Der Landkreis Bad Kissingen stieg 2013 in die Jugendsozialarbeit ein und beschloss 2014, freie Träger der Jugendhilfe mit der Besetzung von Stellen zu betrauen. Während Schulleiterinnen und Schulleiter damals eher ungern öffentlich kommunizierten, dass an ihren jeweiligen Schulen Sozialarbeit notwendig ist, so ist das heute anders.
Gesellschaftliche Strukturen haben sich verändert, Kinder und Jugendliche kämpfen nicht erst seit der Corona-Pandemie mit den unterschiedlichsten Problemlagen. Hinzu kommt, dass in den Klassen zahlreiche geflüchtete Kinder aufgenommen worden sind, die individuelle Probleme haben oder unter Umständen auch Traumata mitbringen.
Stellenausbau an den Schulen geht in Zyklen voran
Jugendsozialarbeit an Schulen ist heute anerkannt und wird im Landkreis Bad Kissingen stetig weiter ausgebaut. Der Kreis macht an den jeweiligen Einrichtungen sogenannte Bedarfsanalysen. Weil der Freistaat Zuschüsse gewährt, Richtlinien festlegt und bestimmte Förderzeiträume festsetzt, geht der Stellenausbau an den einzelnen Schultypen nur zeitversetzt voran.
So konnten seit 2012 Mittel-, Förder- und Berufsschulen, sowie Grundschulen mit mindestens 20 Prozent Migranten-Anteil und Realschulen mit "signifikant hohem Bedarf in besonderen Fällen" Sozialarbeit beantragen. Seit 2021 kommen auch Gymnasien, Berufliche Oberschulen (FOS/BOS) sowie Realschulen und Fachoberschulen mit jeweils sonderpädagogischer Förderung und Förderzentren mit dem Schwerpunkt Sprache in den Genuss von staatlichen Mitteln: Der Zuschuss pro Stelle beträgt von Anfang an bis heute 16.360 Euro.
Die freien Träger der Jugendhilfe beteiligen sich grundsätzlich mit zehn Prozent an den zuwendungsfähigen Personalkosten. Unter bestimmten Voraussetzungen entfällt für die Träger diese Zahlungspflicht und der Landkreis übernimmt diese Kosten.
Wie die Kosten aufgeteilt werden
Was dann als zu finanzierender Restbetrag bleibt, teilen sich der Landkreis Bad Kissingen im Rahmen der Jugendhilfe und der jeweilige Sachaufwandsträger für die Schulen (Kommune oder Landkreis) auf.
Eine Zeitlang war das Förder-Kontingent des Freistaats jedoch ausgeschöpft, Anträge waren nicht möglich. Ab sofort können Schulen aber nun wieder die Aufnahme in das staatliche Förderprogramm der Jugendsozialarbeit zum 1. September 2024 beantragen, sagte der Bad Kissinger Jugendamtsleiter Manfred Kutz im Jugendhilfeausschuss am Montag. Aktuell liegen für den Landkreis Bad Kissingen schon zwei neue Anträge auf Aufstockung der Sozialarbeiter-Stellen vor, so Kutz weiter. Die Berufsfachschule für Kinderpflege, Sozialpflege, Ernährung und Versorgung am BBZ in Münnerstadt will den Stellenanteil von 0,7 auf 0,75 aufstocken. Sachaufwandsträger ist in diesem Fall der Landkreis.
Auch die Anton-Kliegl-Mittelschule in Bad Kissingen gibt an, den Stellenanteil von 1,0 auf 1,5 aufstocken zu wollen. Sachaufwandsträger ist die Stadt Bad Kissingen, die den Antrag gerade bearbeitet, wie es hieß. Die Schule hat 500 Schülerinnen und Schüler in 23 Klassen, inklusive einer übergreifenden Deutschklasse, zwei Brückenklassen, einer Praxisklasse sowie einer Integrationsklasse.
Zunahme von prekären Fällen verzeichnet
"Neben den Steigerungen bei den Problemlagen beobachten wir vor allem eine Zunahme von sehr prekären Fällen, die im Einzelfall einen hohen Zeitaufwand erfordern und eine Aufstockung rechtfertigen", heißt es hierzu vonseiten der Bad Kissinger Schule, wie im Ausschuss dargelegt wurde. Themen seine dann oft "starke psychische Belastungen, Störungen und Suizidgedanken".
Hinzu kämen Fälle von Mobbing, Differenzen im Kontext der Schule, Orientierungslosigkeit sowie häusliche Konflikte – Problemlagen, um die man sich nicht mehr adäquat kümmern könne, habe die Schule mitgeteilt.
Bad Kissinger Realschule stellt Erstantrag für Jugendsozialarbeit
Einen Erstantrag für einen Stellenanteil von 0,5 will nun die Realschule Bad Kissingen zum September 2024 stellen, sagte Kutz im Ausschuss. 877 Schülerinnen und Schüler werden dort in 36 Klassen unterrichtet. Die Zahl der Personen mit Verhaltensauffälligkeiten, psychischen Problemen oder Schwierigkeiten im Elternhaus sei, nach Angaben der Schule, in den vergangenen Jahren, vor allem seit der Corona-Pandemie, "signifikant" gestiegen. Der Unterrichtsalltag sei teilweise massiv beeinträchtigt.
Nach Kutz‘ Darlegungen haben sechs weitere Schulen Interesse daran bekundet, demnächst Jugendsozialarbeiter-Stellen zu beantragen: die Gymnasien in Hammelburg (471 Schülerinnen und Schüler), Münnerstadt (Schülerzahl 400), Bad Brückenau (300) und Bad Kissingen (800) sowie die Realschule Bad Brückenau (285 Schülerinnen und Schüler).