Die Kost ist leicht verdaulich. Santiano mischen Rock, Pop und Seemannslieder, ein tüchtigen Schuss Irish Folk dazu – das lässt sich mitsingen, das geht ins Bein. Sie kramen auch in der Klamottenkiste, covern die Hooters, aus „All you Zombies“ wird in „Bis in alle Ewigkeit“ ein „Wir seh’n uns wieder in Walhalla“ – na, ja. Weitaus gelungener: „Blow Boys blow“, „Irish Rover“ oder „Whiskey in the Jar“ im ersten Zugabenblock; wenn schon irisch schrammeln, dann richtig.
Immer wenn’s folkig wird, schlägt die Stunde von Peter David Sage. Dann greift der „Pete“ zur Fidel und legt los. Oder zur klassischen „Tin Whistle“. Sage ist der Filigranste der Santiano-Crew, er begleitete schon Mike Oldfield und Marius Müller-Westernhagen. Für die Stimmung an Bord sorgt der Rest der Schleswig-Holsteiner Combo, die eigentlich nur aus fünf, live aber aus sieben Musikern besteht und seit fünf Jahren auf Kaperfahrt ist. Allen voran Frontmann Björn Both.
Björn Both ist Sprachrohr und Showman – der Kapitän. Er redet gern und viel. Versucht sich auch in tagesaktueller Politik: „Wir stehen für die Ideale der Freiheit“, sagt er. „Die lassen wir uns von so islamistischen Vollpfosten nicht kaputt machen.“ Großes Jawohl samt Applaus. Muss da jetzt nicht noch was kommen? Kommt: „Aber auch nicht von den Anderen, die da durch Europa donnern. Das ist von beiden Seiten Hochverrat an der Freiheit.“ Es dürften die Rechten gemeint sein. Nochmal großes Jawohl samt Applaus. Dann spielen Santiano „Lieder der Freiheit“ – das können sie besser als politisieren.
Was auch keiner erwartet von einer Gruppe, die ein findiger Manager zusammengebastelt hat, weil für eine gutlaunige Heimatmusik gerade der Markt entstanden ist. Gut nur, dass er feine Musiker ausgewählt hat. Handwerklich ist das klasse gemacht. Axel Stosberg lässt genauso gekonnt die Finger über allerhand Perkussion-Gerät fliegen, wie die Saiten-Fraktion mit Björn Both und Andreas Fahnert. Die bodenständige Rockmusik hält den Pop-Firlefanz locker aus. Kein Wunder, dass sich ganz schön viele Altrocker unters Schunkel-Publikum gemischt haben. Und lässig mitwippen.
Santiano haben an diesem Abend Laune und machen auch Laune. „Der Alte und das Meer“, „Gott muss ein Seemann sein“, „Es gibt nur Wasser“ – die Party ist im Gange. Wenn dann Björn Both noch ein Didgeridoo auspackt, dann wird’s international. Fehlen da jetzt nicht noch Piraten? Auch kein Ding. Ein paar Takte aus dem „Fluch der Karibik“-Thema mischen sich keck unter „Alle, die mit uns auf Kaperfahrt fahren“ – das wiederum müssen dem Text zu Folge „Männer mit Bärten sein“.
Nach knapp zwei Stunden legen die Nordlichter erstmals an, drehen dann aber noch zwei Runden durch den Kurstadt-Hafen, so dass die Seereise erst nach zweieinhalb Stunden zu Ende geht. Nicht ohne Björn Boths Erklärung: „Heimat ist wichtig. Das ist der Platz, wo man hingehört. Wir sind alle Weltenbürger auf diesem Planeten.“ Darauf ein finales „Hoch im Norden“ – und schon ist ein letztes Mal an diesem Wochenende Politik wirklich so was von egal.