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Streit um eine Giebelwand nach Großbrand in Platz 2022: Ehepaar Hellmann kämpft bis heute mit Folgen der Katastrophe
Der verheerende Brand hat das Leben der Hellmanns nachhaltig verändert. Der Abriss des Nachbarhauses stellt sie vor finanzielle und rechtliche Herausforderungen.
Paulina und Gerd Hellmann vor ihrem Haus in Platz. Die sanierungsbedürftige Giebelwand im Hintergrund ist Streitobjekt.
Foto: Simon Snaschel | Paulina und Gerd Hellmann vor ihrem Haus in Platz. Die sanierungsbedürftige Giebelwand im Hintergrund ist Streitobjekt.
Simon Snaschel
 |  aktualisiert: 08.12.2024 02:31 Uhr

Wie nah Glück und Unglück beieinander liegen können, zeigen die jüngsten beiden Jahre im Leben von Gerd und Paulina Hellmann. Rund anderthalb Jahre nach dem verheerenden Großbrand in Platz im Landkreis Bad Kissingen holen die Geschehnisse aus dem Sommer 2022 das Ehepaar ein. Weil das Nachbarhaus abgerissen wird, müsste das Heim der Hellmanns aufwendig saniert werden. Nur: Wer trägt die Kosten? Das Tischtuch zwischen Familie und Gemeinde scheint zerrissen.

Rückblick: Am 10. August 2022 kommt es im beschaulichen Platz zur Katastrophe. In einer Scheune bricht ein Feuer aus, das rasend schnell auf umliegende Gebäude übergreift. Insgesamt 14 Objekte sind betroffen, zwei Wohnhäuser und fünf Scheunen fallen den Flammen zum Opfer. Ernsthaft verletzt, das bleibt bis heute die einzig gute Nachricht, wird bei dem Brand niemand.

Mitten im Inferno: das Haus der Hellmanns in der Marktstraße. Es steht direkt neben der Scheune, in der der Brand seinen Anfang nimmt.

Beim Großbrand in Platz im August 2022 hatte Familie Hellmann "mehr als nur Glück"

Gerd Hellmann spricht heute von "unbeschreiblichem Glück", das seine Frau und er damals hatten. Und das, obwohl das Paar bei dem Brand zwei Scheunen samt Inhalt verliert: einen Zwei-Jahres-Vorrat an Brennholz, eingelagerte Möbel, tragisch verendete Tiere. "Ich hatte in einer Scheune eine Fasanenzucht", erklärt Hellmann.

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Aber: Wie durch ein Wunder erleidet das Wohnhaus der Hellmanns kaum Schäden, während ringsherum das Feuer wütet und zerstört. "Einige Fenster sind geborsten, die Fassade und die Dachrinne haben ein bisschen was abbekommen. Mehr nicht. Das ist mehr als nur Glück", sagt der 67-Jährige noch einmal. Anders sieht es am Nachbarhaus aus. Die Rückwand sowie das Dach werden durch die Flammen so stark beschädigt, dass das Gebäude danach nicht mehr bewohnbar ist.

Die Aufnahme aus dem Mai 2023 zeigt das Haus der Familie Hellmann (rechts) mit dem inzwischen abgerissenen Nachbarhaus.
Foto: Torsten Leukert (Archiv) | Die Aufnahme aus dem Mai 2023 zeigt das Haus der Familie Hellmann (rechts) mit dem inzwischen abgerissenen Nachbarhaus.

Zwei Jahre später, im Jahr 2024, entscheidet die Eigentümerin sich gegen eine Sanierung und dafür, das leerstehende Haus abreißen zu lassen. Mit diesem Entschluss holt der Brand die Hellmanns wieder ein. Denn: Ihr eigenes Haus ist mit dem benachbarten baulich als eine Art Reihenhaus verbunden – und hat keine eigene Giebelwand. Sehr vereinfacht ausgedrückt würde ein kompletter Abriss also bedeuten, dass die Hellmanns künftig nur noch über drei Außenwände verfügen.

Der Abriss erfolgt im Herbst 2024 trotzdem, die Giebelwand bleibt aber stehen und wird provisorisch gesichert. Seitdem kämpft Gerd Hellmann dagegen an, die Kosten für die weitere Herrichtung zu übernehmen. "Das Gebäude müsste gesichert und gedämmt werden", so Hellmann. Er schätzt die Gesamtkosten auf rund 25.000 Euro, alleine am Dach müsse man wohl rund 6500 Euro investieren.

Das Haus der Hellmanns heute, im November 2024.
Foto: Simon Snaschel | Das Haus der Hellmanns heute, im November 2024.

Geld, das die Familie nicht hat, so der Rentner. Nach mehreren Herzinfarkten wirkt er gesundheitlich stark angeschlagen. "Wir haben einfach keine Kraft mehr, keine Energie", sagt auch seine 42-jährige Ehefrau. "Die Kosten für den Giebel würden wir ja vielleicht noch stemmen, aber nicht die ganze Wand", so Gerd Hellmann. Nur: Wer sonst soll diese Kosten übernehmen?

Es stellen sich auch rechtlich viele Fragen, die Fronten scheinen dabei verhärtet

Vergleichbare Fälle gibt es. So formulierte der Bundesgerichtshof im Jahr 2012: "Wird eines von zwei aneinandergrenzenden Gebäuden abgerissen, die über eine gemeinsame Giebelwand verfügen, so kann der Eigentümer des verbliebenen Hauses von dem Nachbarn verlangen, dass die Giebelwand wärmegedämmt und verputzt wird. Unterbleibt dies, so kann er die Arbeiten selbst vornehmen und Erstattung der entstandenen Kosten verlangen." Andere Beispiele bestätigen diese Einschätzung. Aber: Die Nachbarin, die den Abriss seinerzeit in Auftrag gab, ist mittlerweile nicht mehr am Leben.

Der Ärger der Hellmanns richtet sich gegen den Markt Geroda und dessen Bürgermeister Alexander Schneider. Denn die Gemeinde, so Gerd Hellmann, sei mittlerweile Eigentümerin des Grundstücks.

Gerodas Bürgermeister Alexander Schneider.
Foto: Simon Snaschel (Archiv) | Gerodas Bürgermeister Alexander Schneider.

Alexander Schneider bestätigt das im Gespräch mit dieser Redaktion nur teilweise. "Es war vereinbart, dass das Grundstück nach dem Abriss auf die Gemeinde übergeht", so der Bürgermeister. Für den zuvor beauftragten Abriss und dessen Folgen jedoch sieht er den Markt nicht in der Pflicht.

Es ergeben sich Fragen, die wohl nur Juristen beantworten können: Gilt der Abriss als vollzogen, solange die Giebelwand noch steht? Und: Handelt es sich überhaupt um eine gemeinsame Giebelwand, wo doch das Haus Hellmann – wie die Grundrisse zeigen – erst nachträglich an die bestehende Wand angebaut wurde? Die Häuser sind beziehungsweise waren um die 100 Jahre alt. Welche Vereinbarungen wurden damals getroffen, als es auch im Baurecht deutlich weniger Paragrafen gab?

Die noch vorhandene Giebelwand gehörte ursprünglich offenbar zum Nachbarhaus.
Foto: Simon Snaschel | Die noch vorhandene Giebelwand gehörte ursprünglich offenbar zum Nachbarhaus.

Fragen, auf die beide Parteien ihre Sichtweise haben. Und in denen eine außergerichtliche Einigung mittlerweile in weiter Ferne scheint. Zunächst habe es einige Gespräche gegeben, inzwischen ist das Tischtuch wohl komplett zerschnitten. "Die Tür ist zu, wir sollen über den Tisch gezogen werden, es wird viel verdreht und verwechselt", erhebt Hellmann Vorwürfe gegen den Bürgermeister.

Die Hellmanns wollen mit dem Markt Geroda nur noch schriftlich kommunizieren

Der formuliert es moderater, sagt aber: "Die Situation ist sehr verfahren." Die Hoffnung, zu einer Lösung zu finden, habe Schneider nach wie vor. "Mir tut es für die Familie Hellmann wirklich sehr Leid. Nur können wir als Markt Geroda wenig dafür. Ich als Bürgermeister bin immer nur als eine Art Vermittler aufgetreten", so der 36-Jährige.

Auch von innen ist das Wohnhaus der Hellmanns nur provisorisch gesichert und nur teilweise gedämmt.
Foto: Simon Snaschel | Auch von innen ist das Wohnhaus der Hellmanns nur provisorisch gesichert und nur teilweise gedämmt.

Für die Hellmanns ist klar: Sie wollen keine Gespräche mehr mit der Gemeinde führen, sondern nur noch schriftlich kommunizieren. Sollten sie selbst für die Sanierung aufkommen müssen, werden sie ihr Haus nicht halten können. Verkaufen wollen sie es dann aber nicht, kündigt Gerd Hellmann an: "Wir lassen das Haus stehen und hängen ein Plakat dran, auf dem steht, wer dafür verantwortlich ist."

 
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