Der Wechsel für die Veranstaltung von der Georgi-Kurhalle in die große TV-Halle: Er hat sich allemal gelohnt. Mehr als 300 Bürgerinnen und Bürger der Stadt – das sind immerhin knapp fünf Prozent der Bevölkerung – kamen zur Podiumsdiskussion mit den drei Bürgermeisterkandidaten Dirk Stumpe (PWG), Jan Marberg (SPD) und Heribert Übelacker (CSU) am vergangenen Donnerstagabend, organisiert von Main-Post und Saale-Zeitung. In die kleinere Georgi-Halle hätten nicht alle Interessierten hineingepasst.
Zehn Tage vor der Wahl liefen die Kandidaten zur Hochform auf und präsentierten kleinere und, deutlicher als bisher, größere Unterschiede in der Herangehensweise an die Themen der Stadt. Auch dank der beiden Moderatoren Simon Snaschel (Main-Post) und Steffen Standke (Saale-Zeitung), die kurzweilig und abwechslungsreich und immer mit sportlichem Bezug durch den Abend führten.
Feine Unterschiede in Antworten der Bürgermeisterkandidaten in Bad Brückenau
Waren sich Stumpe, Marberg und Übelacker in manchen Punkten einig, beziehungsweise handelte es sich in ihren Antworten nur um Nuancen (bessere Außendarstellung der Stadt, Re-Prädikatisierung des Bad-Titels und Kooperation mit dem Staatsbad), so gab es größere Unterschiede bei den Themen Innenstadt, Sinnflut und Energieversorgung. Für manchen Gast war im Nachgang genau das ausschlaggebend für die bevorstehende Wahl.
Mit Blick auf den ersten großen Themenblock, die Innenstadtentwicklung, plädierte Dirk Stumpe für ein Umdenken: "Ich glaube nicht, dass Filialisten zurückkehren." Aber bereits mit wenig Aufwand ließe sich die Ludwigstraße erlebbarer machen. Außerdem werteten "kleinteilige Läden, Bistros, Cafés und Showrooms die Stadt auf", so der 49-Jährige.
Innenstadt aufwerten: Befahrbar oder nicht?
Wieder befahrbar machen möchte Heribert Übelacker die für Autos teilweise geschlossene Innenstadt. Damit käme mehr Leben in die Ludwigstraße. Darüber hinaus müsse Quartiers- und Leerstandsmanagement die Innenstadt zukünftig stärker beeinflussen. Rund 30 Prozent der Hauseigentümer in der Innenstadt kämen nicht aus Bad Brückenau, sondern nutzen die Gebäude als Rendite- oder Abschreibungsobjekte. Zur Ansiedlung von Geschäften in der Innenstadt schlug Übelacker zudem vor, die Miete der Interessenten im ersten Jahr zu übernehmen.
Für Jan Marberg ist ein Mehrfunktionenhaus in der Innenstadt ein großes Ziel, um beispielsweise Stadtbücherei, einen Sitzungssaal und Jugendraum unterzubringen. Eine Rückkehr von Einzelhändlern in die Ludwigstraße hält auch er für unwahrscheinlich. Die Bürgerbeteiligung sei in der Vergangenheit nicht ausreichend genutzt worden. Hier soll vermehrt in Bürgerwerkstätten auf die Ideen aus der Bevölkerung Rücksicht genommen werden.
Bad Brückenau als neuer Wirtschaftsgründer-Standort?
"Durch die Stadt verläuft die größte Glasfaserleitung Deutschlands, die sogenannte Ost-West-Glasfaserleitung", verkündete Dirk Stumpe eine für einige Anwesende neue Erkenntnis. Diese sei aber aktuell nicht ausreichend ausgenutzt. Zusammen mit den beiden Autobahnausfahrten und im Zentrum Deutschlands gelegen, biete sich die Region ideal als Gründerzentrum an. Dies würde für mehr Einnahmen sorgen. Auch Jan Marberg sieht darin eine Chance, aber er betonte: "Die Außendarstellung muss professioneller werden."
Im ersten persönlichen Gespräch auf dem "heißen Stuhl" offenbarte Heribert Übelacker, dass er eine zweite Amtszeit, also insgesamt 14 Jahre Bürgermeisteramt, anpeile. Wegen der außerplanmäßigen Bürgermeisterwahl besteht die Amtsperiode für die kommenden acht Jahre. Er bringe den Mut, das Know-how – bedingt durch seine aktuelle Position als Dritter Bürgermeister – und einen überaus kooperativen Führungsstil mit.
Partei nicht ausschlaggebend für Wahlkampf in Bad Brückenau
Moderator Steffen Standke enthüllte zudem die Tatsache, dass Übelacker schon mal in Mainz auf der Fastnacht im Männerballett mitgetanzt hatte. Für Bad Brückenau würde ihm aber lieber die Bütt vorschweben, gab Überlacker zu.
Im "heißen Stuhl" von Jan Marberg begründete er auf Nachfrage von Simon Snaschel, warum auf seinen Wahlplakaten, in seinem Wahlprogramm, kein Hinweis auf die Partei, die SPD, sei. "Wir sind hier nicht in der Bundespolitik, wo die Parteizugehörigkeit ausschlaggebend ist", konterte er geschickt. In der Kommunalpolitik gehe es um eine Persönlichkeitswahl, dafür möchte er auch stehen, "nah am Bürger und transparent".
Fitness Voraussetzung für Amt als Bürgermeister
Sein Hobby, das Skateboarden, würde er gerne noch nebenbei weiterbetreiben. Als "skatender Bürgermeister" könnte er sogar in die Geschichte eingehen. Ein Alleinstellungsmerkmal wäre das allemal.
Im Gespräch auf dem "heißen Stuhl" mit Dirk Stumpe und Steffen Standke ging es in erster Linie um seine persönliche Reifung in den vergangenen Jahren. Als "neuer Mensch" bezeichnete sich Stumpe, in dem ein "Feuer entfacht" worden sei, insbesondere durch die Konkurrenzsituation in der eigenen Parteilosen Wählergemeinschaft am Anfang des Wahlkampfs.
Neue Fördermöglichkeit für die Therme Sinnflut
Jetzt fühle er sich körperlich und seelisch durch Persönlichkeitscoaching bereit für das anstrengende und fordernde Amt. "Die Gesundheit ist die Basis für die Arbeit." Alle "Tassen im Schrank" habe er außerdem durch seine ganz besondere Sammelleidenschaft, nämlich außergewöhnliche Mocca-Tassen aus den vergangenen 200 Jahren. Auch damit sorgte Stumpe für einen Lacher bei den Zuschauern.
Ernster wurde es wieder beim Streitthema Therme Sinnflut: Auch wenn es voraussichtlich eine neue Förderung für einen Neubau gibt, so möchte sich keiner der Kandidaten komplett auf die große Lösung eines Familienschwimmbades mit Sportfunktion verlassen. Dafür sei die Situation zu unsicher.
Beim Klima unterschiedliche Herangehensweisen
Dennoch: Übelacker könne sich vorstellen, als Bürgermeister ein neues Bad in abgespeckter Version mit bestehendem Außenbecken und bestehender Sauna in Angriff zu nehmen. Stumpe möchte als Bürgermeister das Freibad und die Saunalandschaft umgehend wieder eröffnen, eventuell mit Überdachung als Winterlösung und Marberg sieht die Umsetzung wegen der finanziellen und personellen Situation als besonders schwierig an. Für ihn steht an erster Stelle: "Was ist darstellbar für den Stadthaushalt? Wer wird das Bad betreiben?"
Entscheidende Unterschiede zeigten sich auch in Sachen Energieversorgung und regenerative Energien. Übelacker schreibt sich auf die Fahne, als Bürgermeister für die Stadt bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Ein überdachter Parkplatz auf dem Bahnhofsgelände mit installierter PV-Anlage sowie zusätzlich alle städtischen Gebäuden mit Photovoltaik auszurüsten, sollen dazu beitragen. Die Gründung einer Genossenschaft für Projekte sei zudem wichtig.
Rund 600 Zuschauer im Live-Stream
Komplett anderer Meinung war da Stumpe: Er hält es für zu hoch gegriffen, regional Windparks oder PV-Flächen anzugehen. "Das ist alles schon durchdacht worden, außerdem ist die Verwaltung zu träge." Vielmehr sei zu überlegen, welche städtischen Gebäude abgestoßen oder in Nutzung genommen der sollten.
Nach dreistündiger Diskussion mit teilweise rund 600 Zuschauern im Live-Stream schloss die Veranstaltung – und um im Jargon zu bleiben – ohne Verlängerung.