespricht den Mulchzeitpunkt, denn "die Insekten sitzen in den Stengerln". Er pflanzt Bäume. Und beobachtet ganzjährig: Scheespuren, kommen die Hasen durch? Wie verhalten sich die Zugvögel? Wie ist die Eichen- und Buchenmast, haben Sauen genug zu fressen?" Sein großer Stolz: das Rebhuhn kam zurück!
Auch Oliver Weiß aus Kreuztal streift mit Begeisterung durch die Flur, "und das schon seit frühester Kindheit". Sein Interesse liegt an dem Verbund Fläche, Flora und Fauna, "des Ganzen eben". Und es geht ihm um die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel: "Wir machen unsere Würste selber, sind stolz darauf, das schmeckt ganz anders."
Tobias Stöhr aus Prappach ist an sechs von sieben Tagen mit seinen beiden Hunden im Revier, zwei Stunden seien schnell herum. Der 35-jährige Industrieelektrotechniker: "Du hast Dein eigenes Revier, du sieht es anders, kümmerst Dich vollumfänglich. Er baue Nistkästen, 100 Streuobstbäume wurden gepflanzt. Klar sei, "das Fleisch ist auch ein Grund".
Vorsitzender Egon Frank schaut zufrieden: Das Interesse sei enorm, die Ausbilder hervorragend. Die Bläser der Kreisgruppen aus Haßfurt, Ebern und Hofheim hätten sich zusammengefunden. Den Dialog mit Behörden und Landwirten bezeichnet er als konstruktiv. Frank wird bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten. Doch er hinterlässt, so der Tenor im Saal, ein bestelltes Haus.