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Bad Kissingen/Bischbrunn
Faule Jugend? Vier Berufserfahrene sagen, was sie sich früher anhören mussten - und was sie über die Gen Z denken
Über die Einstellung junger Leute wird derzeit viel geschimpft. Aber war das nicht in jeder Generation so? Vier Menschen aus Unterfranken über ihren Berufseinstieg.
Ob Generation Z oder Baby Boomer: Wurde nicht schon immer über die Jugend hergezogen? Claudia Rottenberger (von links), Helmut Grimm, Arnold Grimm und Brigitte Benini schildern ihre Erfahrung.
Foto: Heiko Becker (3), Thomas Obermeier | Ob Generation Z oder Baby Boomer: Wurde nicht schon immer über die Jugend hergezogen? Claudia Rottenberger (von links), Helmut Grimm, Arnold Grimm und Brigitte Benini schildern ihre Erfahrung.
Sophia Krotter
 |  aktualisiert: 29.11.2023 02:53 Uhr

Beschwerden über die "Jugend von heute" sind wohl so alt wie Arbeit und Berufstätigkeit selbst. Schon um 3000 vor Christus schrieben die Sumerer von respektlosen und rebellierenden jungen Leuten, die "keine Lernbereitschaft" zeigen würden und "ablehnend gegen übernommene Werte" seien.

Heute, 5000 Jahre später, steht die "Generation Z" in der Kritik. Die zwischen 1997 und 2012 geborenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind derzeit die jüngste Generation auf dem Arbeitsmarkt. Sie sei zwar sehr gut ausgebildet, sagte zuletzt etwa s.Oliver-Gründer Bernd Freier in einem Interview - doch der Generation Z fehle es an Biss.

Aber war das in der Generation ihrer Eltern und Großeltern anders? Vier Berufstätige aus Unterfranken schildern, wie sie selbst den Einstieg ins Berufsleben in den 70er und 80er Jahren erlebt haben, welche Rolle Arbeit in ihrem Leben spielt - und was sie von der "Gen Z" halten. 

1. Claudia Rottenberger aus Bad Bocklet, Jahrgang 1966: "Die jungen Leute sind heute selbstbewusster"

Claudia Rottenberger ist 57 Jahre alt und lebt in Bad Bocklet. Seit 1982 arbeitet sie bei einer Bank in Bad Kissingen.
Foto: Heiko Becker | Claudia Rottenberger ist 57 Jahre alt und lebt in Bad Bocklet. Seit 1982 arbeitet sie bei einer Bank in Bad Kissingen.

"Bei meiner Berufswahl war mir Regionalität sehr wichtig, denn ich wollte in der Nähe meiner Oma bleiben, die mich großgezogen hat. Eigentlich wollte ich Dolmetscherin werden. Dafür hätte ich aber auf die Sprachenschule in Frankfurt oder an eine Universität gemusst - das war damals keine Option. Als ich dann einen Ausbildungsplatz bei der Sparkasse in Bad Kissingen bekommen habe, war die Freude groß: Ich weiß noch, wie meine Oma in Tränen ausgebrochen ist.

Der Umgang ist heute viel lockerer: Damals habe ich mich zum Beispiel nicht getraut, den Chefs zu widersprechen, da gab es eine klare Hierarchie. Die Wertschätzung war auch deutlich geringer als heute. Als junge Angestellte habe ich vielleicht mal ein Lob bekommen, aber so einen richtigen Austausch wie jetzt gab es nicht. Heute arbeiten wir eher miteinander in Teams, das empfinde ich als harmonischer.

Ich gehe gerne zur Arbeit und sie hat für mich einen hohen Stellenwert. Aber an erster Stelle steht für mich das Private, die Familie und meine Gesundheit.

Gerade 18 geworden: Claudia Rottenberger um 1984 in einer Sparkassen-Filiale in Bad Kissingen.
Foto: Heiko Becker | Gerade 18 geworden: Claudia Rottenberger um 1984 in einer Sparkassen-Filiale in Bad Kissingen.

Die jungen Leute sind heute selbstbewusster als wir es damals waren. Sie stellen das persönliche Leben etwas mehr in den Vordergrund und schützen sich dadurch ein Stück weit davor, dass die Arbeit überhandnimmt und man vielleicht ein Burnout erleidet. Das sehe ich an meinen Kindern: Die Arbeit ist wichtig für sie, aber sie schaffen sich immer wieder Freiräume und ziehen klare Grenzen. Diese Entwicklung finde ich gesund. Der Behauptung, die jungen Leute seien fauler, würde ich nicht zustimmen. Sie sind genauso verlässlich, engagiert und kompetent, wie wir es damals waren.

Auch ich bin Mal mit dicken, verschlafenen Augen auf die Arbeit gekommen. In der Jugend wird man eben flügge, wird volljährig, geht auf Partys - damals wie heute. Die ältere Generation hat damals von uns Jungen gedacht, dass sie die Fleißigeren waren, die Korrekteren und die Verlässlicheren. Ich denke, das ist einfach so ein Satz, der von Generation zu Generation weitergegeben wird."

2. Helmut Grimm aus Bischbrunn, Jahrgang 1959: "Die Alten denken doch meistens, dass es die Jungen leichter haben"

Helmut Grimm, 64 Jahre alt, begann 1974 eine Lehre als Schriftsetzer bei Schleunungdruck in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart).
Foto: Heiko Becker | Helmut Grimm, 64 Jahre alt, begann 1974 eine Lehre als Schriftsetzer bei Schleunungdruck in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart).

"Da ich auf der Hauptschule war, habe ich schon mit 14 eine Lehrstelle gesucht. Damals lief das über Mundpropaganda: Mein Vater wusste, dass in der Druckerei Lehrlinge gesucht werden - mit 15 habe ich dann eine Lehre als Schriftsetzer begonnen.

Mir war wichtig, dass der Arbeitsplatz gut erreichbar ist, dass es keine körperlich schwere Arbeit ist, und dass man im Trockenen ist. Sowas wie Praktika gab es damals nicht - zum ersten Mal in der Firma war ich an meinem ersten Arbeitstag. Eine große Auswahl hatte man ohnehin nicht, einige in meiner Klasse haben gar keine Lehrstelle bekommen. Deswegen war ich einfach froh, dass ich so schnell etwas gefunden habe.

Helmut Grimm als 30-Jähriger am Leuchttisch: Durch die Digitalisierung hat sich sein Beruf im Laufe der Jahre stark verändert. 
Foto: Familie Grimm | Helmut Grimm als 30-Jähriger am Leuchttisch: Durch die Digitalisierung hat sich sein Beruf im Laufe der Jahre stark verändert. 

Die Familie kommt für mich zuerst, aber gleich danach kommt auch schon die Arbeit. Ich musste von klein auf zuhause mit anpacken. Mir war also immer klar, dass man arbeiten und Leistung erbringen muss. Wenn ich mich heute nochmal für einen Arbeitgeber entscheiden müsste, würde ich mich mehr umschauen und vergleichen - so wie das die jungen Leute heute auch machen.

Die Alten dachten früher, dass sie mehr geleistet haben als wir. Aber das war vielleicht auch so. Ein älterer Arbeitskollege hat mir damals von seinen 12-Stunden-Schichten erzählt und gemeint, das würden wir ja gar nicht mehr schaffen. Und so ähnlich denken wir heute vielleicht auch über die Jungen. Natürlich haben sie es leichter als wir damals und haben ganz andere Möglichkeiten, aber das ist auch gut so."

3. Arnold Grimm aus Esselbach, Jahrgang 1957: "Es war schwer, wenn man etwas verändern wollte"

Arnold Grimm brennt für seinen Beruf. Auch nach seinem Renteneintritt arbeitet der 67-Jährige aus Esselbach (Lkr. Main-Spessart) deshalb noch weiter.
Foto: Heiko Becker | Arnold Grimm brennt für seinen Beruf. Auch nach seinem Renteneintritt arbeitet der 67-Jährige aus Esselbach (Lkr. Main-Spessart) deshalb noch weiter.

"Mein Vater wollte, dass ich Schneider werde, und die Berufsberatung meinte, ich solle Thermometerjustierer werden. Ich wollte aber immer fort und habe mich schon als kleiner Junge für Autos interessiert. Deshalb habe ich eine Ausbildung zum Automechaniker gemacht, aber tatsächlich keinen Tag als Geselle dort gearbeitet: Nur 5,20 Mark hätte mir mein Chef pro Stunde gezahlt. Nach dem Wehrdienst habe ich bei verschiedenen Speditionen und einem Busunternehmen gearbeitet, bis ich schließlich bei Schleunung als LKW-Fahrer angefangen habe.

Es gab damals eine ausgeprägte Hierarchie. 'Es ist so und es bleibt so', haben die älteren Kollegen gesagt, oder 'der bleibt sowieso nicht lange'. Es war also schwer, etwas zu verändern. Und ich habe mich dafür einsetzen müssen, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Dennoch bereue ich keinen Tag, an dem ich gearbeitet habe, denn das ist für mich mehr als Geld verdienen - ich mache es ja gerne. Die Firma stand für mich oft an erster Stelle, danach die Familie.

Arnold Grimm im Alter von ca. 19 Jahren. Im Laufe seines Lebens hat er rund 17 verschiedene Autos besessen.
Foto: Familie Grimm | Arnold Grimm im Alter von ca. 19 Jahren. Im Laufe seines Lebens hat er rund 17 verschiedene Autos besessen.

Für mich war es oft schwer, mit der Arbeit aufzuhören, denn es gab immer etwas zu tun. Ich habe ja jeden Monat Geld bekommen und wollte meine Arbeit deshalb auch anständig machen. Auch nach Feierabend noch für jemanden einzuspringen, war für mich nie ein Problem. Die jungen Leute würden das aber wahrscheinlich nicht mehr machen, da besteht eine gewisse Gleichgültigkeit. Vielleicht haben sie damit aber auch Recht." 

4. Brigitte Benini aus Schnackenwerth, Jahrgang 1968: "Die junge Generation hat vollkommen Recht"

Brigitte Benini hat bis Juli 2023 bei Karstadt Kaufhof in Schweinfurt gearbeitet. Jetzt ist die 54-Jährige als Service-Mitarbeiterin in einem Finanzunternehmen tätig.
Foto: Thomas Obermeier | Brigitte Benini hat bis Juli 2023 bei Karstadt Kaufhof in Schweinfurt gearbeitet. Jetzt ist die 54-Jährige als Service-Mitarbeiterin in einem Finanzunternehmen tätig.

"Als ich jung war gab es deutlich weniger Ausbildungsmöglichkeiten als heute. Aus meinem Umfeld kam auch eher der Rat, ich solle eine Lehre machen, mit der ich dann überall arbeiten kann. Ich würde ja sowieso irgendwann Kinder kriegen und zuhause bleiben. Das wollte ich aber nie - ich wollte immer arbeiten, auch als Mutter. Und ich wollte neue Leute kennenlernen und etwas anderes als mein Dorf sehen. Ich habe dann eine Annonce für eine Ausbildung zur Schauwerbegestalterin beim Horten in Schweinfurt gesehen. Das war ein angesehenes Geschäft und die Aufgaben klangen spannend, deshalb habe ich mich für diese Lehre entschieden.

Auch wenn ich immer gern zur Arbeit gegangen bin und meine Kolleginnen und Kollegen sehr mochte, ist Arbeit für mich eher ein Mittel zum Zweck - dass ich leben kann, mir was leisten kann und eine Rente bekomme, wenn ich einmal nicht mehr arbeite. Freizeit und Familie sind mir wichtiger.

Brigitte Benini im Alter von 21 Jahren.
Foto: Familie Benini | Brigitte Benini im Alter von 21 Jahren.

Auch uns wurde früher vorgehalten, dass wir es viel leichter und besser gehabt hätten als die vorherigen Generationen. Das ist vielleicht in jeder Generation so, dass die Älteren sagen: Die Jüngeren taugen nichts, machen zu wenig und sind faul. Meine Jugend war unbeschwert und ich habe immer optimistisch in die Zukunft geblickt. Mit dem Klimawandel, der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg ist das heute vielleicht etwas anders.

Die junge Generation hat vollkommen Recht, Privates über den Beruf zu stellen. Bei uns ist man früher auch mal krank zur Arbeit gegangen. Das machen die jungen Leute heute nicht mehr und das finde ich richtig. Ich würde sie nicht als faul bezeichnen. Sie sollen das machen, was sie für richtig halten und von dem sie überzeugt sind."

 
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  • Claudia Schwarz
    Wie können Sie so respektlos von den jungen Menschen reden?
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  • Bernhard Schebler
    Ich würde sagen, Ihr 4 habt keine Ahnung. Ich habe in den 60er Jahren einen Beruf erlernt, da mussten wir noch 60-70 Std. die Woche arbeiten, dass Ihr überleben könnt. Erzählt das mal den Jugendlichen heutzutage, die langen sich an den Kopf. Die Jugend heute will sich doch nicht mal die Finger schmutzig machen. Da sind aber meistens die Eltern schuld, die Jugend bekommt viel zu viel Zucker in A.... geblasen. Ich würde sagen, das sind keine Jugendlichen, das sind alle Waschlappen. Als Eltern würde ich mich für die Jugendlichen schämen.
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