
Viel größer könnte der Kontrast kaum sein. Am Vorabend noch zog Ronan Keating, der smarte Schmusesänger aus Irland, das Publikum im Luitpoldpark von Bad Kissingen in seinen Bann. Tags darauf gibt es wieder begeisterte Zuhörerinnen und Zuhörer an gleicher Stelle. Auf der Bühne diesmal aber die Band Santiano. Kantige Mannsbilder, die ganz bewusst das Klischee vom rauen Seebären verkörpern.
Rund 3800 Gäste nimmt die Band aus Schleswig-Holstein in Bad Kissingen mit auf eine stimmungsvolle Reise über die Weltmeere. Ein energievoller Konzertabend, wie es ihn im beschaulichen Kurort sicher nicht alle Tage gibt. Und an dessen Ende selbst die stehen, klatschen und mitsingen, die es sich auf den Sitzplatz-Tribünen im Luitpoldpark bequem gemacht hatten.
In ihren Liedern besingen die Musiker aus Norddeutschland menschliche Sehnsüchte
Santiano hat seine Nische in der Musikwelt längst gefunden. Mit ihren Seemannsliedern, interpretiert als "Shanty Rock", entern die Musiker aus Norddeutschland seit Jahren die Charts. Ihre bisher erschienen sieben Studioalben erreichten allesamt die Spitze der Hitparade. Die Band mischt Elemente verschiedener Stilrichtungen wie Rock, Folk oder auch Schlager - und kommt damit an.

Denn so speziell der Ansatz der Band sein mag, so bunt ist ihr Publikum. Den klassischen Santiano-Fan scheint es nicht zu geben, zeigt der Blick über das idyllische Open-Air-Gelände in Bad Kissingen: verschiedenste Altersgruppen, unterschiedliche Geschlechter, in schwarz gehüllte Rockmusiker im Wacken-Shirt, aber auch farbenfroh gekleidete Damen, die man augenscheinlich eher am Vorabend bei Keatings Balladen erwartet hätte.
Erklären lässt sich ihr Erfolg nicht nur über die Musik der Norddeutschen. Der raue Seemannsgesang ist vielleicht nicht jedermanns Sache, wenngleich einprägsam und klar, mit schlichten Refrains, die schnell im Ohr sind und auch Santiano-Neulinge rasch mitsingen können. Gewissermaßen wie der klassische Ballermann-Hit, wenn auch auf ganz anderem (musikalischen) Niveau. So gibt es auch immer wieder eher ungewohnte Klänge, wie wenn Peter David Sage zum Geigensolo ansetzt.
Santiano-Frontmann Björn Both wirbt in Bad Kissingen für die Demokratie
Verbindung zum Publikum schaffen vor allem auch die Inhalte. In ihren Texten besingen die Musiker tief menschliche Sehnsüchte: von Abenteuer, Freundschaft, Freude und Trauer, von Fernweh und von Heimat. Vor allem aber von Freiheit. Nicht umsonst startet der Abend mit dem Song "Es klingt nach Freiheit", später stehen auch die "Lieder der Freiheit" auf dem Programm.

Zeilen wie "Kein König befehle uns unsere Wege" oder "Kein Fürst soll uns knechten" will die Band in komplizierten politischen Tagen dabei nicht missverstanden wissen. Man müsse in einer Demokratie zwar permanent über die Inneneinrichtung, die Feinheiten, streiten. Jedoch gebe es derzeit Menschen, und eine Partei an vorderster Front, die nicht die Inneneinrichtung, sondern die Grundfeste infrage stelle, so Frontmann Björn Both unter dem Applaus des Publikums. "Dieses blaue Wunder wollen wir nicht erleben", so der 59-Jährige, der auch für den Schutz der Ozeane wirbt.
Fast zwei Stunden heizen die singenden Seeleute ihrem Publikum in Bad Kissingen, wo sie nach 2016 zum zweiten Mal spielen, ein. Meist laut, meist krachend. Gerne aber auch mal ruhig, geradezu sentimental. So endet der Abend mit "Hoch im Norden", einer Ode an die Heimat der Band - die auch im hohen Norden Frankens funktioniert. Wenngleich hier nur die Saale direkt am Konzertgelände und vielleicht die leichte Sommerbrise an den besungenen, stürmischen Norden erinnern. Gestört hat's niemanden.