
Nicht nur, wenn es um schwere Erkrankungen geht: Wer als Patientin oder Patient beim Arzt sitzt, fühlt sich oft überfordert. Zu viele Fachbegriffe, zu viel Unverständliches, zu viel Angst im Hinterkopf. Wie lässt sich das verbessern? "Patienten dürfen sich vorbereiten", sagt Joachim Lentzkow, Beauftragter der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns für Unterfranken.
Im Gespräch erklärt der Hausarzt mit Praxis in Goldbach (Lkr. Aschaffenburg), warum ihn ein Zettel voller Fragen nicht erschreckt, was er von Google-Diagnosen hält - und wie empathisch man als Mediziner sein darf.
Joachim Lentzkow: Die jungen Kollegen heute trainieren das im Studium, die Babyboomer-Generation hat es nicht gelernt. Ich persönlich denke, ein Arzt-Patienten-Gespräch kann und sollte auf Augenhöhe stattfinden, gerade im Hausarztbereich. Ich kann niemandem etwas befehlen, das Prinzip der geteilten Verantwortung ist wichtig. Aber sicher muss man manches mit Nachdruck vertreten, etwa, wenn es um eine ungerechtfertigte Krankmeldung geht oder ein Patient fahrlässig mit seiner Gesundheit umgeht.
Lentzkow: Das ist eine spannende Frage. Ich bin jetzt seit 23 Jahren in meiner Praxis und mich beeindruckt, mit welchen Aussagen von früher ich konfrontiert werde. Vieles, was ich irgendwann mal gesagt habe, vielleicht auch was mir rausgerutscht ist, wird von Patienten noch Jahre später zitiert. Da erschrecke ich über mich selbst. Ich glaube deshalb nicht, dass drastische Aussagen gut sind. Wenn man aufrütteln will, sollte man lieber motivieren als drohen.
Lentzkow: Das stimmt leider und ich weiß nicht, was die Ursache dafür ist. Vielleicht Zeitmangel, auf beiden Seiten. Patienten wollen schnell wieder raus, wollen gar nicht genau hinhören oder haben eine vorgefasste Meinung. Sie haben sich etwas angelesen und ich sage dann etwas anderes. Ob ich mit meinem Rat durchdringe, weiß ich nicht. Umgekehrt kommt es auch bei mir vor, dass ich nicht richtig zuhöre oder dass ich etwas übersehe, weil ich in meiner Meinung über den Patienten verhaftet bin.
Lentzkow: Patienten dürfen sich vorbereiten. Sie können sich einen Zettel mit Fragen oder Stichpunkten schreiben, so dass sie nichts vergessen und ihre Gedanken vorab sortiert haben. Das ist ein Vorteil für uns beide. Ich erschrecke nicht, wenn ein Patient einen Zettel voller Fragen herauszieht. Das ist eher gut, denn dann können wir das Punkt für Punkt durchgehen. So ist das Gespräch nach den Vorstellungen des Patienten gegliedert und so hört er besser zu.
Lentzkow: Nein, überhaupt nicht. Das Problem bei Google-Diagnosen oder Therapie-Empfehlungen der KI ist nur, dass diese wie ein aufgeblasener Beipackzettel sind. Sie zeigen pauschal alle Risiken auf, nicht individuell für den Patienten.

Lentzkow: Patienten sind mündiger geworden. Das Monopol der Wissensvermittlung haben wir als Ärzte nicht mehr. Das hat sich gerade auch durch das Internet verändert. Ich würde aber zwischen Patienten, die informierter auftreten und solchen, die fordernder auftreten, unterscheiden. Letztere stören uns, weil kein Mensch gerne mit jemanden kommuniziert, der von vorneherein sagt: Du musst mir jetzt eine Überweisung für ein MRT ausstellen, ich habe schon einen Termin.
Lentzkow: Eine ganz große, gerade als Hausarzt. Patienten, die mit Schmerzen im Knöchel zu mir kommen und denen ich sage, es ist in zwei Wochen wieder gut – die müssen mir glauben. Als Hausarzt haben wir wenig Möglichkeiten der Bildgebung, um unsere Diagnose zu belegen. Es ist deshalb mein Job, das Vertrauen an die Heilung zu vermitteln.
Lentzkow: Gerade da ist das Vertrauen wichtig. Mein Ziel ist es, bei jeder schweren Diagnose Zuversicht zu vermitteln, für das, was möglich ist – aber keine unbegründeten Hoffnungen zu wecken. Ich möchte vermitteln: Ich bin bei dir, du brauchst keine Angst haben. Aber ich verschweige nicht, wenn die Chancen schlecht stehen.
Lentzkow: Fairerweise muss man sagen, es ist Routine. Leider. Mein Job ist es, alle neun Minuten auf einen völlig neuen Menschen umzuschalten. Wenn ich aber schwere Diagnosen überbringen muss oder weiß, dass es einem Patienten sehr schlecht geht, dann versuche ich mir den Termin in die Abendstunden zu legen, so dass ich zumindest mehr Zeit habe.
Lentzkow: Wenn die Patienten erstarren und das Gesagte nicht mehr aufnehmen, dann muss man sich Zeit nehmen. Entweder im gleichen Moment oder bei einem neuen, zeitnahen Termin. Gegebenenfalls hilft es, Angehörige oder Vertrauensperson mit einzuladen. Auf jeden Fall muss alles in einer ruhigen Atmosphäre erfolgen und für Fragen muss Zeit sein.
Lentzkow: Ich finde, jeder Arzt muss authentisch sein. Wenn mir Trösten nicht liegt, werde ich das nicht machen. Aber ich selbst nehme Patienten oder Angehörige auch in den Arm, wenn sie weinen.
Lentzkow: Ich habe 25-jährige Jungs, die noch mit ihrer Mutter in die Sprechstunde kommen. Das ist von beiden Seiten grenzwertig. Aber gerade bei alten oder unsicheren Menschen kann es sinnvoll sein.
Lentzkow: Das wäre mir am liebsten, das fände ich richtig gut. Und das muss ich aushalten können. Wenn ich merke, dass meine Patienten mich nie verstehen, dann liegt es an mir. Dann wäre vielleicht ein Kommunikationstraining gut.